Montag, 31. Dezember 2018

Die Flucht nach Ägypten



Um 1350/20 malte Giotto di Bondone (um 1266 – 1337) in der Unterkirche von San Francesco in Assisi das Fresko „Die Flucht nach Ägypten“.
Maria in leuchtend blauen Mantel, ihrer Symbolfarbe, reitet im Damensitz. So kann ihr Kind auf ihrem rechten Bein und von ihrer rechten Hand gehalten werden. Dies erinnert entfernt an den byzantinischen Typus der Darstellung Mariens als „Dexiokratusa“. Das Kind hat schon einen Kreuznimbus und wird durch einen Halsgurt an Maria gebunden.
Zu dieser Gruppe beugt sich eine Palme. Dieser Vorgang wird sowohl in der Legenda aurea, als auch im Pseudo-Matthäusevangelium geschildert.
Die Fliehenden werden von zwei, ihnen vorausfliegenden Engeln beschützt und von einem folgenden Paar begleitet. Der Junge Mann stachelt den Esel an (Er sticht mit einem Stachel in den Esel). Dieses Motiv kommt in manchen Ikonen vor. Die alte Frau trägt ein Bündel auf den Kopf und stützt sich auf einen Wanderstab. Giotto malt es als Kontrastpaar zu Maria und Joseph. (Joseph ist alt, der Begleiter ist jung. Bei Maria und der Begleiterin ist es umgekehrt. Joseph trägt ein Reisebündel über der Schulter, die Begleiterin auf dem Kopf. Joseph lässt das Halfter locker, während der Bedienstete den Esel vorwärtstreibt.)
Die „Flucht nach Ägypten“ hat durch die heutigen Vorgänge im Nahen Osten wieder eine ganz neue Aktualität erhalten. AE

(Titelbild DER FELS Januar 2016)
Redaktion: Eichendroffstr. 17, D-86916 Kaufering
HubertGindert@der-fels.de

Donnerstag, 29. November 2018

Zum Nachdenken...




DIE WELT VOM 2. März 2018
Kommentar
Putins Superwaffen

von RICHARD HERZINGER

In gut zwei Wochen wird sich Russlands Präsident Wladimir Putin im Amt bestätigen lassen. Zur Einstimmung darauf hat der Kreml-Herr in einer protzigen Propagandarede klargemacht, was er unter der seit vielen Jahren versprochenen, doch bis heute ausgebliebenen „Modernisierung“ seines Landes versteht: das Vorantreiben eines gigantischen Aufrüstungsprogramms, das die globalen militärischen Kräfteverhältnisse dramatisch zu verändern droht.
Vor allem die neue russische Superrakete RS-28 Sarmat, im Nato-Jargon Satan 2 genannt, die eine unbegrenzte Reichweite besitzt und bis zu 16 Nuklearsprengköpfe tragen kann, macht den Westen auf alarmierende Weise verwundbar. Ist diese Waffe, die ein Land von der Größe Frankreichs mit einem Schlag auslöschen kann, doch von bisher existenten Raketenabwehrsystemen – auch den amerikanischen – nicht zu erfassen. Putins Versicherung, seine neuen Wunderwaffen dienten nur der „Sicherung des Friedens“, ist nur zu gut aus Sowjetzeiten vertraut.
Tatsächlich dürfte er kaum vorhaben, sie in absehbarer Zeit einzusetzen. Wohl aber dient sein Prahlen mit den ungeheuren Zerstörungskräften, über die er verfüge, der Einschüchterung des Westens — und namentlich der USA, seines erklärten strategischen Hauptfeinds. Er sendet damit eine massive Warnung an jeden aus, der es wagen sollte, sich seinen Aggressionsgelüsten und Weltneuordnungsplänen entgegenzustellen, wie er sie derzeit in Syrien und der Ukraine demonstriert. So klingt es auch nicht beruhigend, wenn Putin betont, Russland werde Nuklearwaffen nur einsetzen, sollte ein atomarer Angriff auf es selbst oder „seine Verbündeten“ vorausgehen. Gilt eine solche Garantie etwa auch für Komplizen wie das mörderische Assad-Regime?
Zu lange hat sich vor allem Europa im Gefühl der Unangreifbarkeit gesonnt. Man sah sich „von Freunden umzingelt“ und redete sich ein, die Zukunft gehöre allein der „Softpower“. Hierzulande gilt vielen schon die Einlösung des Zwei-Prozent-Ziels der Nato als verwerfliche „Militarisierung“ — während die Bundeswehr funktionsuntüchtig ist. Unterdessen holen autoritäre Mächte wie Russland und China ihren militärtechnologischen Rückstand gegenüber dem westlichen Bündnis in Riesenschritten auf. Dies werden sie nutzen, um politisches Wohlverhalten zu erzwingen. Es gilt, endlich wieder zu begreifen: Mangelnde militärische Abschreckung stimmt die Feinde der westlichen Demokratie nicht friedfertiger. Sie macht es vielmehr möglich, uns als Erstes politisch zu entwaffnen.

richard.herzinger@welt.de
(Hervorhebungen von diesem Blog)

Dienstag, 6. November 2018

Vom Holocaust zum Babycaust


VON DR. FRED DUSWALD*
Als „Frau, die einen Holocaust überlebte und einen anderen verschuldete“ kennzeichnet das katholische Medium Info Vaticana die am 30. Juni Alter von 90 Jahren in Paris verblichene Politikerin Simone Veil (1927-2017), die als Jugendliche die Judenverfolgung überlebte und als Gesundheits(!)ministerin 1974 das Abtreibungsgesetz durchboxte, dem seither mindestens 7,5 Millionen ungeborene Kinder zum Opfer gefallen sind.
„Das trauernde Frankreich bringt Madame Simone Veil seine Dankbarkeit zum Ausdruck“, twitterte Staatspräsident Emmanuel Macron. Nicht lumpen ließ sich auch sein Vorgänger François Hollande: „Frankreich verliert eines seiner großen Gewissen.“
Das Licht der Welt erblickte die „Jahrhundertfrau“ (Die Welt) als Simone Jacob in Nizza. Mutter Yvonne, geborene Steinmetz, war Atheistin, Vater André, Architekt, hasste die Deutschen und nannte sie, so Simone am 22. März 2009 im Berliner Tagesspiegel, stets „les Boches“. Im März 1944 wurde die jüdische Familie verschleppt. Vater und Bruder kamen nach Litauen. Beide kamen nicht zurück. Simones Schwester Denise war bei der Résistance und überlebte im KZ Ravensbrück. „Die Mutter starb in Auschwitz“, zwischentitelte Die Welt in ihrem Nachruf auf Simone, um anschließend im Text fortzusetzen, dass diese in Bergen-Belsen „wenige Tage vor der Befreiung zusehen musste, wie ihre Mutter [dort] an Typhus starb“ (5.7.2017).
Simone heiratete 1946 Antoine Veil, den Generaldirektor der Lufttransportgesellschaft UTA und wurde unter Giscard d'Estaing Ministerin. Sogleich nahm sie die Freigabe der Abtreibung in Angriff: „Es war eine explosive, chauvinistische Stimmung im Land. Dabei hatte der Nouvel Observateur schon das ,Manifest der 343‘ veröffentlicht, in denen zum Beispiel Simone de Beauvoir [1908-1986], Françoise Sagan [1935-2004}, Catherine Deneuve [*1943] Jeanne Moreau [*1928] erklärten, sie hätten abgetrieben. Das Gesetz wurde ein Triumph.“
Erschütterter Staat
Laut Deutschlandfunk erschütterte Simone Veil das Wertesystem Frankreichs bis in die Grundfesten. Nie wieder gab es eine so schwierige Debatte in der Nationalversammlung. Da wurde geschrien und geschimpft, es gab die schlimmsten Beleidigungen. Ein Abgeordneter fragte, ob „Madame la Ministre“ es verantworten könne, Embryos wie in den Nazi-Lagern zu verbrennen. Einen Moment lang verbarg Simone Veil ihr Gesicht. Noch Jahrzehnte später spekuliert man in Frankreich darüber, ob die junge Gesundheitsministerin, die den Geruch der Krematorien von Auschwitz nie vergessen hat, in diesem Moment weinen musste.
Die Abstimmung
Am 29. November 1974 um 3.40 Uhr morgens stimmten die Abgeordneten ab. Die bürgerliche Seite verfügte über eine satte Mehrheit von 302 von 490 Mandaten. Die Liberalen aber, denen Simone Veil angehörte, erstrebten mit nicht geringerer Vehemenz als die politische Linke die Legalisierung des Kindermordes. Die Linksopposition, die geschlossen für die Abtreibung stimmte, und ein Drittel der bürgerlichen Regierungskoalition schufen ad hoc eine ansonsten nicht existierende Par1amentsmehrheit. Simone Veil wurde zum international von Linken und Liberalen gefeierten Fetisch des Feminismus. „Ich hatte nicht den Hass erwartet, den ich wecken würde“, erinnerte sie sich später. „Man hat auf meine Haustür ,Veil=Hitler‘ geschrieben.“ Dieser Vergleich hinkt insofern, als für Abtreibung unter Hitler die Todesstrafe drohte.
Die Praxis heute
Heute praktizieren mehr als 95 Prozent der französischen Gynäkologen die Abtreibung oder sind bereit dazu. Weniger als fünf Prozent machen von einem eingeschränkten Recht auf Verweigerung aus Gewissensgründen Gebrauch. Wer aus Gewissensgründen verweigert, hat beruflich schwere Nachteile. Die Chancen auf eine Stelle als Chefarzt sinken auf Null.
Der Großorient von Frankreich jedoch, größte Freimaurer-Obödienz der Republik, ehrte die Täterin mit einem Abguss der „Marianne“ von Jacques France. Die Verleihung der Statuette sei „ein Zeugnis der Verbundenheit und der Anerkennung des Großorients von Frankreich für Simone Veil, unsere Schwester von Herzen“, lobte Großmeister Daniel Keller ihren „Kampf für die Frauenemanzipation, die Tochter der Laizität, die den Kern des freimaurerischen Wirkens bildet“. Die „Loi Veil“ pries er als „Symbol jener Verbesserung des Menschen und der Gesellschaft, an der die Freimaurer arbeiten: Dieses Gesetz bleibt ein Pfeiler unserer Gesellschaft.“
Gewählt & geehrt
Nach ihrem Ausscheiden aus der Regierung wirkte die „Mahnerin und Ministerin“ (Der Tagesspiegel) von 1979-1981 als Präsidentin des Europäischen Parlaments in Straßburg. Gewählt wurde die Engelmacherin mit den Stimmen der bundesdeutschen Christdemokraten und Christsozialen. Verwirrung kam auf, als bekannt wurde, dass Simone Veil, Ehrenvorsitzende einer Stiftung zum Gedenken an die Shoah, auf einer vom Auschwitz-Museum erstellten Liste zu Unrecht als eine im Holocaust Umgekommene geführt wurde.
Über die Überlebende ging ein Regen von Ehrungen und Auszeichnungen hernieder:
Wie vor ihr der Kriegsverbrecher Winston Churchill (1874-1967) und nach ihr die Rechts- und Verfassungsbrecherin Angela Merkel wurde Simone Veil mit dem Karlspreis der Stadt Aachen bedacht. Auf dem Fuß folgten der Truman-Preis für Frieden, die Stresemann-Medaille in Gold, der Schillerpreis der Stadt Marbach, der Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf und nicht zuletzt der Bürgerrechtspreis der Zigeuner. Diese Aufzählung ist nicht vollständig. Britenqueen Elisabeth ernannte die Engelmacherin zur „Dame Commander“.
2008 wurde Simone Veil als sechste Frau zum Mitglied der „Academie française“ gewählt. So nennt sich die 1635 unter Ludwig XIII. (1601-1643) ins Leben gerufene Gelehrtengesellschaft, die sich der Pflege der französischen Sprache widmet. Simones Sitz dort war Fauteuil 13, auf dem auch schon der Dichter Jean Racine (1639-1699) saß. Die Mitgliedschaft in der Academie gilt als ehrenhafteste Krönung einer Intellektuellenkarriere mit quasi-adligen Status. Zu allem Überfluss ruht die „Heroïne“ (L'Officiel ) im Pariser Pantheon, der Ruhmeshalle Frankreichs.
Geistliches Lob
Von geistlicher Seite kam zur mehrfachen Ehrung der Engelmacherin kein Wort der Missbilligung. Der Fall Veil erinnert vielmehr an den Fall Emma Bonino (* 1948), der zentralen Figur bei der Legalisierung der Abtreibung in Italien. Anno 1975 wurde die Liberale Mitbegründerin des Informationszentrums für Sterilisierung und Abtreibung (“Centro di Informazione Sterilizzazione e Aborto”, CISA) zur Ikone für die italienische Legalisierungskampagne.
Höchtes Lob
Papst Franziskus lobte Emma Bonino im Corriere della Sera vom 8. Februar 2016 als „ganz Große“.
Analoges Lob spendeten nun Frankreichs Bischöfe der verblichenen Simone Veil: „Wir grüßen ihre Größe als Staatsfrau, ihren Willen, für ein brüderliches Europa zu kämpfen, ihre Überzeugung, dass Abtreibung ein Drama ist.“ Für das Zweite Vatikanische Konzil war Abtreibung kein Drama, sondern ein „verabscheuungswürdiges Verbrechen“. So wörtlich in der Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ unter Nr. 51.
Angesichts der gigantischen Blutspur, die Simone Veil durch ihr Abtreibungsgesetz durch Frankreich und Europa zog, ist die Twitter­Botschaft der französischen Bischöfe ein maximaler Skandal. Der Abtreibungspolitikerin wurde kritiklos Weihrauch gestreut. Die Abtreibungsopfer, die fast 7,5 Millionen unschuldige Kinder, die Veils Gesetz zum Opfer gefallen sind, wurden mit keinem Wort erwähnt.
Die Bischöfe verhalten sich damit nicht anders als die Abtreibungsideologen. Die ungeborenen Kinder werden ausgeblendet. Sie gibt es einfach nicht. Sie müssen entmenschlicht und verdinglicht werden, um sie gewissenlos beseitigen zu können.
Auch beim Ableben der abtreibungsrabiaten (österreichischen) Parlamentspräsidentin Barbara Prammer (1954-2014) sagten Österreichs „ungute Hirten“ nicht zum Abschied leise „servus“, sondern lobten die tote Rote auf das Lauteste.
* Dr. Fred Duswald gehört zu den angefeindesten Schriftstellern Österreichs. Zuletzt überstand er einen Prozess nach einer Anzeige durch den Linzer Bischof Manfred Scheuer. Trotz allem tritt Duswald nicht aus der Kirche aus und berappt die von Hitler eingeführte Kirchensteuer. So wie schon den unvergessenen Pornojäger Martin Humer zählt „Der 13.“ Dr. Fred Duswald zu seinen Freunden.

Aus „Der 13.“ Nr. 9 vom 13. September 2017, S. 5-6.
Foto: http://www.europe1.fr/politique/simone-veil-ceremonie-dobseques-officielles-mercredi-aux-invalides-presidee-par-macron-3376676

Mittwoch, 26. September 2018

Osterfreuden - Der Weiße Sonntag



»Wenn das zwölfte Lebensjahr erreicht ist, und wenn des Jahres Lenz gekommen sind, so vereinigt sich die Jugend mit ihrem Schöpfer. Nachdem sie den Tod des Welterlösers mit Zions Bergen beklagt und der Finsternisse, die die Erde bedeckten, gedacht hat, erhebt sich die Christenheit aus ihrem Schmerz: die Glocken wachen wieder auf, die Heiligen werden entschleiert, der Ruf der Freude, das uralte Halleluja Abrahams und Jakobs widerhallt in den Räumen der Kirchen. Jungfrauen in weißes Linnen gekleidet, und Knaben, mit Zweigen geschmückt, ziehen einher über die Erstlingsblumen des Jahres; sie kommen zum Tempel, neue Lobgesänge anstimmend; ihre Eltern folgen, und bald steigt Christus auf den Altar herab zu diesen zarten Seelen. Das Brot der Engel wird auf die reine Zunge gelegt, die noch keine Lüge befleckt hat, während der Priester in dem reinen Wein das verdienstvolle Blut des Lammes trinkt.«

Aus dem Herz-Jesu-Kalender der Fédération pro Europa Christiana - FPEC - Frankreich, Mai 2016

Textquelle: François-René de Chateaubriand, „Geist des Christentums oder die Schönheiten der christlichen Religion“. Morus Verlag, Berlin 2004. S. 41.

Donnerstag, 20. September 2018

Die Ermordung der Prinzessin von Lamballe


Am 3. September um 10 Uhr morgens
kam die unglückliche Lamballe vors Gericht.

Maria Theresia Louise von Savoyen-Carignan, geboren den 17. September 1749, seit dem Tode ihres Gemahls, Ludwig Alexander Josef Stanislaus von Bourbon-Penthièvre, Prinzen von Lamballe, nicht mehr vermählt, war sie Obersthofmeisterin der Königin (Marie Antoinette), welche sie wie eine Freundin liebte, und darum wurde auch die Lamballe der Gegenstand des Hasses, welcher die unglückliche Marie Antoinette traf. Er war ungerechtfertigt, ihr einziges Verbrechen war die Hingabe an die Königin; selbst der Conventsmann Mercier (1) gibt ihr das Zeugnis: „Sie hat mitten in unsern Wirren nie eine politische Rolle gespielt; nichts konnte sie in den Augen des Volkes verdächtig machen, bei dem sie nur durch ihre immer rege Wohltätigkeit bekannt war.“


Ehe die Königin nach Varennes floh, teilte sie ihren Plan der Lamballe mit, und diese reiste zur selben Zeit über Dieppe nach England. Als die Königin gefangen war, wollte sie ihr Unglück teilen, obschon Marie Antoinette sie warnte. Sie kam und, je unglücklicher die Königin wurde, umso inniger wurde die Anhänglichkeit ihrer Freundin. Sie bat es sich aus, sie in das Gefängnis des Temple begleiten zu dürfen, um durch ihre Gesellschaft ihr Trost zu bieten. Aber diese beispiellose Treue reizte gerade die Kommune: Unter rohen Formen, am 18. August um zwei Uhr in der Nacht, weckte ein Trupp Pikenmänner die königliche Familie aus dem Schlafe und kündigte an: der Gemeinderat hat befohlen, die Prinzessin Lamballe, Madame de Tourzel, die Gouvernante des Dauphin, deren Tochter, und die vier Kammerfrauen der Königin, die Damen Thibaut, Saint-Brie, Basile und Navarre, wegzuführen. Die Königin, ihre Tochter, der Dauphin, Madame Elisabeth brachen in lautes Jammergeschrei aus. Man schied mit der Ahnung, dass man sich in diesem Leben nie wieder sehen werde. Selbst die Pikenmänner wurden vom rührenden Abschied ergriffen.
Königin Marie Antoinette wird zur Guillotine abgeführt
Umsonst waren Tränen und Bitten. Die Frauen wurden nach La Force gebracht, worin eine tödliche Beschimpfung für sie, wie für die Königin lag; denn nach La Force kamen nur solche Frauen, die wegen ihres sittenlosen Lebens bestraft wurden. Also bewohnte die Lamballe, deren Schönheit und Liebenswürdigkeit ganz Paris bewunderte, die Behausung der Verworfenen ihres Geschlechtes, oder vielmehr veredelte sie dieselbe durch ihre Gegenwart, durch ihre Mildtätigkeit und ihre Arbeiten für die Armen; denn sie blieb auch hier ihrem edlen Sinne treu. Die anderen Damen wurden wieder frei auf Befehl Manuels. Wie viel er Geld dafür bekommen, weiß man nicht. Der Herzog von Penthièvre soll 150.000 Francs für die Rettung seiner Schwiegertochter an Manuel haben auszahlen lassen und dieser, seinem Wort getreu, so erzählt Mathon de la Varenne, soll auch die Absicht gehabt haben, sie zu retten. Aber ihr Schwager, der Herzog von Orléans, soll für ihre Vernichtung tätig gewesen sein, voll Hass gegen sie, weil sie ihn nach dem 5. Oktober aus ihrem Hause verwiesen, und weil er durch ihren Tod ein Witthum von 100.000 Talern gewann, mit denen die Güter seiner Gattin belastet waren (2). Die Mörder, welche sie vor Gericht führten, seien die Werkzeuge des Herzogs von Orléans gewesen.
Weber versichert, drei Briefe, welche in ihrem Hut beim ersten Verhör gefunden wurden, hätten den Hass gegen sie gesteigert. (3)
Das Gefängnis La Force
Die Prinzessin war unwohl geworden durch den Lärm der Mörder; schreckliche Träume raubten ihr den Schlaf – da ward sie plötzlich aufgefordert, ihnen in die Abtei zu folgen. Sie war so schwach, dass sie sich kaum erheben konnte und bat, man solle sie lassen, wo sie sei, sie wolle lieber hier als sonst wo sterben. Einer der Männer, die sie abholen sollten, beugte sich über sie und flüsterte ihr ins Ohr, sie möge gehorchen, ihre Rettung hänge davon ab. Nun bat sie die Männer, sie einen Augenblick allein zu lassen, damit sie sich ankleiden könne. Dann ward sie am Arm eines Soldaten aus ihrer Kammer vor das Gericht geführt, welches Hébert und l’Huilièr leiteten. Als sie die gezückten Schwerter, die bluttriefenden Mörder sah und das Geschrei der Opfer hörte, fiel die Prinzessin in Ohnmacht. Ihre Kammerfrau, Madame de Navarre, brachte sie mit Mühe wieder zu sich. Dann folge das Verhör (4). „Wer sind Sie?“ – „Marie Louise, Prinzessin von Savoyen.“ – „Ihr Amt?“ – Oberaufseherin des Hofes der Königin.“ - „Hatten Sie Kenntnis von der Verschwörung des Hofes am 10. August?“ – „Ich weiß nicht, ob am 10. August eine Verschwörung stattgefunden hat; aber das weiß ich, dass ich nichts von einer solchen wusste.“ – „Schwören Sie, der Freiheit, Gleichheit und dem Hass gegen den König treu zu sein.“ – Ich will gerne auf die zwei ersten schwören – das letzte kann ich aber nicht schwören; denn mein Herz widerspricht einem solchen Eide.“ – Einer, der hinter ihr stand, raunte ihr ins Ohr: „Schwören Sie doch, sonst sind Sie des Todes.“
Prinzessin Lamballe vor Gericht
Die Prinzessin gab keine Antwort und tat einen Schritt gegen das Tor. Der Richter rief: „Bringen Sie Madame nach der Abtei!“ Zwei starke Kerle packten sie und man öffnete das Tor. „Rufen Sie: Es lebe die Nation!“ sagten sie ihr – aber beim Anblick der Mörder und der Leichen rief sie erschreckt: „Mein Gott, ich bin verloren!“ In diesem Augenblick bekommt sie auf dem Kopf eine Wunde, die ihr Antlitz mit Blut überrieseln macht. Ein Kerl schlägt sie zu Boden, andere geben ihr mit Piken und Säbeln den Rest: Ihr schöner Leib wird dann entkleidet und aufs schmachvollste verstümmelt, - eines dieser Ungeheuer verzehrte ihr Herz und nannte es das leckerste Gericht. Der Kopf, dessen Angesicht der Tod veredelte, ward zuerst auf dem Tische eines Schanklokals zur Schau ausgestellt, und dabei auf ihren Tod getoastet, dann wurde er auf einer Pike, welche ihre glänzenden blonden Locken bedeckten, durch die Straßen getragen zu den Häusern, wo sie gewohnt oder die sie häufig besucht hatte, gleichsam als ob sie im Tode noch ein Gefühl dafür hätte. Ein Perückenmacher ergriff die Gelegenheit, den Kopf einiger seiner schönsten Locken zu berauben. 

Ermordung und Enthauptung der Prinzessin von Lamballe
Auf einmal hieß es unter den Schurken, man muss den Kopf im Temple den Gefangenen zeigen, damit sie sehen, wie sich das Volk an seinen Feinden rächt. – Der König wird aufgefordert, sich dem Volk zu zeigen – da wird ihm der Kopf entgegengehalten, den er mit Schrecken erblickt. Auch die Königin soll ans Fenster kommen, der König hält sie auf und führt sie weg. Dennoch erfuhr sie denselben Abend alles und musste deutlich erkennen, welches Schicksal ihr selber bevorstand.

Der Kopf der Prinzessin wurde auf einer Pike durch die Straßen von Paris getragen
Sofort wurde der Kopf zum Palais Royal getragen und der Herzog von Orléans herausgerufen – er saß gerade mit seiner neuen Geliebten, der Witwe Buffon, bei der Tafel. Kalt betrachtete er das Haupt; den Mord seiner Schwägerin zu tadeln, wagte der „Volksfreund“ nicht, er sagte bloß: „Die arme Frau! hätte sie mir gefolgt, ihr Kopf stäke nicht da.“ – Aber Madame Buffon sank vor Schreck auf einen Stuhl, bedeckte die Augen mit den Händen und rief: „Mein Gott! man wird meinen Kopf eines Tages auf gleiche Weise herumtragen.“ – Eine Hofdame der Königin, zu der man das Haupt gleichfalls trug, sank beim Anblick ohnmächtig zusammen und starb nach wenigen Tagen infolge des Schreckens.

Die Nachricht vom schrecklichen Schicksal seiner Schwiegertochter gab dem Herzog von Penthièvre den Tod. „Großer Gott!“ rief er, „... Jahrelang habe ich mit ihr gelebt und habe nie einen Gedanken in ihrer Seele gefunden, der nicht für die Königin, für mich und für die Armen gewesen wäre. Und diesen Engel konnten sie in Stücke reißen.“

(1) Mercier, Le nouveau Paris, I, 2e. edition, p.101
(2) Buchez et Roux, l.c. XVII, p.417, wird diese Angabe mit Grund bestritten. – Lescure, l.c. p.381- 382
(3) Weber, Mémoires, II, p.349
(4) So gibt es Peltier, Hist. de la Révol. du 10 Août, XI, p.339, und nach ihm die Hist. parlem., XVII,  p.418.

Quelle: J. B. Weiß, Weltgeschichte. XVI. Bd., 3. Aufl., Ss. 175-178

Samstag, 18. August 2018

Segnung des Brotes

François Archange Joseph Bodin (1838-1902).
Musée des Beaux-Arts, Tourcoing, Frankreich / Giraudon / The Bridgeman Art Library. 


Segnung des Brotes


Der Priester segnet das Brot, das nach der feierlichen Messe verteilt wird. Die Erstkommunikantin, wie eine kleine Braut gekleidet, bringt dieses Brot dar - eine Gabe ihrer Familie. Man erkennt die Würde des Priesters und der beiden Sänger in ihren liturgischen Gewändern. In der Kapelle, uns gegenüber, befinden sich Mädchen, die auf die Firmung vorbereitet werden in Begleitung einer Nonne. Rechts sieht man die Bank der Honoratioren. Ein Chorknabe blickt neugierig zu uns herüber.
Die Holzbänke, die Steinplatten, die Tonziegel am Boden sind noch heute in den Kirchen Frankreichs zu finden, aber schmutziger, angeschlagener und abgenutzter als in jenen Ländern, die die Kirchengüter, im Gegensatz zu Frankreich, nicht verrstaatlicht haben.
Dieses Gemälde drückt die Frömmigkeit eines ganzen Volkes aus, das Gott Ehrfurcht und die geebührende Ehre erweist.

(Aus dem Kalender „365 Tage mit Maria“ 


von der Aktion „Deutschland braucht Mariens Hilfe“, Mai 2012)

Sonntag, 1. Juli 2018

Seerosen



Seerosen, 1888
Charles Courtney Curran
Terra Foundation for American Art, Daniel J. Terra Collection; Chicago, USA 
Foto: commons.wikimedia.org

Wir befinden uns an einer Flussmündung in den Ericsec, USA. Seerosen oder genauer gesagt gelber Lotus, der Lotus Amerikas, breitet seine Blütenpracht über einen Teich aus. Der Ort nennt sich Old Woman Creek.
In jenem Sommer, in dem seine Hochzeit stattfand, hat CharIes Curran dieses Bild gemalt. Wir sehen rechts seine junge Ehefrau Grace in einem Kleid aus weißem Tüll und links ihre Cousine Charlotte. Mehrere Landhäuser in dieser Gegend waren im Besitz ihrer Eltern und sie verbrachten hier ihre Sommerferien.
Beim Betrachten dieses Bildes glauben wir, dem Boot ganz nah zu sein. An diesem heißen Tag pflückt Grace Seerosen — wie jene, die vor Kurzem zu ihrem Hochzeitsstrauß gebunden wurden.
Das Licht, das durch den Sonnenschirm dringt, bringt ein bizarres Leuchten in Harmonie mit den Wasserpflanzen hervor. Eine Stimmung, die uns zum Meditieren einlädt.
Dieses außergewöhnliche Gemälde drückt Reinheit, Tugendhaftigkeit und Schönheit der Seele aus. Es ruft uns das verlorene Paradies in Erinnerung.

(Aus dem Kalender „366 Tage mit Maria“ von der Aktion „Deutschland braucht Mariens Hilfe“, August 2015)

Freitag, 29. Juni 2018

Sankt Petrus


Es steht ein Fels im Felsenmeer,
In Wogenprall und Stürmen schwer,
Ein Leuchtturm strahlt von seiner Höh’
Weit durch die sturmbewegte See.
Ihr Menschenschifflein groß und klein,
Könnt unbesorgt und ruhig sein!
Fahrt in des Leuchtturms Strahl zum Hafen ein!


Hoch auf dem Fels im Zeitenstrom.
Da steht ein heil’ger Gottesdom.
Wohl dem, der dort auf sich’rer Höh’
Geborgen ist vor Sturm und Weh!
Zweihundert Millionen knien
Im Dom dort auf dem Felsen kühn,
Singen Gott Lob- und Dankesmelodien!

Und auf dem Fels im Zeitenmeer
Da steht ein Lehrstuhl hoch und hehr,
Da sitzt ein Greis auf hohem Thron,
Der bietet Sturm und Wetter Hohn,
Denn was er lehrt, ist Wahrheitswort
Und lebt durch alle Zeiten fort.
Er ist der Fürsten und der Völker Hort.


O heil’ges Rom, o Petri Thron!
Wir huldigen dir im Jubelton!
In deinem Licht, in deinem Schutz,
Da bieten wir den Stürmen Trutz,
Der Völker Hort und Heil du bist,
Stets siegreich über Macht und List
Bis einst ein Hirt und eine Herde ist.

Quelle: Alphons Maria Rathgeber, „Kirche und Leben - Ein Buch von der Schönheit und Segenskraft der Kirche“. Verlag Albert Pröpster, Kempten Allgäu, 1956. S. 409.

Mittwoch, 27. Juni 2018

Wir setzen unsere ganze Hoffnung auf sie, die stets alle Irrlehren vernichtet hat




Aus der Bulle „Ineffabilis Deus“ von Pius IX., vom 8. Dezember 1854.

„Wir sagen jetzt und immerdar Unserem Herrn Jesus Christus den demütigsten und höchsten Dank, daß er entgegen Unseren Verdiensten Uns die Gnade verliehen hat, diese Ehre, diesen Ruhm und diesen Lobpreis seiner heiligsten Mutter darzubringen und zu beschließen. Auf sie setzen wir Unsere ganze Hoffnung und Unser vollstes Vertrauen. Ist sie doch ganz schön und ohne Makel; sie hat das giftige Haupt der grausamen Schlange zertreten und der Welt das Heil gebracht; sie ist der Ruhm der Propheten und Apostel, die Ehre der Blutzeugen, die Freude und Krone der Heiligen, die sicherste Zuflucht und treue Helferin aller Gefährdeten des ganzen Erdkreises, die mächtige Mittlerin und Versöhnerin bei ihrem eingeborenen Sohne, der herrlichste Schmuck, die Zierde der heiligen Kirche und ihre unüberwindliche Schutzwehr; sie hat stets alle Irrlehren vernichtet und die gläubigen Völker und Nationen den größten Drangsalen entrissen und Uns selbst aus so manchen drohenden Gefahren befreit. Und so erwarten Wir denn von ihr, sie werde durch ihre mächtige Fürbitte bewirken, daß unsere heilige Mutter, die Kirche, nach Beseitigung aller Hindernisse, nach Überwindung aller Irrtümer unter allen Völkern und an allen Orten von Tag zu Tag an Kraft gewinne, blühe und herrsche von Meer zu Meer, vom großen Strom bis zu den Grenzen des Erdenrundes (Ps 71,8), daß sie des Friedens, der Ruhe und der Freiheit sich erfreue. Wir erwarten, daß sie den Schuldigen Verzeihung, den Kranken Heil, den Kleinmütigen Starkmut, den Betrübten Trost, den Gefährdeten Hilfe bringe und alle Irrenden nach Aufhellung der Finsternis des Geistes auf den Pfad der Wahrheit und Gerechtigkeit zurückführe, auf daß ein Hirt und eine Herde werde (Joh 10,16).“

(in „Catolicismo“, Nr. 48, Dezember 1954).

Quelle Deutsch: Heilslehre der Kirche. Dokumente von Pius IX. bis Pius XII. Deutsche Ausgabe des französischen Originals von P. Cattin O.P. und H. Th. Conus O.P. besorgt von Anton Rohrbasser, Paulusverlag Freiburg/Schweiz 1953, S. 306-325, Rnr. 510-545; Imprimatur Friburgi Helv., die 22. maii 1953 L. Waeber V. G). Das lateinische Original von „Ineffabilis Deus“ findet sich in: Pii IX Acta, pars 1a, vol. I, p.597.
Elektronische Fassung für www.stjosef.at digitalisiert von Armin Jauch. HTML-Format erstellt am 22. September 2004 von Dr. Josef Spindelböck. Irrtum vorbehalten.

Samstag, 23. Juni 2018

Die Schönheiten des Ave Maria



Als die heilige Mechtildis einmal wissen wollte, auf welche Weise sie der Mutter Gottes die Zärtlichkeil ihrer Verehrung besser bezeigen könnte, fiel sie in Verzückung, und es erschien ihr die Allerseligste Jungfrau. Sie trug auf ihrer Brust den Englischen Gruß in goldenen Buchstaben und sprach zu ihr: „Wisse, meine Tochter, daß niemand mich mit einem angenehmeren Gruße ehren kann als mit jenem, den mir die heiligste Dreifaltigkeit darbringen ließ und durch den sie mich zur Würde der Gottesmutter erhoben hat.
Durch das Wort „Ave“, das der umgekehrte Name „Eva“ ist, erfuhr ich, daß Gott durch seine Allmacht mich vor der Sünde und vor allem Elend bewahrt hatte, dem das erste Weib unterworfen wurde.
Der Name „Maria“, der bedeutet „Frau des Lichtes“, versinnbildet, daß Gott mich wie einen leuchtenden Stern mit Weisheit und Licht erfüllt hat, um Himmel und Erde zu erleuchten.
Die Worte „Voll der Gnade“ halten mir vor Augen, daß der Heilige Geist mich mit so vielen Gnaden überhäuft hat, daß ich davon überreichlich jenen mitteilen kann, die durch meine Vermittlung darum bitten.
Durch die Worte: „Der Herr ist mit Dir“ erneuert man in mir die unaussprechliche Freude, die ich empfand, als das Ewige Wort in meinem Schoße Fleisch annahm.
Wenn man mir sagt: „Du bist gebenedeit unter den Weibern“, so lobe ich die göttliche Barmherzigkeit, die mich bis zu dieser hohen Würde erhoben hat. Bei den Worten: „Gebenedeit ist die Frucht Deines Leibes, Jesus“, freut sich der ganze Himmel mit mir, daß mein Sohn Jesus angebetet und verherrlicht wird, weil er die Menschen erlöst hat.“

Quelle: „Der heilige Rosenkranz“,Hl. Ludwig Maria Grignion von Montfort. Lins-Verlag, A6804 Feldkirch. S. 56-57
Bild: Webseite "America needs Fatima"

Mittwoch, 13. Juni 2018

Das geistige Erbe einer guten Familientradition



Körperliches und geistiges Erbe
Die wahre Natur dieser großen und geheimnisvollen Sache, die das Vererben ist, — das heißt das von Geschlecht zu Geschlecht ununterbrochene Weiterreichen eines reichen Schatzes materieller und geistiger Güter innerhalb einer Sippe, die gleichbleibende Wiederkehr desselben körperlichen und sittlichen Typus des Vaters im Sohn, die Tradition, die durch Jahrhunderte hindurch die Glieder derselben Familie zur Einheit verbindet —, die wahre Natur des Vererbens kann man, möchten Wir sagen, ohne Zweifel mit materialistischen Theorien entstellen. Aber man kann und muß eine derartige Wirklichkeit von so großer Bedeutung auch in ihrem vollen natürlichen und übernatürlichen Wahrheitsgehalt betrachten.
Man wird gewiß die Tatsache eines materiellen Bestandteils bei der Weitergabe der erblichen Eigenschaften nicht leugnen. Wollte man sich darüber wundern, so müßte man die innige Verbindung unserer Seele mit unserem Körper vergessen, und in welch großem Ausmaß selbst unsere geistigsten Tätigkeiten von unserer körperlichen Veranlagung abhängig sind. Darum unterläßt es die christliche Sittenlehre nicht, die Eltern an die schwere Verantwortung zu erinnern, die ihnen in dieser Hinsicht obliegt.
Von größerer Bedeutung ist jedoch das geistige Erbe, das nicht so sehr durch jene geheimnisvollen Bande der materiellen Zeugung weitergegeben wird, als vielmehr durch die beständige Wirksamkeit jenes bevorzugten Milieus, welches die Familie darstellt, mit der langsamen und tiefgehenden Bildung der Herzen in der Atmosphäre einer Häuslichkeit, die reich ist an hohen geistigen und sittlichen und vor allem christlichen Traditionen, zusammen mit der gegenseitigen Beeinflussung zwischen denen, die im selben Hause wohnen, einer Beeinflussung, deren wohltuende Wirkungen weit über die Jahre der Kindheit und Jugend bis ans Ende eines langen Lebens in jenen auserlesenen Seelen hinausreichen, die es verstehen, in sich selbst die Schätze eines kostbaren Erbes mit dem Beitrag ihrer persönlichen Qualität und Erfahrung zu verschmelzen.
Solcher Art ist das Erbe, kostbarer als jedes andere, das, von einem starken Glauben erleuchtet und von einer tatkräftigen und treuen Praxis des christlichen Lebens in allen seinen Erfordernissen belebt, die Seelen Eurer Kinder emporhebt verfeinert und reich macht.
Ansprache an das Patriziat und den Adel von Rom: 5. Januar 1941. Original: italienisch.



Quelle:„Ansprachen Pius' XII. an den römischen Adel“. Herausgegeben vom Rhein.-Westf. Verein Kathol. Edelleute.
Sonderdruck aus „Aufbau und Entfaltung des gesellschaftlichen Lebens / Soziale Summe Pius' XII.“ Herausgegeben von Arthur-Fridolin Utz O.P., Professor der Ethik und Sozialphilosophie an der Universität Freiburg/Schweiz, und Joseph-Fulko Groner O.P., Professor der Moraltheologie an der Universität Freiburg/Schweiz, Paulus Verlag, Freiburg/Schweiz.
Druck Bonifatius-Druckerei Paderborn 1957.

Mittwoch, 6. Juni 2018

Anna Selbdritt



Auf der Nordseite der Deutschordenskirche in Frankfurt findet sich neben dem frisch restaurierten Passionszyklus der Annenaltar, in dem vom Frankfurter Bildhauer Caspar Weis gotische und neogotische Teilelemente zu einem harmonischen Ganzen zusammenkomponiert wurden. Auch an diesem Altar konnte mit Hilfe des Fördervereins eine Grundkonservierung und Restaurierung erfolgen, sodass er nun in altem Glanz erstrahlt.
Das Zentrum des Altars bilden die von Weis geschaffenen Figuren der Gottesmutter mit Kind, das von der hl. Anna, seiner Großmutter in den Arm genommen werden möchte. Auf den ersten Blick eine alltägliche Szene. Oft gehen kleine Kinder mit offenen Armen auf ihre Großmütter zu, damit diese sie in den Arm nehmen. Wer aber genau hinschaut erkennt ein Detail, das über den Alltag hinausweist:
Die hl. Anna las gerade in einem Buch, das noch aufgeschlagen auf ihrem Schoss liegt. Es handelt sich um die heilige Schrift. Und dieses Buch findet sich auch in der zweiten Darstellung der hl. Anna, die Caspar Weis für diese Kirche geschaffen hat. Im Hochaltar sehen wir sie als zweite Figur rechts neben dem Altarkreuz, wie sie Maria als Kind die heilige Schrift erklärte. Indem Anna ihre Tochter im Glauben Israels erzog, der sich aus der Offenbarung Gottes in der heiligen Schrift speiste, legte sie das Glaubensfundament dafür, dass Maria sich auf den Willen Gottes einlassen und so Christus aus ihr unsere Menschennatur annehmen konnte. Und durch ihr eigenes Studium der heiligen Schrift, konnte auch sie selbst Christus umfangen, ihn in die Arme schließen.
Für viele ist der Juli eine Zeit des Urlaubs und der Entspannung. Und nicht wenige werden diese Zeit nutzen, um ein gutes Buch zu lesen. Vielleicht könnte gerade das Beispiel der hl. Anna ein Anlass sein, einmal wieder das beste aller Bücher in die Hand zu nehmen, das Buch der Bücher. Denn in ihm möchte Gott zu uns reden, ja in unser Leben treten. (P. Jörg Weinbach OT)

Quelle: Deutschordenskirche Frankfurt, Gottesdienstordnung vom 01.07. bis 31.07.2017

Sonntag, 3. Juni 2018

Mutterliebe



Mutter und Kind in einem Boot, 1892
Edmund Charles Tarbell
Museum of Fine Arts, Boston, USA I Foto: commons.wikimedia.org

Edmund Charles Tarbell ist ein bekannter amerikanischer Maler. Im Jahr 1883 kam er nach Paris, wo er an der Akademie Julian studierte. Dann reiste er quer durch Europa und kehrte nach drei Jahren wieder nach Boston zurück, wo er im Alter von 26 Jahren heiratete.
Für dieses Gemälde dienten ihm seine Ehefrau Emeline und die kleine Josephine als Modell. Er malte oft spontan seine Familie — seine Frau und vier Kinder. Diese Bilder sind aus dem Leben gegriffen.
Seine kräftigen Farbstriche geben die Lichtreflexe auf den Wellen eindrucksvoll wieder. Die Sonnenstrahlen auf dem Boot werden durch die grünen Zweige, die vom Seeufer hereinragen, abgeschwächt.
Man spürt die milde Luft und hört das Schlagen der Wellen gegen die Seiten des Bootes. Dieses Bild strahlt Gelassenheit, Vornehmheit und Güte aus. Es erfüllt uns mit Dankbarkeit für eines der schönsten Geschenke Gottes, die Mutterliebe.

(Aus dem Kalender „366 Tage mit Maria“
von der Aktion „Deutschland braucht Mariens Hilfe“, Juli 2015)

Freitag, 1. Juni 2018

Bretonische Schneiderinnen



Bretonische Schneiderinnen, 1854
Jean-Baptiste Jules Trayer
Privatsammlung / Foto: commons.wikimedia.org

Die bretonischen Schneiderinnen arbeiten nahe beim Fenster, dessen Vorhänge beiseite geschoben wurden, damit sie das Tageslicht nützen können. Der Raum, der als Werkstatt dient, ist ganz einfach. Terrakotta Fliesen bedecken den Boden, Schnittmuster sind an der Wand befestigt, am Kamin stehen eine Öllampe und ein Kerzenleuchter.
Auf ihren Strohsesseln sitzend, markieren sie den Stoff, schneiden ihn zurecht, fertigen die Kleider daraus und nähen schlussendlich die Spitzen an. Diese Frauen arbeiten ruhig und friedlich, ohne Hektik. Eine Handarbeit, deren Qualität geschätzt und begehrt ist. In ihrem zweifellos schwierigen Leben, das von Mühe und Opfer nicht verschont bleibt, dominiert die Liebe zur Arbeit und der Wunsch Erstklassiges herzustellen.
Heutzutage schuften in immens großen chinesischen Werkstätten die Arbeiterinnen am Fließband und ersetzen all das, was man auf diesem Bild sieht. Paradoxerweise ist Handarbeit ein großer Luxus geworden. Nur ganz exklusive Kleidung wird noch in Handarbeit angefertigt.

(Aus dem Kalender „366 Tage mit Maria“
von der Aktion „Deutschland braucht Mariens Hilfe“, Juni 2015)


Dienstag, 29. Mai 2018

Ehrwürdiges Denkmal



»Ein Denkmal ist nur insoweit ehrwürdig, als eine lange Geschichte der Vergangenheit seinen von Jahrhunderten geschwärzten Gewölben gleichsam eingeprägt ist. Darum gibt es nichts Wunderbares in einem Tempel, den man hat bauen sehen und dessen Echo und Gewölbe sich unter unseren Augen gebildet haben. Gott ist das ewige Gesetz, und sein Ursprung und alles, was mit seiner Verehrung zusammenhängt, muss sich in der Nacht der Zeiten verlieren.«

Aus dem Herz-Jesu-Kalender der Fédération pro Europa Christiana - FPEC - Frankreich, April 2016

Textquelle: François-René de Chateaubriand, „Geist des Christentums oder die Schönheiten der christlichen Religion“. Morus Verlag, Berlin 2004. S. 398.

Freitag, 25. Mai 2018

Verbundenheit des Papstes und der Päpste mit dem Adel von Rom




Eine Quelle herzlicher und väterlicher Freude ist Uns, geliebte Söhne und Töchter, Eure willkommene, zu Beginn des neuen Jahres um Uns versammelte Schar, eines Jahres, das ob der beängstigenden Ausblicke nicht weniger bedrückend ist als das soeben verflossene. Ihr seid zusammengekommen, um Uns kindliche Glückwünsche darzubringen durch den Mund Eures hochverehrten Sprechers, dessen ergebene und erhabene Worte Eurer einmütigen und gleichgesinnten Anwesenheit eine für Uns besonders liebe Wertschätzung und Herzlichkeit verleihen. Im Patriziat und Adel von Rom erblicken und verehren wir eine Anzahl von Söhnen und Töchtern, deren Ruhm und Anhänglichkeit und ererbte Treue gegenüber der Kirche und dem Römischen Papst, deren Liebe zum Statthalter Christi aus dem tiefen Grund des Glaubens hervorbricht und im Verlauf der Jahre und im Wechselspiel der Zeiten und Menschen nicht schwächer wird.

In Eurer Mitte fühlen Wir Uns noch mehr als Römer wegen der Lebensgewohnheiten, der Luft, die Wir eingeatmet haben und einatmen, wegen des gleichen Himmels, wegen derselben Sonne, wegen derselben Ufer des Tiber, an denen Unsere Wiege stand, wegen jener heiligen Erde bis hinein in seine verborgensten Winkel, aus denen Rom für seine Söhne die Verheißungen einer Ewigkeit schöpft, die bis an den Himmel reicht.
Es ist eine Tatsache, daß, wenn Christus, unser Herr, es zum Trost der Armen auch vorzog, bettelarm auf die Welt zu kommen und in einer einfachen Arbeiterfamilie aufzuwachsen, er dennoch mit seiner Geburt das adeligste und berühmteste Haus Israels, die Familie Davids selbst, ehren wollte.
Darum hielten die Päpste, treu dem Geiste jenes, dessen Statthalter sie sind, das Patriziat und den Adel von Rom stets in hoher Achtung, dessen unwandelbare Anhänglichkeitsgefühle an diesen Apostolischen Stuhl den kostbaren Erbteil bilden, den sie von ihren Ahnen erhielten und den sie selbst wiederum ihren Kindern weitergeben werden.


Ansprache an das Patriziat und den Adel von Rom: 5. Januar 1941. Original: italienisch.

Quelle:„Ansprachen Pius' XII. an den römischen Adel“. Herausgegeben vom Rhein.-Westf. Verein Kathol. Edelleute.
Sonderdruck aus „Aufbau und Entfaltung des gesellschaftlichen Lebens / Soziale Summe Pius' XII.“ Herausgegeben von Arthur-Fridolin Utz O.P., Professor der Ethik und Sozialphilosophie an der Universität Freiburg/Schweiz, und Joseph-Fulko Groner O.P., Professor der Moraltheologie an der Universität Freiburg/Schweiz, Paulus Verlag, Freiburg/Schweiz.
Druck Bonifatius-Druckerei Paderborn 1957.

Mittwoch, 16. Mai 2018

Die Glocke bestimmt die Tageszeiten


„Die Arbeit begann und hörte auf beim Klang der Glocke. Man vernahm ihn beim ersten Strahl des Morgengrauens. Sofort versammelten sich die Kinder in der Kirche, wo ihr Morgenkonzert wie das der kleinen Vögel bis zum Sonnenaufgang dauerte. Männer und Frauen besuchten die Messe, von wo aus sie zur Arbeit gingen. Am Ende des Tages rief die Glocke erneut die Bürger an den Altar, und sie sangen das Abendgebet im Doppelchor mit großer Musik.“

Aus dem Herz-Jesu-Kalender der Fédération pro Europa Christiana - FPEC - Frankreich, März 2016.
Freie Übersetzung des Kalendertextes aus dem Französischen.

Sonntag, 13. Mai 2018

Die Schönheit des Glockenklangs


»Da wir uns nun vorbereiten, in den Tempel einzutreten, sprechen wir zuerst von der Glocke, die uns in den Tempel ruft.
Vor allem scheint uns etwas ganz Wunderbares, dass man ein Mittel gefunden hat, durch einen bloßen Hammerschlag in der selben Minute in tausend verschiedenen Herzen das gleiche Gefühl zu wecken und die Winde und Wolken zu zwingen, sich mit den Gedanken der Menschen zu beladen. Zudem zeichnet sich der Klang der Glocke durch eine Schönheit aus, wie es wenige gibt; sie hat etwas „Großartiges“, wie es die Kunstverständigen heißen. Das Rollen des Donners ist erhaben, und zwar nur, weil es großartig ist. Ebenso verhält es sich mit den Winden, de Meeren, den Wasserfällen und der Stimme eines ganzen Volkes.
Mit welcher Lust hätte Pythagoras, der dem Hammerschlag eines Schmiedes begierig lauschte, am Vorabend eines kirchlichen Festes dem Klang unserer Glocken zugehört! Die Seele kann von den Tönen einer Leier gerührt werden, aber sie wird nicht von Begeisterung ergriffen, wie wenn der Donner der Schlachten sie aufweckt, oder wenn ein dumpfes Geläut bis zu den Wolken empor die Triumphe des Gottes der Schlachten verkündet.«


Aus dem Herz-Jesu-Kalender der Fédération pro Europa Christiana - FPEC - Frankreich, Februar 2016

Textquelle: François-René de Chateaubriand, „Geist des Christentums oder die Schönheiten der christlichen Religion“. Morus Verlag, Berlin 2004. S. 503.

Samstag, 12. Mai 2018

Der Adler in der katholischen Symbolik


Wie der Adler sich in die Lüfte erhebt, so steht Christus glorreich von den Toten auf und fährt zum Himmel empor. Das Adlerpult von Sankt Afra (England 1870) ruht auf achteckigem Sockel, der den ersten Tag der neuen Schöpfung nach den sieben Wochentagen der ersten Schöpfung versinnbildlicht. Dieser verjüngt sich zu einem vierseitigen Pfeiler, in dessen Nischen die vier Evangelisten Gottes Wort in die Himmelsrichtungen verkünden. Auf dem kugelförmigen Welt und Kosmos symbolisierenden Abschluss breitet der Adler seine Schwingen aus: ein Bild für Christus, den siegreichen König, der durch Seinen Opfertod das ewige Leben erwirbt. Ihm ähnlich sind alle, die den alten Menschen in der Taufe und dann in der Erneuerung durch das Bußsakrament begraben. Sie haben teil an der Auferstehung des Herrn.
Wie der Adler seine Jungen beschirmt, so hütet Gott Sein Volk und schenkt ihm Sein Wort. Der Adler ist aber nicht nur ein Bild Gottes, der Sein Volk rettet, und ein Bild Christi, der diese Rettung vollendet. Er ist auch das Attribut des Evangelisten Johannes, dessen Evangelienprolog am Ende jeder Messe auf der Seite des Altares gebetet wird, auf dem nun auch der Adler mit scharfem Auge die Höhe und Tiefe des Geheimnisses des fleischgewordenen Wortes schaut. Der Jünger, der unter dem Kreuz stand und als erster am Grab war, ist rein und stark genug, gleich dem Adler in die Sonne zu schauen. Er sieht und verkündet der Kirche die Herrlichkeit des Auferstandenen „voll der Gnade und Wahrheit — plenum gratiae et Veritatis“.

Probst Gerald Gösche
Institut St. Philipp Neri, Gesellschaft apostolischen Lebens päpstlichen Rechts
Graunstraße 31, l3355 Berlin
Ostern 2016

Freitag, 11. Mai 2018

Die Schönheit und der Wert des Persönlichen


„Frau des Künstlers steckt Blumen in eine Vase“
 Viggo Johansen (1884 Ernte)
Dinge selbst machen, ist etwas Schönes. In unserem hastigen Leben neigen wir dazu, dass Blumen selbst zu pflücken und nach unserer eigenen Art zu einem Strauß zu bündeln, der Aufwand nicht wert sei. Wir holen uns schnell einen Strauß im Blumenladen um die Ecke, mit den beliebtesten Blumen, die jeder benutzt. Die Frau in dem Bild zeigt uns wie schön und wertvoll es ist, durch das eigene Blumenarrangement, ein persönliches Kunstwerk zustande zu bringen.

Neederlandse Cultuurkalender 2016 - August
Stichting Civitas Christiana

Donnerstag, 10. Mai 2018

Angriff auf die Kindheit


Der Kampf gegen die Geschlechtsrollenstereotypen
in den deutschen Kitas

Mathias von Gersdorff

Möglicherweise aufgrund der Lautstärke der Proteste gegen den „Bildungsplan 2015“ in Baden-Württemberg entging der breiten Öffentlichkeit, dass in den Kindertagesstätten (Kitas), also für drei- bis sechsjährige Kinder, ein Umerziehungsprogramm eingeführt wurde, das gewissermaßen noch radikaler ist, als das Projekt für die Schulen.

Maßgeblich in Baden-Württemberg ist die Schrift „Gleichstellung beginnt im Kindergarten - Eine Arbeitshilfe zur Umsetzung von Gender Mainstreaming in Kindertageseinrichtungen“, herausgegeben vom „Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Senioren Baden-Württemberg“. Die 80-seitge Schrift kann von der Internetseite www.sozialministerium-bw.de heruntergeladen werden.

Die Schrift wurde von Gunter Neubauer, Leiter des Sozialwissenschaftlichen Instituts SOWIT, verfasst. Die Tendenz des Instituts wird deutlich wenn man erfährt, was es unter dem Begriff „Geschlecht“ versteht: „Geschlechter werden gemacht, können aber auch neu ausgebildet und verbessert werden. Es gilt, Geschlechterpotenziale zu nutzen! Wir sehen Geschlechter besonders in ihren gestaltbaren Seiten und nutzen dieses Potenzial bei der Entwicklung von Organisationen und Unternehmen.“ Nach diesem Grundsatz ist die Arbeitshilfe für das baden-württembergische Familienministerium geschrieben: Wie „verbessert“ man die Geschlechter – aber noch viel mehr, wie wir noch sehen werden – in und durch die Kitas.

Düsteres Menschenbild:
Kleinkinder programmieren wie Computer

Liest man diese ungeheuerliche Schrift, stellt man schnell fest, dass der Autor und die gesamte Gender-Mainstreaming-Ideologie von einem düsteren Bild des Menschen, der Gesellschaft, der Kultur und der Familie beseelt ist. Diese negative, geradezu deprimierende Sichtweise, durchzieht den gesamten Text und ist wohl der Antrieb der Leute, die meinen, man müsse die menschliche Natur, die Familie und die Gesellschaft „korrigieren“. Diese drei sind in der Wahrnehmung der „Gender-Mainstreamer“ dermaßen korrumpiert, dass man schon bei dreijährigen Kindern mit der Umerziehung beginnen muss, um anständige – sprich gendergerechte - Menschen hinzukriegen.

Eine ernsthafte psychologische Studie über die Macher des „Gender-Mainstreaming“ würde sicherlich Erstaunliches ans Licht bringen und zeigen, in wessen Hände die Kinder hierzulande gegeben werden.

Die ersten Opfer der Gender-Maistreaming-Umerziehung in den Kitas sind natürlich die Kinder. Ihre Mentalität, die sie im Elternhaus erworben haben, muss dekonstruiert und nach der Gender-Ideologie neu programmiert werden (Der Duktus des Textes entspricht eher einem Text über Computer als über Menschen): „Bei der Auswahl und Zusammenstellung von Spielmaterialien wird darauf geachtet, dass Geschlechtsrollenstereotypen aktiv und bewusst entgegen gewirkt wird.“ Die gemeinten „Geschlechtsrollenstereotypen“ können dreijährige Kinder nur im Elternhaus bekommen haben. Allein an diesem Satz erkennt man, wie dezidiert der Autor gegen das Elternrecht vorgeht und welche moralische Autorität er sich zumisst.

Anweisungen zur Charakterwäsche

Das Papier gibt klare Anweisungen, wie die Charakterwäsche vollzogen werden soll: „Geänderte Spiele unterstützen Einverständnis abseits der traditionellen Rollen. Buben lernen zum Beispiel wickeln und nicht nur Garagen bauen, Mädchen bauen Hochhäuser und nicht nur Puppenbetten und sie lernen, ihre Interessen durchzusetzen.“

Das Papier des baden-württembergischen Ministeriums verheimlicht gar nicht, dass dieser Erziehungsansatz im Feminismus der 1970er und 1980er Jahre wurzelt, denn damals wurde „die Reproduktion von Rollenstereotypen im Kindergartenalltag thematisiert und kritisiert. Aus dieser Tradition speist sich ein Verständnis von Geschlechterpädagogik als Vermeidung des geschlechtertypischen Rollenlernens.“ Wie allgemein bekannt, sah der Feminismus dieser Jahrzehnte in der Familie und in der Frau als Mutter die Haupthindernisse für die Emanzipation der Frau. Gunter Neubauer möchte also seine Schrift ausdrücklich in der Tradition der emanzipatorischen Bewegung der Zeit unmittelbar nach der 1968er-Revolution setzen.

Damit ein Erzieher seine Rolle effizient erfüllt, soll er sein ganzes Handeln unter folgenden Postulat stellen: „Der Reflexionshintergrund für Gender-Kompetenz ist das Wissen darum, dass Geschlechterverhalten und Geschlechterverhältnisse ,gemacht‘ und nicht einfach ,natürlich‘ sind“. Das ist der Grundgedanke de „Gender-Mainstreamings“. Bemerkenswert ist allerdings, wie unkritisch man annimmt, das Geschlechtsverhalten und die Geschlechtsverhältnisse seien mit drei Jahren schon derart willkürlich „gemacht“, dass man die Kinder schon zu diesem Zeitpunkt umprogrammieren muss. Dass das Geschlechtsverhalten bei einem dreijährigen Kind möglicherweise von Natur aus gegeben ist, wird gar nicht in Betracht gezogen.

Kitas als Ort umfassenden Gesellschaftsumbaus

Kindertagesstätten sind für die Genderisten nicht nur ein Instrument der Umerziehung von Kindern, sondern auch der Familien bzw. der Eltern der Kinder. Über die Kitas soll auch das Familienleben umgestaltet werden und die traditionellen Rollenmuster in der Familie dekonstruiert werden: „Im Alltag der meisten Kindertageseinrichtungen geht man stillschweigend davon aus, dass vor allem die Mütter für Erziehungsfragen und den Kontakt zum Team ,zuständig‘ sind auch wenn sich Väter immer öfter blicken lassen und eine zunehmend aktive Erziehungsrolle übernehmen wollen.“ Den Erziehern in den Kitas sollte es eigentlich egal sein, wie die Eltern die Erziehung ihrer Kinder organisieren. Doch für die Genderisten ist die Kita ein Ort einer umfassenden Umgestaltung der Gesellschaft. Welches Recht sie dazu haben, wird gar nicht hinterfragt. Für sie ist das eine Selbstverständlichkeit.

Spätestens an dieser Stelle wird einem klar, dass die Gender-Ideologen sich wie die Verkünder einer neuen Religion gebaren: Sie sind von ihrer Sache völlig überzeugt und fühlen sich im Besitz der absoluten moralischen Autorität. In der gesamten Schrift des baden-württembergischen Familienministeriums ist kein einziges Wort enthalten, das auf Selbstkritik oder Selbstzweifel schließen ließe. Die Genderisten sind dermaßen davon überzeugt, sie hätten die Wahrheit gepachtet, dass sie keinerlei Skrupel spüren, wenn sie über die Mentalitäten der Kinder, über das Familienleben und über die gesellschaftlichen Gewohnheiten urteilen. Alles muss von ihnen „korrigiert“ und in die „richtige“ Bahn gelenkt werden.

Entsprechend der „Arbeitshilfe“ zur Umsetzung von Gender Mainstreaming in Kindertageseinrichtungen sollen die Kitas auch an der ideologischen Umpolung des Volkes mitwirken, indem sie einen neuen Familienbegriff prägen: „Für Erzieherinnen und Erzieher gilt es aber auch, einen professionellen Blick für die Vielfalt moderner Familienformen mit ihren teils ganz unterschiedlichen Bedürfnissen zu entwickeln: traditionelle Familien (Vater arbeitet, Mutter ist zuhause), modernisierte Familien (z.B. beide sind berufstätig, verbinden Erwerbs- und Familienarbeit oder praktizieren einen Rollentausch), ,neue Eltern‘ (alleinerziehende Mütter und Väter, „Regenbogenfamilien“), zusammengesetzte Lebens- und Familienformen (Stief- oder Fortsetzungsfamilien, Wohn- und Lebensgemeinschaften). Hilfreich ist dabei die Reflexion der eigenen Familiengeschichte und des eigenen Familienbilds. Familien stärken, heißt dann, sich offen und einladend für alle Familienformen zu zeigen und die eigene Praxis entsprechend zu gestalten von der Anmeldung, Aufnahme und Eingewöhnung über Elterngespräche und Angebote der Elternbildung ,für alle‘ bis hin zur Gestaltung von Festen.“

Lebenslange Prägungen eingravieren

Gunter Neubauer setzt einfach voraus, Patchwork sei das neue Familienbild, obwohl das weder in der Politik noch in der Gesellschaft so ist. Es leben zwar viele Menschen in Verhältnissen, die nicht der traditionellen Familie entsprechen, dennoch wird diese als die ideale Partnerschaftsform von einer großen Mehrheit angesehen. Für die Genderisten spielt das keine Rolle. Sie haben die Wahrheit schon anders definiert.

Auch „Diversity“ bzw. „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ darf in der Kita nicht fehlen, denn „Respekt und Toleranz für die moderne Vielfalt von Geschlechterrollen, Geschlechtsidentitäten und Familienformen“ seien zu fördern — bei dreijährigen Kindern!

Offensichtlich sollen die Kitas die Kinder lebenslang prägen. Die Aufgabe der Kitas ist, aus den Kindern den neuen genderkonformen Menschen zu basteln: „Bei der Entwicklung von Gehirnstrukturen gibt es kein voreingestelltes biologisches Programm, das Entwicklungen absolut determiniert. Das Gehirn ist vielmehr ein biosoziales Organ, das sich nur in der Interaktion mit der natürlichen, vor allem aber der sozialen Umwelt entwickeln kann. Insofern ist jedes Gehirn das Ergebnis seines Gebrauchs (Gerald Hüther). Daraus folgt eine große Offenheit für kulturelle Prozesse.“

Radikale Fanatiker am Werk

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Die Genderisten wollen nicht bloß die Ansichten, Meinungen, Anschauungen ändern, was ja auch jede politische Partei oder Kirche anstrebt: Nein, ihr Ziel ist die Veränderung des menschlichen Gehirns um so eine lebenslange Prägung zu erzielen! In der Antike wurden Sklaven Brandzeichen auf die Haut gesetzt. Heute wird die Gender-Ideologie ins Gehirn eingebrannt, um aus den Menschen Sklaven dieser Ideologie zu machen.

Spätestens an dieser Stelle versteht man, wieso die Gender-Revolution mit den dreijährigen Kindern durchgeführt werden muss. Die Genderisten wissen: Je jünger ein Gehirn, desto beeinflussbarer ist es.

Die Hartnäckigkeit, die Zielstrebigkeit aber auch die Bosheit, mit der die Genderisten vorangehen, ist erschütternd. Unfassbar auch, wie die Union (CDU/CSU) diese Revolution gefördert hat. Eine C-Politikerin, Bundesfamilienministern Ursula von der Leyen, hat während der Großen Koalition 2005-2009 die entscheidenden Maßnahmen zur Durchsetzung des Gender-Mainstreamings in Deutschland durchgeführt.

Diese Revolution konnte nur im Stillen durchgeführt werden, so ungeheuerlich ist sie. Würde die große Mehrheit der Menschen erfahren, welche radikalen Fanatiker da am Werk sind, wäre ihre Durchführung nicht möglich. Doch die Erfahrung zeigt, dass man sich nicht groß auf die Politik verlassen darf. Wie in vielen anderen Themenbereichen auch, kann nur der Protest der Basis der Gesellschaft, also des Volkes selbst, diesen Angriff auf die Kindheit abwenden.

Quelle: „Junge Freiheit“ 10. März 2014 (Online Ausgabe)