Mittwoch, 26. März 2014

Spannung





Spannung - 1894 
Gemälde von Charles Burton Barber (1845-1894)

Diese liebliche Szene ist erheiternd.
Ein kleines Mädchen verrichtet sein Morgengebet, bevor es das Frühstück im Bett einnimmt. Ihre Tiere leisten ihr Gesellschaft.
Das Kätzchen blickt wie hypnotisiert auf die Tasse Milch, der Hund ist fasziniert von den gerösteten Brotschnitten mit Butter, die so köstlich riechen.
Den Blick ins Unendliche gerichtet und die Hände gefaltet, dankt die Kleine dem guten Gott für diesen Tag, für ihre Familie, für das gute Essen, für die liebe Tante, von der sie ein Geschenk bekommen hat, eine Schachtel mit Blumen und Obst aus ihrem Garten sowie einen Brief, von dem man gerade noch das Ende des Textes sehen kann.
Mit ihren rosigen Wangen, ihren blauen Augen, ihrem dicht gelockten Haar sieht sie wie eine Porzellanpuppe aus, gestützt von einem riesigen Kopfkissen und beschützt von einem Tuch mit Blümchen, das über das Himmelbett gebreitet ist. Das Gebet schein länger zu dauern. Es ist ungewiss, ob die Tiere so lange zuwarten können. Spannung.

(Aus dem Kalender „365 Tage mit Maria“ 


von der Aktion „Deutschland braucht Mariens Hilfe“, April 2013)

Dienstag, 25. März 2014

Die Verkündigung Mariä


Das ewige Wort, das aus Liebe zu uns im keuschen Leibe Mariens Fleisch annehmen wollte, hat die Dinge zur Durchführung seiner großen Pläne wunderbar angeordnet. Seit aller Ewigkeit hatte er nach seinem Herzen den Mann ausersehen, der einst der jungfräuliche Gemahl seiner göttlichen Mutter, sein Stiefvater auf Erden und der Beschützer seiner Kindheit sein sollte.

Zwar hat es Josef nicht mit den gleichen Privilegien wie die Unbefleckte Jungfrau ausgestattet, doch hat er seine Seele mit den auserlesensten Tugenden geschmückt; er hat ihn zu jener höchsten Heiligkeit erhoben.

Als Maria ihre Erziehung im Tempel abgeschlossen hatte, heiratete sie den armen Handwerker. Wie sie selbst, gehörte auch er zum königlichen, wenn auch inzwischen des alten Glanzes verlustig gewordenen Geschlecht Davids. Wie sie hatte auch er Gott seine Jungfräulichkeit geweiht. Wie sie, wünschte er sehnsüchtig, mit eigenen Augen den versprochenen Messias, das Heil Israels, zu sehen.

Der Allmächtige, der diese wunderbare Ehe vorbereitet hatte, hatte auch den beiden großen Seelen seine Wünsche an sie offenbart. Maria nahm also Josef als die von der Vorsehung erwählte und ihr vom himmlischen Vater gesandte Stütze an, und Josef empfing Maria als ein kostbares Pfand, das ihm der Himmel anvertraute. Keiner von beiden ahnte jedoch, welche Segnungen der Herr über ihr bescheidenes Heim ausgießen sollte. Das junge Paar lebte bereits seit einiger Zeit in dem Häuschen in Nazareth, als sich in göttlicher Einfachheit die Verkündigungsszene abspielte.

Mit den letzten Märztagen war der Frühling ins Land gezogen. Auf den Feldern Galiläas begannen auf den Feigenbäumen die breiten Blätter zu sprießen. Die Turteltauben bauten ihre Nester in den Vertiefungen der Felsenwände. Blumen schmückten die aufgrünenden Wiesen. Aber eine unendlich kostbarere Blüte sollte in diesen Tagen am Stamme Jesses zu knospen anfangen.

Im Himmel wollte der Heilige Geist, der mit einem Ausruf der Bewunderung die Unbefleckte Empfängnis begrüßt, das Werk seiner unendlichen Liebe ausführen. Der himmlische Bräutigam beschloss, einen besonderen Boten zu der zu schicken, die er seine „Braut“ nannte: Soror mea, sponsa. (1)

Unter den Fürsten des himmlischen Hofes, die unaufhörlich den ewigen Thron umringen, wählte Gott den Engel Gabriel aus. Ihm vertraute er die wichtigste, ehrenvollste Botschaft an, die jemals einem Geschöpf aufgetragen wurde: Er bekam den Auftrag, Maria das erhabene Geheimnis der Menschwerdung zu verkünden.

Im einfachen Häuschen von Nazareth, auf dem die Erwartungen der seligen Geister lagen, herrschte ein tiefer Friede. Josef erholte sich sicher von seiner harten Tagesarbeit. Im anliegenden Raum verrichtete die Jungfrau ihr Gebet. Der Engel erschien ihr in sichtbarer Gestalt. Er verneigte sich ehrfurchtsvoll vor seiner Königin und mit von überirdischer Freude strahlendem Antlitz sprach er: „Sei gegrüßt, Begnadete, der Herr ist mit dir. Du bist gebenedeit unter den Frauen.“ (2) Die Worte Gabriels wichen nicht im Geringsten von der reinen Wahrheit ab.

Seit dem ersten Augenblick ihrer Empfängnis hatte die göttliche Gnade die vortreffliche Seele Mariens überströmt. Seither war diese Gnade ununterbrochen in einem für unseren beschränkten Verstand unfassbaren Maß angewachsen. Nun wollte die Allerheiligste Dreifaltigkeit diese bereits so wundervolle Heiligkeit noch funkelnder erstrahlen lassen: Die Jungfrau Maria sollte in ihrem Schoß den Urheber der Gnade selbst aufnehmen.

Beim Gruß des Erzengels reagierte die Unbefleckte Jungfrau jedoch zunächst mit Bestürzung. Sie, die im Licht von oben die Unendlichkeit Gottes und das Nichts der Kreatur verstanden hatte sie, die sich in ihrer wunderbaren Demut als die Letzte von allen ansah; sie war überrascht, ein solches Lob zu vernehmen. Und sprachlos fragte sie sich, was für ein geheimnisvoller Sinn sich hinter diesen Worten wohl verbergen mochte.

Als der Botschafter des Himmels dieses unvergleichlich vollkommene Geschöpf sich selbst gegenüber so überaus demütige Gefühle an den Tag legen sah, war er vor Bewunderung so entzückt, dass er zu der zitternden Jungfrau sprach: „Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast Gnade gefunden bei Gott.“ (3)
Und er übermittelte ihr im Namen des Ewigen Gottes langsam und majestätisch die erhabene Botschaft: „Siehe, du wirst empfangen und einen Sohn gebären und seinen Namen Jesus nennen. Er wird groß sein und Sohn des Allerhöchsten genannt werden. Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird herrschen über das Haus Jakobs ewiglich, und seines Reiches wird kein Ende sein.“ (4)

Diese Worte waren zu deutlich, als dass sie den geringsten Zweifel im Geist der heiligen Jungfrau lassen konnten. Sie verstand sofort, dass ihr eine unvergleichliche Ehre vorbehalten war. Es scheint übrigens, dass sie nicht das geringste Bedenken in Bezug auf ihre Jungfräulichkeit hegte, wie so oft schon wiederholt wurde. Es wäre wohl eine grundlose Beleidigung ihrer Auffassungsgabe, ihr eine derartige Unkenntnis zuschreiben zu wollen. Sie kannte die Prophezeiung des Isajas; sie wusste, dass der Emmanuel von einer Jungfrau geboren werden würde. Sie wollte einfach nur wissen, wie der an Wundem so reiche Gott dieses wunderbare Ereignis vollbringen werde. „Wie wird dies geschehen?“ fragte sie also den Engel. „Quomodo fiet istud, quoniam virum non cognosco?“ (5) „Der Heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft des Allerhöchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Sohn Gottes genannt werden. Und siehe, Elisabeth, deine Verwandte, auch sie empfing einen Sohn in ihrem Alter, und dies ist für sie, die als unfruchtbar galt, der sechste Monat, denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.“ (6)

In dem kleinen Zimmer in Nazareth tritt daraufhin ein tiefes Schweigen ein, eines dieses tragisch ergreifenden Schweigens, in denen man das Schicksal der Welt im Raum schweben fühlt. Der Engel hatte seine Rede beendet und Maria schwieg.

Wie viele Gedanken sind ihr wohl durch den Kopf gegangen? Sie sah zwar den Heiligenschein, mit dem die Gottesmutterschaft ihr Haupt zieren würde. Andererseits war sie aber auch viel zu bescheiden, als dass sie sich mit Wohlgefallen an diese einzigartige Größe geklammert hätte.
Sie sah die unsagbaren Freuden, die ihr Herz berauschen würden, wenn sie ihren liebsten Schatz an die Brust drücken würde, diesen Jesus, der zugleich Gott und ihr Sohn sein sollte. Sie war aber zu beherrscht, als dass sie sich allein von der Aussicht auf diese Freuden hätte leiten lassen, so heilig sie auch sein mochten.

Sie sah auch das schreckliche Leiden, das ihr einst die Seele zerreißen würde. Aus den Schriften wusste sie, dass der Messias wie ein zartes Lamm, das man zur Schlachtbank führt, dem Tod überliefert werden würde. Im Voraus klang in ihren Ohren seine schmerzliche Klage: „Ein Wurm bin ich, kein Mensch; der Leuten Spott und verachtet vom Volk.“ (7) Doch sie war zu stark, als dass sie sich vom Schmerz hätte erschüttern lassen. Über allem aber sah sie den höchsten, väterlichsten und heiligsten Willen Gottes. Ihm schuldete sie Gehorsam - und sie zögerte nicht.

Schließlich brach die allerseligste Jungfrau das feierliche Schweigen. Um dem Engel ihre Zustimmung zu geben, die er im Namen des Heiligen Geistes erwartete, benutzte sie eines dieser erhabenen Worte, wie sie nur der Geist der Demut finden kann. Sie gebrauchte die bescheidenste und einfachste Wendung, in der ihre eigene Person völlig zum Erlöschen kam: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort!“ (8) Nun geschah das größte aller Wunder. Der Heilige Geist bildete aus der eigenen Substanz der allerseligsten Jungfrau einen kleinen Menschenkörper; diesem Körper schenkte er eine menschliche Seele; diesen Körper und diese Seele vereinigte er mit der zweiten Person der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, dem Wort Gottes.

Diese drei Teile einer einzigen Handlung, die ich hier getrennt anführen möchte, um sie deutlicher erklären zu können, verliefen gleichzeitig. Keinen Augenblick lang waren dieser kleine Körper und diese Seele vom göttlichen Wort getrennt. Seit dem ersten Moment der Empfängnis war der im Schoß der heiligen Jungfrau gebildete Junge das menschgewordene Wort. Ohne aufzuhören Jungfrau zu sein, wurde Maria die Mutter Gottes. Und da sie die Mutter Jesu, unseres Hauptes, wurde, wurde sie auch die Mutter der Menschen, unsere Mutter.

In diesem Kapitel will ich nur Schritt für Schritt der Erzählung des Evangeliums folgen. Später werden wir die fast unendliche Würde betrachten, die die Gottesmutterschaft der Unbefleckten Jungfrau verlieh. Wir werden sehen, welche Ehrerbietung, welche Anerkennung, welch grenzenloses Vertrauen sie in unseren christlichen Herzen hervorrufen sollte. - Doch nun betrachten wir dieses Geheimnis bis zum Ende.

Durch die grenzenlose Liebe Gottes zu uns verdemütigte sich das Wort aufs äußerste im Schoß der Jungfrau. Zur gleichen Zeit geschahen in der Seele Mariens weitere Wunder.

Wenn Gott einer seiner Kreaturen eine Aufgabe anvertraut, befähigt er sie auch, sie angemessen auszuführen. Der Allerhöchste, der der Unbefleckten Jungfrau gerade eine doppelte Mutterschaft verliehen hatte, flößte ihr auch eine doppelte Mutterliebe ein. Diese Gnadenhandlung war jedoch so glanzvoll, dass wir sie niemals ganz erfassen werden können. Nie werden wir völlig verstehen können, mit welcher Inbrunst Maria Jesus liebte. Niemals werden wir völlig verstehen können, mit welcher barmherzigen Güte Maria uns alle einzeln liebt. Würden wir mehr darüber nachdenken, würden wir mit größerer Inbrunst zu ihr beten. Wir würden ihr mit größerem Eifer dienen und sie würde uns mit Gnadenströmen überschütten.

Da nun die Menschwerdung geschehen war, befand sich die heilige Jungfrau immer noch in einem Zustand der Verzückung. Alle Theologen nehmen an, dass Gott sie in dieser dreimal heiligen Minute auf die höchsten Gipfel seiner Anschauung erhoben hat, die je ein reines Geschöpf auf dieser Erde erreichen kann. Vielleicht hat ihr der Allerhöchste für einige Augenblicke sogar die seligmachende Gottesanschauung verliehen.

Damit hatte der Erzengel Gabriel seine Sendung erfüllt. Bei seiner Ankunft hatte er sich ehrerbietig vor der Königin des Himmels verneigt; beim Abschied warf er sich nun mit dem Gesicht zur Erde. Maria war ja jetzt nicht mehr allein: Dem Kind, das sie in ihrem Schoß trug, waren mit vollem Recht die Ehren der Anbetung zu zollen. Der Engel betete den menschgewordenen Gott an und kehrte zum Himmel zurück.

Aus diesem Geheimnis müssen wir eine glühendere, bewusstere Verehrung der allerheiligsten Jungfrau schöpfen.

Die Kirche, die uns der Unbefleckten Jungfrau zu einer außerordentlichen Andacht ermutigt, will sie damit keineswegs auf eine Stufe mit dem Allerhöchsten selbst setzen. Wenn Maria auch im Himmel weit über allen Engeln und allen Heiligen regiert, so bleibt sie doch ein einfaches Geschöpf. Unter diesem Gesichtspunkt trennt sie eine unendliche Distanz von ihrem anbetungswürdigen Sohn.

Gott hat jedoch Jesus und Maria so eng miteinander verbunden, dass wir sie nicht voneinander zu trennen vermögen. Damit, dass die allerseligste Jungfrau Maria zu dem Werk der ewigen Güte ihre Zustimmung gegeben hat, wurde sie zur Ursache unserer Erlösung. Sie ist uns moralisch notwendig, damit wir zu Jesus gelangen können.

In unseren Tagen fühlen sich die Seelen mächtig vom Heiligsten Herzen Jesu angezogen. Um aber noch tiefer in dieses anbetungswürdige Herz, dieses Heiligtum der Gottheit, eindringen zu können, müssen wir den Weg über Maria wählen.

Bitten wir die Gottesmutter um die hohe Gnade, uns voll Vertrauen in die Arme Christi zu stürzen, damit wir jetzt schon in unserem Leben und dereinst in der Ewigkeit an seinem Herzen ruhen können.

(1) Hl 4,9.
(2) Lk 1,28.
(3) Lk 1,30.
(4) Lk 1,31-33.
(5) Lk 1,34.

(6) Lk 1,35-37.
(7) Ps 21, 7.

(8) Lk 1,38.

Aus der Schrift „Die Jungfrau Maria“ von P. Thomas de Saint Laurent.