Warum korrigiert die Katholische Akademie in Bayern ihre Falschmeldung nicht?
Am 1. April 1933 schrieb Edith Stein einen Bittbrief an Papst Pius XI., in dem sie auf die zunehmende Verfolgung der Juden unter den Nationalsozialisten aufmerksam machte und gleichzeitig um Hilfe bat. In Deutschland glaubte man irrtümlich, Papst Pius XI. und sein Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli hätten diesen Brief nicht beantwortet und wohl auch nicht beachtet, möglicherweise auch deshalb, weil während des Krieges ein Teil der einschlägigen Unterlagen verloren gegangen war, so dass der Gegenbeweis von hier aus nicht erbracht werden konnte. Nach der Öffnung des vatikanischen Archivs konnte jedoch nachgewiesen werden, dass dieser Brief sehr wohl beantwortet wurde und dass gleichzeitig der päpstliche Nuntius in Berlin angewiesen worden war, in Berlin herauszufinden, ob es „Möglichkeiten gebe, die antisemitischen Exzesse in Deutschland einzugrenzen.“ (Prof. Hubert Wolf)
Die „Katholische Akademie in Bayern“ veröffentlichte nun in Ihrer Zeitschrift „zur Debatte“ (Nr.6/2013) ein Bild von Edith Stein mit der unzutreffenden Unterschrift „Auch sie bekam keine Antwort, als sie nach Rom schrieb.“ Diese falsche Behauptung stützt – gewollt oder ungewollt – die Fiktion von Rolf Hochhuth und anderen, die Päpste hätten durch ihr Schweigen eine völlig unakzeptable Gefühlskälte gezeigt, als sie lauthals hätten protestieren sollen. Diese falsche Behauptung der „Katholischen Akademie in Bayern“ erstaunt schon allein deshalb, weil ein halbes Jahr vorher sogar die beiden protestantischen Autorinnen Margot Käßmann und Anke Silomon zugaben, dass Edith Stein auf ihren bekannten Bittbrief aus Rom sehr wohl eine Antwort bekam. Sie schrieben auf Seite 57 ihres Buches „Gott will Taten sehen“ (C.H.Beck-Verlag 2013). „Edith Stein erfuhr über einen Brief des Staatssekretärs im Vatikan, Eugenio Pacelli, des späteren Papstes Pius XII., an den Beuroner Erzabt Raphael Walzer, dass ihr Schreiben Papst Pius XI. vorgelegt worden war. Weitere Folgen hatte der Brief nicht. Der Papst schwieg.“
Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli ließ Edith Stein über den vertrauenswürdigen Geheimboten Erzabt Raphael Walzer eine Antwort zukommen. Dieser Antwortbrief des Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacellis ist belegt im Archivio Segreto Vaticano, AES, Germania Pos. 643 P.O., fasc 1158 f. 118. Siehe dazu auch Katherina Oost: „Briefe von Raphael Walzer, Edith Stein und Eugenio Pacelli vom April 1933“ in „Neue Dokumente aus dem Vatikanischen Archiv in „Erbe und Auftrag“ Beuron 70 (2003), 236 – 244.
Einig ist sich die „Katholische Akademie in Bayern“ dagegen mit den beiden gewiss nicht papstfreundlichen Autorinnen Käßmann und Silomon wieder mit der Behauptung „Der Papst Schwieg.“ In Wahrheit hat jedoch der Papst nicht geschwiegen, sondern in zahlreichen Protestnoten an die deutsche Reichsregierung in Berlin gegen Missstände protestiert. Wenn die deutsche Regierung auf diese Protestschreiben entweder gar nicht oder nur unzureichend reagierte, so ist dies korrekterweise nicht dem Papst anzulasten. Darüber hinaus haben die Päpste auch öffentlich protestiert. Und zwar mit dem Weltrundschreiben „Mit brennender Sorge“ am 21. März 1937 und mit der Weihnachtsansprache des Papstes 1942. Dass kirchliche Proteste leider immer das Gegenteil von dem bewirken, was beabsichtigt war, zeigen auch die Proteste der Bischöfe in den Niederlanden vom Juli 1942 und in Belgien vom 13. Dezember 1942.
Die „Katholische Akademie in Bayern“ hat eine Korrektur ihrer Falschmeldung abgelehnt und zwar mit der Begründung, dass ihre Zeitschrift ja nur alle zwei Monate erscheine. Angesichts dieses zeitlichen Abstands seien Leserbriefe zu erwartender Gegenäußerungen nicht angebracht. Ist das in dieser so wichtigen Sache eine glaubhafte Begründung? Oder steht dahinter eine Angst vor der Wahrheit? Heute wäre es doch viel ungefährlicher als in der NS-Zeit, vom medialen Mainstream abzuweichen.
Edward Werner
Quelle: Der Fels –
Katholisches Wort in die Zeit – Heft, 45. Jahr – Mai 2014