DIE WELT VOM 2. März 2018
Kommentar
Putins Superwaffen
von RICHARD HERZINGER
In gut zwei Wochen wird sich Russlands Präsident Wladimir
Putin im Amt bestätigen lassen. Zur Einstimmung darauf hat der Kreml-Herr in einer
protzigen Propagandarede klargemacht, was er unter der seit vielen Jahren
versprochenen, doch bis heute ausgebliebenen „Modernisierung“ seines Landes
versteht: das Vorantreiben eines gigantischen Aufrüstungsprogramms, das die
globalen militärischen Kräfteverhältnisse dramatisch zu verändern droht.
Vor allem die neue russische Superrakete RS-28 Sarmat, im
Nato-Jargon Satan 2 genannt, die eine unbegrenzte Reichweite besitzt und bis zu
16 Nuklearsprengköpfe tragen kann, macht den Westen auf alarmierende Weise verwundbar.
Ist diese Waffe, die ein Land von der Größe Frankreichs mit einem Schlag
auslöschen kann, doch von bisher existenten Raketenabwehrsystemen – auch den
amerikanischen – nicht zu erfassen. Putins Versicherung, seine neuen Wunderwaffen
dienten nur der „Sicherung des Friedens“, ist nur zu gut aus Sowjetzeiten
vertraut.
Tatsächlich dürfte er kaum vorhaben, sie in absehbarer
Zeit einzusetzen. Wohl aber dient sein Prahlen mit den ungeheuren
Zerstörungskräften, über die er verfüge, der Einschüchterung des Westens — und
namentlich der USA, seines erklärten strategischen Hauptfeinds. Er sendet damit
eine massive Warnung an jeden aus, der es wagen sollte, sich seinen Aggressionsgelüsten
und Weltneuordnungsplänen entgegenzustellen, wie er sie derzeit in Syrien und
der Ukraine demonstriert. So klingt es auch nicht beruhigend, wenn Putin
betont, Russland werde Nuklearwaffen nur einsetzen, sollte ein atomarer Angriff
auf es selbst oder „seine Verbündeten“ vorausgehen. Gilt eine solche Garantie
etwa auch für Komplizen wie das mörderische Assad-Regime?
Zu lange hat sich vor allem Europa im Gefühl der
Unangreifbarkeit gesonnt. Man sah sich „von Freunden umzingelt“ und
redete sich ein, die Zukunft gehöre allein der „Softpower“. Hierzulande gilt
vielen schon die Einlösung des Zwei-Prozent-Ziels der Nato als verwerfliche „Militarisierung“ — während die Bundeswehr funktionsuntüchtig ist. Unterdessen holen autoritäre
Mächte wie Russland und China ihren militärtechnologischen Rückstand gegenüber
dem westlichen Bündnis in Riesenschritten auf. Dies werden sie nutzen, um
politisches Wohlverhalten zu erzwingen. Es gilt, endlich wieder zu begreifen:
Mangelnde militärische Abschreckung stimmt die Feinde der westlichen Demokratie
nicht friedfertiger. Sie macht es vielmehr möglich, uns als Erstes politisch zu
entwaffnen.
richard.herzinger@welt.de
(Hervorhebungen von diesem Blog)
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