VIII. Ehe und Familie
EHE: NATUR, FINALITÄT UND EIGENSCHAFTEN
47.
FRAGE: Sind die Gebote des Naturrechts moralisch verbindlich, auch wenn sie
als Belastung empfunden werden?
ANTWORT: Die Gebote des Naturrechts sind
moralisch verbindlich, weil sie von Gott, dem Schöpfer der Natur, geschaffen
und in den Zehn Geboten zum Ausdruck gebracht wurden.
„Es ist wahr, ein Bund kann des Öfteren eine Bürde
bedeuten, eine Knechtschaft, wie die Ketten eines Gefangenen. Er kann aber auch
eine mächtige Hilfe und ein sicherer Halt sein, wie die Seile, die den
Bergsteiger an seine Mitsteiger binden oder wie die Sehnen, die die einzelnen
Teile des Körpers verbinden und ihm Halt und Beweglichkeit sichern“ (s.
Pius XII., Ansprache vom 22. April 1942)
48.
FRAGE: Wenn die Ehe eine Institution des Naturrechts ist, ist das Sakrament
dann nicht überflüssig? Sollte sich die Kirche nicht mit der zivilen
Eheschließung begnügen?
ANTWORT: In der Christenheit hat die Ehe nicht
nur den Zweck, neue Menschen für die Gesellschaft zu erzeugen, sondern auch
neue Auserwählte für den Himmel; ebenso soll sie die geistige und menschliche
Gemeinschaft zwischen den Eheleuten fördern. Dafür hat Jesus Christus sie in
den Stand eines Sakramentes erhoben, sie ausgestattet mit geistlichen,
übernatürlichen Inhalten und Mitteln und sie so in den Plan der Erlösung
miteinbezogen. Für einen Getauften kann man den zivilen Vertrag der Ehe nicht
von ihrer sakramentalen Natur trennen.
„Der ehelichen Gemeinschaft ist erstens eine viel höhere
und edlere Aufgabe gestellt, als dies früher der Fall war; hat sie doch nach
Gottes Gebot nicht bloß den Zweck der Fortpflanzung des Menschengeschlechts,
sondern auch den, der Kirche Nachkommenschaft zu zeugen, ,Mitbürger der
Heiligen und Hausgenossen Gottes‘ (Eph 2,19), damit nämlich ,ein Volk für die
Religion und zur Verehrung des wahren Gottes und unseres Heilandes Christi
geboren und erzogen werde‘. (…) In der christlichen Ehe ist der Vertrag
unlösbar mit dem Sakrament verbunden und deswegen ein wirklicher und
rechtmäßiger Vertrag nicht stattfinden kann, ohne zugleich Sakrament zu sein.
Denn Christus der Herr hat die Ehe zur Würde eines Sakramentes erhoben; die Ehe
aber ist nichts anderes als eben der Vertrag, sofern er nur rechtmäßig
abgeschlossen ist. Hierzu kommt, dass die Ehe deswegen ein Sakrament ist, weil
sie ein heiliges und Gnade wirkendes Zeichen ist, versinnbildend Christi
mystische Ehe mit seiner Kirche“ (Leo XIII., Arcanum
Divinae Sapientiae, Nr. 10, 23 und 24).
49. FRAGE: Ist es wahr, dass es, wie man heute sagt, verschiedene Formen der Ehe und der Familie gibt?
ANTWORT: Nach dem Naturgesetz und dem göttlichen Gesetz gibt es nur eine Form der Ehe: die monogame und unauflösliche Ehe zwischen Mann und Frau. Es gibt auch nur eine Form der Familie, bestehend aus Vater, Mutter und ihren Kindern. Alle andern Formen des Zusammenlebens sind in ihrem Wesen verschieden und können der wahren Familie weder gleichgestellt noch in diese aufgenommen werden. Katholiken, die zusammenleben, ohne verheiratet zu sein, oder die nur zivil geheiratet haben, oder geschiedene Wiederverheiratete, leben in ungeordneten und ungesetzlichen Verhältnissen und können nicht als echte Familien angesehen werden, auch wenn solche Beziehungen moralische und legale Verpflichtungen enthalten.
Wie der
bekannte Moraltheologe Kardinal Carlo Caffara, Erzbischof von Bologna, sagt,
würde die Kirche durch Akzeptanz einer „Pluralität“ von Ehe- oder
Familienformen – wie etwa des Zusammenlebens mit einem anderen als dem
gesetzlich angetrauten heterosexuellen Ehepartner und damit einer „katholischen
Art“ von Scheidung – den eigentlichen Begriff von Ehe auflösen und die
„Dekonstruktion“ der Familie einleiten, wie dies von ihren Feinden schon lange
betrieben wird (vgl. Kardinal Carlo Caffara, Sakramentale Ontologie und die Unauflöslichkeit der Ehe, in In der Wahrheit Christi verbleiben: Ehe und
Kommunion in der katholischen Kirche, Echter Verlag, Würzburg, 2014, Kap.
7).
„Konkubinat, Ablehnung der Ehe als solche und
Unfähigkeit, sich durch langfristige Verpflichtungen zu binden, alle diese
Situationen verletzen die Würde der Ehe; sie zerstören den Grundgedanken der
Familie; sie schwächen den Sinn für Treue. Sie verstoßen gegen das moralische
Gesetz“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2390).
50. FRAGE: Ist die Ehe nicht nur eine Form der Gemeinschaft zwischen Personen, ein einfacher sozialer Vertrag, um das Zusammenleben zu regeln?
ANTWORT: Die Ehe beschränkt sich nicht auf einen privaten Vertrag zwischen zwei Personen. Sie ist ein echter und realer öffentlicher Akt, auf dem eine Gesellschaft – genauer gesagt: die Keimzelle der Gesellschaft, das heißt, die Familie – aufgebaut ist. Die Ehe ist eine im Naturrecht begründete Institution, und wird, wenn sie zwischen Gläubigen geschlossen wird, zu einem heiligen Schwur, der dem göttlichen Recht unterliegt, denn Jesus Christus hat ihn zur Würde eines Sakraments erhoben und ihn zum Symbol der Vereinigung des Schöpfers mit seiner Schöpfung und des Erlösers mit seiner Kirche gemacht.
„Die Eheschließung ist ja nicht ein Ereignis, das nur die Brautleute
betrifft. Sie ist von ihrem Wesen her auch ein gesellschaftliches Geschehen,
das die Brautleute eben vor der Gesellschaft in die Pflicht nimmt“ (hl.
Johannes Paul II., Familiaris Consortio,
Nr. 68).
„Keiner von uns gehört nämlich ausschließlich sich selbst; jeder ist
deshalb aufgerufen, in seinem Innersten die eigene öffentliche Verantwortung zu
übernehmen. Die Ehe als Institution ist also keine widerrechtliche
Einmischung der Gesellschaft oder der Obrigkeit, die Auferlegung einer
Lebensform von außen im privatesten Bereich des Lebens; sie ist vielmehr der
wesenseigene Anspruch des Vertrags der ehelichen Liebe und der Tiefe der
menschlichen Person“
(Benedikt XVI. Schreiben bei der
Eröffnung der Pastoraltagung der Diözese Rom zum Thema Familie, 6. Juni
2005).
51. FRAGE: Von Natur aus ist der Mensch frei und die Ehe ist ein freiwilliger Bund. Wie kann dann eine Person aus dem Naturgesetz her verpflichtet werden, Bande und Verpflichtungen zu achten, die nicht mehr erwünscht sind, wie es die Unauflöslichkeit der Ehe verlangt?
ANTWORT: Die wahre Freiheit der Person besteht in der Verwirklichung des eigenen Wesens; dazu müssen bestimmte moralische Bande und Verpflichtungen geachtet und eingehalten werden, wie die, die im Naturrecht vorgesehen sind.
„Charakteristisch für die Ehegemeinschaft ist nicht nur ihre Einheit,
sondern auch ihre Unauflöslichkeit. (…) Es ist eine Grundpflicht der Kirche,
mit Nachdruck die Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe erneut zu betonen.(…)
Den unschätzbaren Wert der Unauflöslichkeit und der ehelichen Treue zu
bezeugen, ist eine der wichtigsten und dringendsten Pflichten der christlichen
Ehepaare in unserer Zeit“(hl. Johannes Paul II., Familiaris Consortio, Nr.
20).
„Darüber hinaus ist an den anthropologischen Wert
der unauflöslichen Ehe zu erinnern: Sie entzieht die Partner der Willkür und
der Tyrannei der Gefühle und Stimmungen. Sie hilft ihnen, persönliche
Schwierigkeiten durchzustehen und leidvolle Erfahrungen zu überwinden. Sie
schützt vor allem die Kinder, die am Zerbrechen der Ehen am meisten zu leiden
haben“ (Kardinal Gerhard Müller, Die Unauflöslichkeit der Ehe und die Debatte in Bezug auf die zivil
Wiederverheirateten und die Sakramente, in In der Wahrheit Christi verbleiben: Ehe und Kommunion in der
katholischen Kirche, Echter Verlag, Würzburg, 2014, S. 124).
52. FRAGE: Die Eheschließung eine Form der freiwilligen Gemeinschaft zwischen freien Menschen. Warum sollten die Ehepartner sie dann nicht nach freiem Willen schließen und wieder auflösen können?
ANTWORT: Der wichtigste Aspekt der Ehe ist nicht der Vertrag, sondern die Tatsache, dass sie eine göttliche Einrichtung ist, deren Eigenschaften und Gesetze von Gott selbst festgelegt wurden. Eine dieser Eigenschaften ist die Unauflöslichkeit. Der Katholik ist nur frei, zu heiraten und sich auszusuchen, wen er heiraten möchte, nicht aber, die Ehe aufzulösen.
„Wenn nun aber auch die Ehe ihrem Wesen nach von Gott stammt, so hat doch auch der Wille des Menschen, und zwar in hervorragender Weise, seinen Anteil an ihr. Denn die einzelne Ehe entspringt, sofern sie die eheliche Verbindung zwischen diesem Mann und dieser Frau ist, dem freien Jawort der beiden Brautleute. Diese freie Willensentscheidung, durch die jeder Teil das der Ehe eigentümliche Recht gibt und nimmt (vgl. CIC, c. 1081 § 2), ist zu einer wahren Eheschließung derart notwendig, dass sie durch keine menschliche Macht ersetzt werden kann (vgl. CIC, c. 1081 § 1). Diese Freiheit hat jedoch nur das eine zum Gegenstand, ob die Eheschließenden wirklich eine Ehe eingehen und ob sie dieselbe mit dieser Person eingehen wollen. Dagegen ist das Wesen der Ehe der menschlichen Freiheit vollständig entzogen, so dass jeder, nachdem er einmal die Ehe eingegangen hat, unter ihren von Gott stammenden Gesetzen und wesentlichen Eigenschaften steht. (...) So wird also die heilige Gemeinschaft der wahren Ehe gleichzeitig durch Gottes und des Menschen Willen begründet: Aus Gott ist die Einsetzung der Ehe, aus ihm sind ihre Zwecke, ihre Gesetze, ihre Segensgüter. Von den Menschen aber stammt mit Gottes Hilfe und Gnade durch edelmütige Hingabe des eigenen Ich an den andern für die ganze Lebensdauer die einzelne Ehe mit den von Gott gesetzten Pflichten und dem von ihm verheißenen Segen“ (Pius XI., Casti Connubii, Nr. 6 und 10).
53. FRAGE: Warum muss die Ehe unbedingt monogam sein, das heißt, nur mit einer Person vollzogen werden? Könnte man nicht auch die Polygamie akzeptieren – einen Mann mit mehreren Frauen (Polygenie) oder eine Frau mit mehreren Männern (Polyandrie)?
ANTWORT: Gott selbst hat die Ehe als einen Bund zwischen einem Mann und einer Frau festgesetzt, damit sie „ein Fleisch seien“ (Gen 2,24). Die Monogamie in der Ehe bringt darüber hinaus ein großes Geschenk mit sich, nämlich die Stärkung der ehelichen Liebe durch die gegenseitige Treue.
„Allerdings hat Gott später als oberster Gesetzgeber das Grundgesetz
zeitweilig in etwa gemildert. Indes besteht kein Zweifel, dass das Gesetz
Christi die ursprüngliche vollkommene Einehe in ihrer Unversehrtheit
wiederhergestellt und jegliche Dispens aufgehoben hat, wie dies die Lehre
Christi und die ständige Lehre und Praxis der Kirche mit voller Deutlichkeit
zeigen. […] Aber Christus der Herr wollte nicht nur jede Form der sogenannten
Polygenie und Polyandrie, der aufeinanderfolgenden wie der gleichzeitigen,
verworfen wissen und ebenso jedes andere unehrbare Tun, sondern er hat sogar,
um das umhegte Heiligtum der Ehe vor jeder Schändung zu schützen, auch alle
dahingehenden freiwilligen Gedanken und Begierden verboten: ,Ich aber sage
euch: Jeder, der eine Frau mit begehrlichen Blicken ansieht, hat schon in
seinem Herzen die Ehe mit ihr gebrochen‘ (Mt 5,28) [...] In seiner
Erhabenheit die Treue der Keuschheit, wie sie vom hl. Augustinus so treffend
genannt wird, leichter, lieblicher und anziehender macht und ihr einen neuen
Adel verleiht: die Gattenliebe, die alle Pflichten des Ehelebens durchdringt
und in der christlichen Ehe sozusagen eine besondere Würde und Vorrangstellung
einnimmt“ (Pius XI., Casti Connubii , Nr.
20, 21 und 23).
„Dem monotheistischen Gottesbild
entspricht die monogame Ehe. Die auf einer ausschließlichen und endgültigen
Liebe beruhende Ehe wird zur Darstellung des Verhältnisses Gottes zu seinem
Volk und umgekehrt: die Art, wie Gott liebt, wird zum Maßstab menschlicher
Liebe“ (Papst Benedikt XVI., Deus
caritas est, Nr. 11).
54. FRAGE: Im Rahmen der präsynodalen Debatten wurde vorgeschlagen, die Ehe solle über Etappen zustande kommen, die Brautleute sollten allmählich in den Stand der Ehegatten eingeführt werden, indem sie Versuchsphasen des gemeinsamen Lebens durchlaufen, um ihre Reife für das sakramentale Versprechen zu prüfen (vgl. Fulvio de Giorgio, La personalizzazione dello sguardo. Per un rinnovamento della pastorale familiare, [Die Personalisierung des Blicks. Für eine Erneuerung der Familienpastoral], in Il Regno, Jahresheft 2009, Bologna, 2010 SS. 57-67). Könnte man diese Vorgehensweise nicht einführen, um zu verhindern, dass übereilig oder falsch geschlossene Ehen in die Unauflöslichkeit fallen?
ANTWORT: Die Lehre und die Pastoral der Kirche haben diese graduelle Vorgehensweise zur Ehe oder Ehe auf Zeit, auch „Probe-Ehe“ genannt nie zugelassen. Die von den Brautleuten gegebene Einwilligung zur Ehe im sakramentalen Akt macht sie sofort zu Eheleuten. Außerdem ist es eine bekannte Tatsache, dass gerade diejenigen, die erst nach einer langen „Probephase“ heiraten, der Gefahr der Trennung und der Scheidung am ehesten ausgesetzt sind. (vgl. Tony Anatrella, Heureux époux. Essais sur le lien conjugal, Flammarion, Paris, 2007, Kap. II).
55. FRAGE: Was ist der Zweck der Ehe? Besteht er, wie man heute sagt, in einem auf Gefühlen aufgebauten Zusammensein von zwei Menschen, insbesondere in der Befriedigung der gegenseitigen sexuellen Attraktion in der leiblichen Vereinigung der Eheleute?
ANTWORT: In der Ehe, vor allem wenn sie christlich geprägt ist, sind die gegenseitige Unterstützung und die biologische Ergänzung der Ehegatten ein guter und legitimer Zweck, der von sich aus auf die Erhaltung des Menschengeschlechts und die Erziehung der Kinder hingeordnet ist. Die Liebe und der Geschlechtsakt sind von Natur aus zur Zeugung von Kindern bestimmt. Sie sind eine Gabe Gottes und ermöglichen uns, das biblische Gebot „wachset und mehret euch“ zu erfüllen.
„Ehe und eheliche Liebe sind ihrem Wesen nach auf die
Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft ausgerichtet. (…) Das menschliche
Leben und die Aufgabe, es weiterzuvermitteln, haben nicht nur eine Bedeutung
für diese Zeit und können deshalb auch nicht von daher allein bemessen und
verstanden werden, sondern haben immer eine Beziehung zu der ewigen Bestimmung
des Menschen“ (Gaudium et Spes,
Nr. 50-51).
EHEBRUCH
56.
FRAGE: Könnte ein „pastoraler Ansatz“ nicht darin bestehen, den Ehebruch zu
tolerieren, so dass das, was wir gestern Sünde betrachtet haben, in Zukunft
keine Sünde mehr wäre?
ANTWORT: Der Ehebruch – ein sexuelles Verhältnis einer verheirateten Person mit einer anderen, die nicht der legitime Ehegatte ist – wurde von Jesus Christus selbst als schwere Sünde verurteilt: „Wer seine Frau entlässt und eine andere heiratet, der bricht an ihr die Ehe. Und wenn sie ihren Mann entlässt und einen anderen heiratet, bricht sie die Ehe“ (Mk 10,11-12; 1 Kor 6,9ff; 1 Tim 1,8-10). Die Heilige Schrift betrachtet den Ehebruch als ein Symbol des Götzendienstes und der Untreue im Hinblick auf den Ehebund zwischen Gott und seinem Volk. (vgl. Hos 2: 7; Jer 5, 7; Jer 13, 27).
Kein
„pastoraler Ansatz“ kann etwas rechtfertigen, das vor den Augen Gottes eine
Sünde ist. Die Berücksichtigung von Personen und Umständen eines Ehebruchs
ändert nichts am Unrechtsgehalt der Tat selbst.
„Das Zusammenleben mit einem Partner, der nicht
der eigene Ehemann oder die eigene Ehefrau ist, ist eine böse Tat an sich, für
die es niemals eine Rechtfertigung geben kann. Es ist die katholische
Sittenlehre, vor kurzem erst von Papst Johannes Paul II. in der Enzyklika
Veritatis Splendor bestätigt, (…), dass es sich um göttliches Recht handelt,
das von seiner Natur her für alle Fälle gilt und keine Ausnahmen duldet“
(Kardinal Velasio De Paolis, Vortrag, a.a.O., S. 23).
57. FRAGE: Könnte man sich nicht im pastoralen Umgang mit Ehebruchsfällen darauf einigen, ihn zu tolerieren, oder ihn wenigstens mit Wohlwollen zu betrachten, indem man den Schweregrad der moralischen Verfehlung abschwächt und ihn als lässliche Sünde einstuft, die ohne Reue oder Buße ganz leicht vergeben werden kann?
ANTWORT: Der Ehebruch ist objektiv eine schwere Sünde und kann als solche nur vergeben werden, wenn der Sünder nicht nur eine aufrichtige Reue bekundet, sondern auch den Vorsatz zeigt, sich zu ändern, das heißt, sein ehebrecherisches Verhalten aufzugeben.
„Die Reue ist der Schmerz und die Abscheu der
Seele über die begangene Sünde mit dem Vorsatz, künftighin nicht mehr zu
sündigen“ (Katechismus des
Konzils von Trient, 3. Teil, Kapitel V, Nr. 23).
„Es ist also klar, dass jede eheähnliche
Verbindung außerhalb des [sakramentalen] Ehebundes Untreue einschließt und
deshalb ein Ehebruch ist. (…) Die Vergebung kann nur dem gewährt werden, der in
wirklicher Reue die sündige Situation ändert. Natürlich kann der Ehebruch
vergeben werden; ebenso logisch ist aber, dass dieser nicht die einzige Sünde
sein kann, die ohne Reue vergeben wird“ (Perez-Soba, Die Wahrheit des Ehesakraments, in J.J.
Perez-Soba und S. Kampowski, a.a.O. S. 73-74)
SCHEIDUNG, TRENNUNG, NICHTIGKEITSERKLÄRUNG
58. FRAGE: Fast alle christlichen Kirchen dulden die Ehescheidung. Warum besteht allein die katholische Kirche auf ihrer Ablehnung?
ANTWORT: Die Katholische Kirche lehnt die Ehescheidung ab, weil eine Ehe der Regel nach unauflöslich ist; das ist keine Konvention, sondern im Naturrecht und im göttlichen Recht so festgelegt. Die sakramentale Ehe ist, wie schon erwähnt, ein Zeichen des Bundes zwischen Gott und der Menschheit und ganz besonders der Allianz zwischen dem Erlöser und seiner Braut, der Kirche. Deshalb muss die Ehe ausschließlich und unauflöslich sein, so wie jener Bund und jene Allianz es sind. Es ist also kein Zufall, das die Katholische Kirche die einzige ist, die eine echte und eigene Theologie der Ehe hervorgebracht hat.
„Aus einer gültigen Ehe entsteht zwischen den
Ehegatten ein Band, das seiner Natur nach lebenslang und ausschließlich ist.
(…) Das Band der Ehe wird somit von Gott selbst geknüpft, sodass die zwischen
Getauften geschlossene und vollzogene Ehe nie aufgelöst werden kann. Dieses
Band (…) ist fortan unwiderrufliche Wirklichkeit und stellt einen durch die
Treue Gottes gewährleisteten Bund her. Es liegt nicht in der Macht der Kirche,
sich gegen diese Verfügung der göttlichen Weisheit auszusprechen“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr.
1638 und 1640)
59. FRAGE: Kommt eine Ablehnung der Ehescheidung nicht einer Verletzung der Freiheit und Würde der Person gleich?
ANTWORT: Die Würde der Person verlangt auch die Übernahme und Einhaltung von unauflöslichen Verpflichtungen wie der Ehe. In Wirklichkeit richtet sich vielmehr die Scheidung gegen die Würde der Eheleute, vor allem der schwächsten, weil sie die Sicherheit des Bundes zerstört und sie der Möglichkeit aussetzt, verlassen dazustehen und die schlimmen Folgen übernehmen zu müssen, für die sie gar keine Schuld tragen; ganz zu schweigen von den psychologischen und moralischen Folgen für die Kinder, die bereits in unzähligen Studien dokumentiert wurden.
60. FRAGE: Akzeptiert die Kirche nicht die Trennung der Eheleute als eine Art Scheidung?
ANTWORT: Scheidung und Trennung sind aus moralischer und rechtlicher Sicht sehr unterschiedlich. Getrennt lebende Eheleute sind nicht geschieden; vor Gott und der Kirche sind sie weiterhin verheiratet. Die Trennung ist ein Übel, das von der Kirche mit Schmerz geduldet wird, wenn es aus schwerwiegenden Gründen unvermeidlich scheint, das heißt, nur wenn alle Alternativen sich als nicht durchführbar erweisen, und um Schlimmeres zu verhindern. Manchmal ist es besser, eine Trennung zu erlauben, um schlimmere Schäden zu vermeiden, die durch das Zusammenleben entstehen könnten.
„In gewissen Fällen gestattet die Kirche, dass
sich die Gatten dem Leib nach trennen und nicht länger zusammenwohnen. Die Ehe
der getrennten Gatten bleibt aber vor Gott weiterhin aufrecht; sie sind nicht
frei, eine neue Ehe zu schließen“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1649).
„In solchen Härtefällen hat die Kirche immer
gestattet, dass sich die Gatten trennen und nicht länger zusammenwohnen. Dabei
ist aber zu bedenken, dass das Eheband einer gültig geschlossenen Ehe vor Gott
weiterhin bestehen bleibt und die einzelnen Partner nicht frei sind, eine neue
Ehe zu einzugehen, solange der Ehepartner am Leben ist“
(Kardinal Gerhard Müller, Die
Unauflöslichkeit der Ehe und die Debatte in Bezug auf die zivil
Wiederverheirateten und die Sakramente, in
In der Wahrheit Christi
verbleiben: Ehe und Kommunion in der katholischen Kirche, Echter Verlag,
Würzburg, 2014, S. 125).
61. FRAGE: Akzeptiert die Kirche nicht die Annullierung der Ehe als eine Art Scheidung?
ANTWORT: Wenn die Kirche nach einem dokumentierten kanonischen Prozess eine Ehe als ungültig und wirkungslos erklärt, löst sie das Eheband nicht auf, sondern erklärt, dass diese Eheschließung aufgrund ursprünglich vorhandener und nicht zu behebender Fehler nie stattgefunden hat. Es handelt also nicht um eine „Annullierung“, sondern um eine Feststellung der Ungültigkeit, die nichts mit der Scheidung gemein hat.
62. FRAGE: Ist nicht zu erwarten, dass eines Tages die kirchliche Autorität die Scheidung in Einzelfällen zulassen wird, um wenigsten einige „besondere Fälle“ pastoral zu lösen?
ANTWORT: „Wenn aber der Wille der Eheleute das eheliche Band nicht mehr lösen kann, darf es dann vielleicht die von Christus für das religiöse Leben der Menschen eingesetzte Obrigkeit tun, die über den Eheleuten steht? Der Bund der christlichen Ehe ist so stark, dass wenn er durch den Gebrauch der ehelichen Rechte seine volle Festigkeit erlangt hat, keine Macht der Welt, nicht einmal die Unsere, die des Stellvertreters Christi, stark genug ist, ihn zu lösen“ (Papst Pius XII:, aus der Ansprache an Neuvermählte, 22. April 1942).
63. FRAGE: Wie soll man über geschiedene Eheleute denken, die zivil wieder geheiratet haben?
ANTWORT: Eheleute, die nach der Scheidung jemand anderen geheiratet haben, befinden sich im objektiven Stand der Todsünde, die, falls dies öffentlich bekannt wird, noch durch den Skandal erschwert wird. Ihr Bund kann von der Kirche nicht anerkannt und auch nicht durch eine trauungsähnliche kirchliche Zeremonie bestätigt werden. Um Vergebung zu erlangen und wieder in den Schoß der Kirche aufgenommen zu werden, müssen sie ihre Sünden bereuen und ihre Situation bereinigen.
„Das Eingehen einer, wenn auch vom Zivilrecht
anerkannten, neuen Verbindung verstärkt den Bruch noch zusätzlich. Der
Ehepartner, der sich wieder verheiratet hat, befindet sich dann in einem
dauernden, öffentlichen Ehebruch“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2384).
„Die erforderliche Achtung vor dem Sakrament der Ehe, vor den Eheleuten
selbst und deren Angehörigen wie auch gegenüber der Gemeinschaft der Gläubigen
verbietet es jedem Geistlichen, aus welchem Grund oder Vorwand auch immer, sei
er auch pastoraler Natur, für Geschiedene, die sich wiederverheiraten,
irgendwelche liturgischen Handlungen vorzunehmen. Sie würden ja den Eindruck
einer neuen sakramental gültigen Eheschließung erwecken und daher zu Irrtümern
hinsichtlich der Unauflöslichkeit der gültig geschlossenen Ehe führen. (hl. Papst Johannes Paul
II., Familiaris Consortio, Nr. 84).
64. FRAGE: Wie sollen sich zwei geschiedene und wiederverheiratete Personen verhalten, die aus schwerwiegenden Gründen ihr Zusammenleben nicht unterbrechen können?
ANTWORT: „Wo schließlich (…) objektive Bedingungen gegeben sind, die das Zusammenleben tatsächlich irreversibel machen, ermutigt die Kirche jene Gläubigen, ihre Beziehung entsprechend den Anforderungen des Gesetzes Gottes als Freunde, wie Bruder und Schwester, zu leben. (…) Damit ein solcher Weg möglich ist und fruchtbar wird, muss er durch die Hilfe der Seelsorger und durch geeignete kirchliche Initiativen unterstützt werden, wobei in jedem Fall zu vermeiden ist, diese Verbindungen zu segnen, damit unter den Gläubigen keine Verwirrungen in Bezug auf den Wert der Ehe aufkommen. (Benedikt XVI., Sacramentum Caritatis, Nr. 29).
Selbst
in diesen Fällen sind die Personen selbstverständlich allgemein dazu
verpflichtet, Ärgernis zu vermeiden. Diese Verpflichtung ist hier
schwerwiegender, da in diesem Fall die Gefahr des Ärgernisses viel größer ist, „da nicht offensichtlich ist, dass sie nicht
more uxorio leben, während sie sich
nach außen hin in der Situation wiederverheirateter Geschiedener befinden“
(Kardinal Velasio de Paolis, In der
Wahrheit Christi verbleiben, a.a.O. S. 145).
65. FRAGE: Könnte eine geschiedene Person mit Kindern nicht wieder heiraten, um wirtschaftliche und emotionale Stabilität für sich und vor allem für die der Kinder zu sichern?
ANTWORT: So etwas ist natürlich eine schmerzliche Situation, die aber nicht durch eine Sünde gelöst werden kann. Ein zweites Übel kann das erste weder auslöschen noch ausgleichen; es kommt nur zu dem ersten dazu und verschlimmert es.
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