Vorwort
Es ist für alle
offensichtlich, dass die Institution der Familie in vielen Teilen der Welt eine
echte und tiefe Krise durchläuft. Es wäre nicht klug, diese Krise zu ignorieren
oder zu leugnen: sie muss analysiert werden, ihr Ausmaß muss ermittelt werden
und es müssen Mittel gefunden werden, sie zu überwinden. Das Heft mit dem Titel
„Vorrangige Option für die Familie“, das ich hier vorstelle, soll einen Beitrag
dazu leisten.
Die Krise der Familie
ist nicht die einzige, die die Welt heute belastet. Es gibt auch andere Krisen
und nicht selten zeigen sich wechselseitige Einflüsse und Zusammenhänge
zwischen ihnen. Der Gebrauch der Lüge und Verstellung in all ihren Formen als
legitimes Mittel zur Bewältigung von schwierigen Situationen, die Vermehrung
egoistischer Vorgehensweisen, die skandalösen Unterschiede zwischen denen, die
einen übertriebenen und sogar luxuriösen Wohlstand genießen und der Masse
derer, denen selbst das fehlt, die monströse Ausbreitung des Drogenhandels und
viele andere Situationen, die die Grundlagen des menschlichen Zusammenlebens
bedrohen, sind Beispiele dafür.
Manche glauben, dass die
Lösung dieser Probleme in erster Linie in der Erlassung immer neuer Gesetze und
Kontrollen zu finden ist. Ohne die Wirksamkeit dieser Mittel gering zu achten,
sollten Christen sich jedoch der Worte Jesu erinnern: „Denn aus dem Herzen kommen
böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl falsche Zeugnis und
Lästerung. Das ist es, was den Menschen verunreinigt“ (Mt 15,19-20 und Mk
7,21-23). Das wichtigste ist demnach die Bekehrung des Herzens, ohne die alle
äußeren Mittel nur eine vorübergehende und begrenzte Wirkung haben können.
Doch die Bekehrung des
Herzens setzt eine radikale Läuterung der Gedanken voraus, wie der hl. Paulus
mahnt: „Macht euch nicht die Art dieser Welt zu eigen, sondern wandelt euch um
durch Erneuerung eures Denkens, um zu prüfen, was der Wille Gottes ist, was gut,
wohlgefällig und vollkommen“ (Röm 12,2). Viele Erscheinungen dieser Welt tragen
den Stempel des Bösen (vgl. 1 Joh 5,19), dessen, den Jesus „Lügner und Vater der
Lüge“ nennt (Joh 8,44), der seine Spuren mit Vorliebe in Irrtümern unter dem
Schein von Wahrheiten verbirgt und den Menschen den Blick auf das wahrhaft Gute
und Richtige verstellt.
Natürlich fordert die
Bekehrung der Herzen im Bereich der er Familie eine Erkenntnis des Wesens der
Familie, als ein Abbild der ehelichen Liebe zwischen Gott und seinem Volk und
zwischen Christus und seiner Kirche. Die christliche Familie entsteht aus einem
sakramentalen Bund , einer Ausgießung von Gnaden, und stellt als solche eine
Berufung zu Heiligkeit für diejenigen dar, deren Aufgabe es ist, ihrem Glauben
im Ehestand und in den elterlichen Verantwortungen zu leben. Diese beschränken
sich nicht auf das weltliche Wohlergehen, sondern müssen im Laufe unserer
irdischen Pilgerschaft mit Hilfe der Gnade verwirklicht werden, um mit Freude
zum Ziel der Herrlichkeit und Seligkeit zu gelangen, zu dem wir durch unsere
Taufe berufen sind.
Die christliche Familie
ist von ihrem Wesen her eine religiöse Einrichtung, und sie ist es in ihrer
wesentlichsten Substanz; diese Eigenschaft ist nicht eine von vielen, die
vorhanden sein kann oder nicht, sondern sie macht das Wesen der Familie als
solche aus. Für christliche Eheleute gilt, wie für jeden Jünger Christi, die
programmatische Aussage des hl. Paulus: „ ... denn leben wir, so leben wir dem
Herrn“ (Röm 14,8). Das gilt unter allen Umständen; nichts darf von der
köstlichen Folge der Weihe in der Taufe verloren gehen, und die Eheleute sind
berufen, sie in der „Hauskirche“ zu leben. Daher die Verantwortung der Eltern,
den Kindern den Glauben zu vermitteln und die Wichtigkeit der täglichen Gebete
in der Familie vor dem Hausaltar.
Die Mitglieder der Familie
können, wie alle Christen, Schwächen haben oder gar sündigen. In diesem Fall
steht ihnen die Möglichkeit offen, sich in die unendliche und väterliche
Barmherzigkeit Gottes zu flüchten, der sie zur Bekehrung durch ernsthafte Reue
aufruft. Nach dem Konzil von Trient ist „die Reue der Schmerz und der Abscheu
der Seele über die begangene Sünde mit dem Vorsatz künftighin nicht mehr zu sündigen“
(Katechismus des Konzils von Trient, 3. Teil, Kapitel V, Nr. 23).
Jorge A. Kardinal Medina Estévez
Einleitung
Was ist dieses Heft?
Es ist ein Handbuch, ausgearbeitet auf der Basis eines Frage- und
Antwortschemas, das in klarer und einfacher Weise einige besonders aktuelle
Themen über die Lehre der Kirche zu Ehe und Familie behandelt.
Es sollen darin heikle, aber fundamentale Themen über die Familie in der
modernen Welt aufgegriffen werden - nicht nur die, die im vergangenen Jahr von
der Außerordentlichen Bischofssynode behandelt wurden, sondern auch andere
Themen, die regelmäßig in der Debatte zwischen – gläubigen und nicht-gläubigen
-Intellektuellen, Journalisten und Kritikern auftauchen, die sich wünschen,
ihre Sicht der Dinge von der katholischen Kirche übernommen zu sehen.
Viele dieser Themen werden wahrscheinlich im Rahmen der nächsten Synode
behandelt werden. Wir können sicher sein, dass die Diskussion in den
Massenmedien, Internet-Foren und sozialen Netzwerken, die heute wahrscheinlich
den größten Einfluss auf die öffentliche Meinung haben, noch lange
weitergeführt werden wird.
Welche Reichweite wird dieses
Studienheft haben?
Das Thema Familie ist sehr umfassend und eine wirklich erschöpfende
Behandlung würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Wir wollen uns dennoch
bemühen, den vielfältigen Fragen, die sich daraus für die Pastoral der Kirche
ergeben, Rechnung zu tragen, indem wir insbesondere auf die folgenden
Hauptthemen eingehen: die Ehe als sozialer Stand; die Familie als kleinste
Einheit der Kirche; die Berufung zur Heiligkeit in der Ehe; das Gebet in der
Familie; die Aufgabe der Eltern als erste Verkünder des Evangeliums an ihre
Kinder. Über jeden einzelnen dieser Punkte könnte man ein eigenes Werk
verfassen, was für die Evangelisierung der Familie von großem Nutzen wäre. Wir
hoffen sehr, dass diese Themen auf der Synode 2015 behandelt werden.
Die Pastoral unserer Zeit verlangt aber auch Klarheit und eindeutige
Aussagen zu den entscheidenden Themen, die während der Synode zur Sprache kamen
und die teilweise infolge der Auslegung durch verschiedene theologische Schulen
und vor allem infolge der massiven Propaganda in den Massenmedien
fehlinterpretiert wurden. Es ist daher wichtig, hier einige Grundwahrheiten der
katholischen Lehre sowie auch unverzichtbare pastorale Anforderungen im
Hinblick auf die Familie wieder in den Mittelpunkt der Diskussion zu stellen,
denn die tatsächliche Situation der Familie ist in Wirklichkeit ganz anders,
als man uns gerne glauben machen möchte.
An wen richtet sich dieses
Heft?
Wir wenden uns vor allem an Bischöfe, Priester und Ordensleute, Katecheten
und Laien, die in der Kirche verantwortungsvolle Positionen bekleiden. Wir
wollen aber auch allen Laien, die die wachsenden Probleme der Familie in der
heutigen Zeit mit Besorgnis verfolgen, Argumente zur Verfügung stellen, mit
denen sie der antifamiliären Offensive der mächtigen Massenmedien
entgegentreten können. Für sie soll dieses Heft eine Art Handbuch darstellen,
das ihnen zur Orientierung dienen kann.
* * * *
Forsetzung: Vorrangige Option für die Familie I
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