Offener Brief an Mgr. Laurent Ulrich, Erzbischof von Paris: Exzellenz, verschonen Sie Notre-Dame!
von Avenir de la Culture
Exzellenz,
Ich schreibe diesen Brief als Vorsitzender von Avenir de la Culture, einer Vereinigung katholischer Laien, die seit 1986 christliche Werte in der französischen Gesellschaft verteidigt. Ich vertrete außerdem mehr als 110.000 Menschen, die die angeführte Petition unterzeichnet haben, in der die Diözese Paris aufgefordert wird, auf die Einführung zeitgenössischer Kunst in Notre-Dame zu verzichten.
Die Tragödie vom 15. April 2019
Manche Daten bleiben auf tragische Weise in der Geschichte eines Landes eingraviert. Was unser Land betrifft, ist es sicher, dass der 15. April 2019 eines davon ist. Es ist nicht nötig, Sie daran zu erinnern, dass an diesem Tag Notre-Dame einem Brand zum Opfer fiel. Unter den bestürzenden Blicken der Pariser und Menschen aus aller Welt verschlangen die Flammen die jahrhundertealten Balken der Kathedrale. Der Spitzturm von der Vierung stürzte ein und wurde von einem Abgrund aus Feuer verschlungen. Wer hatte beim Anblick des sinkenden Mastes nicht Angst vor dem Totalverlust des Schiffes? Die ganze Nacht über führten Feuerwehre einen heldenhaften Kampf, um eine fast tausendjährige Geschichte zu retten, begleitet von den spontanen Gebeten der Gläubigen, die die Himmelskönigin auf den Knien anflehten, die ihr geweihte Kathedrale nicht zu verlassen. Im Morgengrauen tauchte die aufgehende Sonne einen Ozean aus Asche in ihr Licht. In der Mitte ragten die Türme von Notre-Dame empor, wie durch ein Wunder unversehrt blieben. Notre-Dame verhöhnt! Notre-Dame gebrochen! Notre Dame gemartert! Aber auch Notre-Dame war gerettet! Wie alle vom Himmel gewährten Wunder lädt auch das von Notre-Dame de Paris zur Bekehrung ein.
Warum diese Tragödie?
Die Kathedrale war Zeuge der bilderstürmerischen Wut der Reformation, der gottlosen Rachsucht der Sans-Culottes, der preußischen Kartätschen und der Gräueltaten zweier Weltkriege. Sie wandelte aufrecht durch die Wechselfälle der Geschichte, bevor sie am Beginn des dritten Jahrtausends strauchelte. Warum ließ Gott die Tragödie vom 15. April 2019 zu? Und warum hat er in extremis sein Heiligtum verschont? Kann man in diesem Feuer nicht eine Allegorie des Dramas sehen, das unser Land durchmacht? In frühen Zeiten war es Kommandeur der Christenheit, jetzt schwankt es, zerfressen von Abtrünnigkeit und Gotteshass. «Frankreich, älteste Tochter der Kirche, bist du treu den Versprechen deiner Taufe?» fragte Papst Johannes Paul II. anlässlich seiner ersten apostolischen Reise nach Frankreich im Frühjahr 1980. Wie an die von Chlodwig bei seiner Taufe an Weihnachten 496 in Reims gemachten Versprechen wiederanknüpfen, ohne treu den Jahrhunderten der Christenheit zu sein, die ihre Frucht und Notre Dame ihre schönste Blüte ist? Die Tragödie vom 15. April 2019 war eine Gelegenheit, die Barmherzigkeit des Himmels anzuflehen, so wie es die Gläubigen spontan verstanden haben, die mit dem Rosenkranz in der Hand und auf den Knien am brennenden Ufer der Seine Gott anflehten.
Eine «zeitgenössische Geste» berücksichtigen
Unglücklicherweise drohte Notre-Dame, sobald das Feuer gelöscht war, ein schlimmeres Unheil als das, was ihr durch die Flammen zugefügt wurde. Das Staatsoberhaupt beschwörte eine «zeitgenössische Geste» beim Wiederaufbau des durch den Brand zerstörten Daches und des Spitzturms von Viollet-le-Duc. Sofort wetteiferten Architektenbüros der sogenannten «avant-garde» mit verirrenden Vorschlägen, die ein brutaler Bruch mit der Heiligkeit des Ortes darstellten. Das Studio Paul Godart und Pierre Roussel aus Dijon schlug ein verglastes Dach vor, das für das Herumwandeln von Touristen gedacht war. Das NAB-Studio und der Architekt Nicolas Abdelkader boten an, das Dach durch ein botanisches Gewächshaus zu ersetzen, um insbesondere «die berufliche Wiedereingliederung durch das Erlernen der städtischen Landwirtschaft, des Gartenbaus und der Permakultur zu unterstützen». Mathieu Lehanneur, ein Designer im 2. Bezirk von Paris, schlug vor, den Spitzturm durch eine schreckliche Riesenflamme zu ersetzen, die dem Brand vom 15. April irgendwie die Ehre für lange Zeiten verleihen sollte. Der obszönste und unglaubwürdigste Vorschlag war jedoch der, den die Gefährtin des Präsidenten der Republik persönlich im Privaten verteidigte, wenn man Roselyne Bachelot glauben darf. In ihrem Buch 682 Tage sagt die ehemalige Kulturministerin: «Beim Mittagessen ein paar Tage später mit Brigitte Macron zeigt sie mir ein Projekt mit einer Art erigiertem Glied, das an seiner Basis von Goldkugeln umgeben war …» Wunderartig von den Flammen verschont, drohte nun jetzt Notre-Dame die Fratze unserer Zeit anzunehmen: atheistisch, verspielt, recycelbar und sogar pornographisch.
Das Staatsoberhaupt fühlt sich gezwungen, nachgeben
Glücklicherweise erregten die «Modernisierungs»-Projekte von Notre-Dame, denen Herr Macron die Tür geöffnet hatte, die Missbilligung von Kulturliebhabern. «Man kann mit Notre-Dame nicht spielen (…) man macht keine „zeitgenössische architektonische Geste“ an einem historischen Denkmal wie dieser Kathedrale», warnte Didier Rykner, Historiker und Direktor von La Tribune de l'Art. Der identische Wiederaufbau des Spitzturms sei «die kostengünstigste, schnellste und effektivste Lösung, es ist der Weg der Weisheit und der Legalität», fügt Stéphane Bern, der «Monsieur Patrimoine» der Regierung, hinzu. Auch die öffentliche Meinung erhob sich. Die Französische Vereinigung zur Verteidigung von Tradition, Familie und Eigentum – TFP - ergriff die Initiative und richtete eine internationale Petition an das Staatsoberhaupt und den Kulturminister, um eine identische Restaurierung von Notre-Dame zu fordern. Diese Petition, die von Dutzenden französischen und ausländischen Vereine, insbesondere Avenir de la Culture, unterstützt wurde, sammelte mehr als 110.000 Unterschriften und beweist somit, wenn es noch nötig wäre, die immense Ausstrahlung Ihrer Kathedrale. Angesichts der Proteste aller Seiten gegen die von ihm angekündigte «zeitgenössische Geste» musste Emmanuel Macron einen Rückzieher machen. «Nach leidenschaftlichen Debatten stellt sich der Präsident auf die Seite der Verteidiger des Erbes und der öffentlichen Meinung», bemerkte Le Figaro am 9. Juli 2021. Notre-Dame schien damals vor der Entstellung gerettet zu sein … Leider, ohne dabei mit dem unanständigen Opportunismus derer zu rechnen, die den Auftrag bekommen haben, die Integrität des Heiligtums zu wahren.
Notre-Dame als Disneyland entstellt?
Ab Herbst 2020 gingen beunruhigende Gerüchte durch die Presse. Le Figaro schlug Alarm gegen das «umstrittene Projekt von Bischof Aupetit», die Kathedrale neu zu gestalten: «Die computergenerierten Fotos erwecken den Eindruck einer Landebahn eines Flughafens, oder eines „Parkplatzes“…» Das Entwicklungsprojekt, zu dem die Tageszeitung berichtet Zugang gehabt zu haben, würde ein Geflecht «störender Schöpfungen» sein, das die «jahrhundertealte Harmonie» von Notre-Dame zwangsläufig zerstören würde. Die 14 Seitenkapellen des Gebäudes würden zugunsten der Aufwertung von Kunstwerken komplett renoviert: «Alte Gemälde aus dem 16. und 18. Jahrhundert werden mit zeitgenössischen Kunstwerken interagieren.» Ein Jahr später, als das Projekt von der Commission National du Patrimoine et de l’Architecture geprüft werden sollte, äußerte die britische Presse neue Bedenken. «Es ist, als ob Disneyland in Notre-Dame eingeführt würde», prangerte der Architekt Maurice Culot gegenüber dem Telegraph an. Der Spezialist fügte hinzu: «Was sie vorschlagen […] wäre in der Westminster Abbey oder im Petersdom in Rom niemals vorgekommen. Es ist eine Art Themenpark, angesichts der Größe des Ortes sehr kindisch und trivial.» Mehrere Architekten, die Zugang zu der Akte hatten, prangerten gegenüber der britischen Tageszeitung abnorme Neuerungen an, wie einen «Entdeckungspfad», der die Besucher auf eine Reise durch Afrika und Asien mitnehmen würde, an die Wände projizierte Texte in verschiedenen Sprachen, Ausstellungen von mittelmäßigem Geschmack und dergleichen und die Widmung einer Kapelle zum profanen Thema Ökologie. Beichtstühle, Altäre und klassische Skulpturen sollten verschrottet werden. «Das ist eine verrückt gewordene politische Korrektheit. Man will Notre-Dame zu einer experimentellen liturgischen Ausstellungshalle machen, die es sonst nirgendwo gibt, obwohl sie ein Wahrzeichen sein sollte, bei dem die kleinste Änderung mit größter Vorsicht behandelt werden müsste», schließt ein vom Telegraph zitierter Architekt.
Antichristliche Künstler
Ein weiterer und nicht zuletzt wichtiger Grund zur Sorge ist der von der Diözese geplante Rückgriff auf Künstler, deren Orientierungen und Werke in jeder Hinsicht im Widerspruch zur Lehre der Kirche stehen. Unter ihnen: Ernest Pignon-Ernest, Louise Bourgeois und Anselm Kiefer. Der erste ist der Präsident der Gesellschaft „Freunde der Menschheit“, einer berühmten kommunistischen Tageszeitung. Er ist seit fast 50 Jahren Mitglied der PCF und kämpfte insbesondere für die Legalisierung der Abtreibung. 1974 plakatierte Ernest Pignon-Ernest öffentliche Plätze mit Zeichnungen von nackten Frauen, Opfer heimlicher Abtreibungen, um die Abgeordneten zu ermutigen, für das Simone Veil-Gesetz zu stimmen. Im Jahr 2019, anlässlich der Europawahlen, war der Künstler stolz darauf, für die Liste gestimmt zu haben, die von Ian Brossat angeführt wurde, einem gewählten Pariser Beamten, der die Entweihung der Herz Jesu-Kirche von Montmartre forderte! Auch die 2010 verstorbene Louise Bourgeois stand feministischen Bewegungen nahe. Sie ist Autorin pornografischer Werke, in denen sie männliche und weibliche Genitalien gefeiert werden. Ihre letzte große Installation, das Steilneset Memorial, ist eine Hommage an Hexen. Der deutsche Maler und Bildhauer Anselm Kiefer ist bekannt für seine Faszination für die Kabbala. «Das Alte Testament hat mich immer tief im Herzen berührt, weil es die Grausamkeit Gottes zum Ausdruck bringt», behauptet er. Exzellenz, allein die Möglichkeit, dass die Diözese erwägt, mit solchen Leuten zusammenzuarbeiten, ist ein Skandal! Wie können die Werke gottloser Künstler Hand in Hand gehen, ohne die Werke der Verkünder Gottes des Mittelalters zu beflecken?
„Was das Feuer verschont hat, will das Bistum vernichten“
Wieder einmal lösten die Enstellungsprojekte von Notre-Dame eine heftige Reaktion seitens der Liebhaber des kulturellen Erbes aus. Am 7. Dezember 2021 in den Spalten von Le Figaro, erschien ein Artikel, der von mehr als hundert Persönlichkeiten aus der akademischen und künstlerischen Welt unterzeichnet wurde – insbesondere den Philosophen Alain Finkielkraut und Pierre Manent, dem Historiker Pierre Nora und dem Filmemacher Jean- Charles Fitoussi. Sie verurteilten die geplante Entwicklungsarbeit unmissverständlich: «Was das Feuer verschont hat, will die Diözese zerstören.» Wie können Sie glauben, Exzellenz, dass so bedeutende Persönlichkeiten so schreckliche Worte gebrauchen, ohne sie vorher abgewogen zu haben? «Die Diözese von Paris möchte (…) das Restaurierungsprojekt nutzen, um das Innere von Notre-Dame in ein Projekt zu verwandeln, das die Dekoration und den liturgischen Raum völlig verzerrt», konnten wir in diesem Forum lesen. Die Unterzeichner prangerten reihenweise «die Installation verrückbarer Bänke, wechselnder Beleuchtung je nach Jahreszeit, Videoprojektionen an den Wänden usw. an, also dieselben modischen (und daher schon furchtbar altmodischen) «Vermittlungsgeräte» die man in allen «immersiven» Kulturprojekte vorfindet, wo vielmals Albernheiten mit Kitsch konkurrieren. Sie beschwörten die Diözese, nachzugeben: «Respektieren wir die Arbeit von Viollet-le-Duc, respektieren wir die Arbeit der Künstler und Handwerker, die daran gearbeitet haben, uns dieses Juwel zu schenken, respektieren wir ganz einfach die Prinzipien des Erbgutes eines historischen Monuments». Vor diesem Forum hatte der Akademiker Jean-Marie Rouart mit einer für den Quai Conti ungewöhnlichen Heftigkeit ebenfalls gegeißelt: «Künstlerische Spielchen, die geeignet sind, sie zu verzerren, unsere Erinnerungen zu verderben, den Geist und die Seele, die in diesem heiligen Ort schwebte, für immer zu beschädigen..». «Notre-Dame ist auf wundersame Weise allem entkommen. Vielleicht leider nicht dem reformistischen Juckreiz von Bischof Aupetit», beklagte er sich in den Kolumnen von Le Figaro.
Welche Künstler wurden von der Diözese in die engere Wahl gezogen?
Wie reagierte die Diözese Paris auf diesen Regen der Kritik? Eine geschickte Stille, die darauf wartet, dass der Sturm nachlässt. Sobald der Blitz einschlug und die Wolken sich verzogen, ging die Intrige mit aller Diskretion weiter. Laut Le Figaro «haben fünf Künstler zwei Monate lang an den neuen liturgischen Möbeln gearbeitet und müssen ihre Exemplare am 23. Mai zurückgeben». Unter den Künstlern, die «der Kirche mehr oder weniger nahe stehen», finden wir Constance Guisset, «eine selbstbewusste und fortschrittliche Feministin in sozialen Fragen» und Laurent Grasso, «fasziniert vom Sonnenstern und seinen Auswirkungen.» Eine kurze Suche im Internet zeigt, dass die von der Diözese ausgewählten Künstler die Urheber hässlicher, grotesker und weit hergeholter zeitgenössischer Werke sind, weit entfernt von der heiligen Harmonie und Pracht der christlichen Kunst. Alles deutet darauf hin, dass Notre-Dame verwüstet, entstellt und geschändet wird. In den Kolumnen von Le Figaro versuchte Mgr. Olivier Dumas, Rektor und Erzpriester der Kathedrale, nicht ohne Zynismus, der Kontroverse ein Ende zu setzen: «Wir stellen ihnen (den Künstlern) keine Fragen über ihr spirituelles Leben oder ihre religiösen Praktiken.» Wir wollen es glauben, aber das ist der Kern des Problems: Gottlosen Menschen die Pflege seines Hauses anzuvertrauen. «Wer es fassen kann, der fasse es!», sagt unser Herr im Evangelium (Mt 19,12)...
Eine Bitte blieb unbeantwortet
Begleitet von Kritikern aus der akademischen Welt erhoben sich die Gläubigen und im weiteren Sinne alle Franzosen, die dem Erbe verbunden sind. Diesmal war es Avenir de la Culture, der den Protest anführte. Der Verein, dem ich vorstehen darf, richtete an den Apostolischen Administrator der Diözese, Mgr. Georges Pontier, eine Petition, um ihn aufzufordern, die Schlacken der zeitgenössischen Kunst in seiner Kathedrale aufzugeben. «Herr Macron machte einen Rückzieher, indem er für das Äußere der Kathedrale auf die Verhöhnung einer „zeitgenössischen architektonischen Geste“ verzichtete. Und siehe, jetzt stürmt die Diözese dorthin», beklagten die 108.536 Unterzeichner des Schreibens. Obwohl ihm mehrere Briefe der Liebhaber von Notre-Dame mitteilten, dass dieser Schrei aus tiefstem Herzen an ihn gerichtet war, verweigerte Mgr. Pontier ihnen das Almosen einer Antwort. «Der Klerikalismus ist eine Perversion in der Kirche», sagte Papst Franziskus im Februar 2022 im italienischen Fernsehen. «Unter jeder Art von Strenge steckt Fäulnis», fügte er bei dieser Gelegenheit hinzu. Würden diese Warnungen des Papstes nicht auch für die Verantwortlichen der Erzdiözese Paris gelten? In der Tat, Exzellenz, wie könnten wir diese unglaubliche Verachtung der Diözesanbehörden gegenüber Zehntausenden von Gläubigen, die sich schmerzerfüllt an ihren Pfarrer wenden, nicht als «klerikal» und «streng» bezeichnen? Würden die Tugenden des Dialogs und der «Synodalität», die so oft in den Reden der Geistlichen vorkommen, nicht auch für die Gläubigen gelten, die unser christliches Erbe bewahren wollen? Wie Jean-Marie Rouart uns zu Recht daran erinnerte, gehört Notre-Dame nicht dem Erzbischof von Paris, sondern der gesamten Nation. Daher ist es richtig und normal, dass die Franzosen und insbesondere die Katholiken sich äußern, wenn sie glauben, dass die Natur der Kathedrale bedroht ist. Und das Mindeste wäre, das man ihnen antwortet!
Nur Ihre Hand...
Trotz Protesten von allen Seiten fiel am 9. Dezember 2021 das Urteil: Das Innensanierungsprojekt der Kathedrale wurde von den Mitgliedern der Nationalen Kommission für Denkmalschutz und Architektur genehmigt, allerdings mit Vorbehalten einerseits hinsichtlich der Entfernung der Heiligenstatuen aus den Kapellen und andererseits die von der Diözese vorgesehenen Bänke mit Rädern und Beleuchtung. Keine andere Hand kann daher die Befleckung von Notre-Dame verhindern, wenn nicht Ihre, Exzellenz! Denken Sie an das Urteil der Geschichte und noch mehr an das Urteil Gottes, wenn Sie das Unwiederbringliche zulassen. Notre-Dame bleibt trotz der Narben des Feuers das schönste Heiligtum der Christenheit. Die Königin der Kathedralen ist ein Juwel der Schönheit und dazu bestimmt, das Heiligste der Welt zu beherbergen: das heilige Messopfer. Ihre Silhouette lässt einen sofort erkennen, dass sie ein Schiff ist, das Seelen in den Himmel führt. Jede ihrer bunten Glasfenster, jede ihrer Statuen und Steine sind der Ehre Gottes geweiht. Wie sollte man beim Betrachten ihres Kirchenschiffs nicht an das himmlische Jerusalem denken, das in der Apokalypse des hl. Johannes in Kapitel 21 beschrieben wird: «Ihr Lichtglanz gleicht einem kostbarsten Stein, wie kristallheller Jaspis. (…) Die Stadt bedarf weder der Sonne noch des Mondes, dass sie scheinen in ihr; denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtete sie, und ihre Leuchte ist das Lamm. Die Völker werden in ihrem Licht einhergehen.»
Pädagogik des Heiligen
Vor ihrer Schließung kamen jedes Jahr dreizehn Millionen Besucher in Notre-Dame. Was suchten diese Menschen, die manchmal vom anderen Ende der Welt kamen? Ein Spiegel ihrer Zeit? Nein, ganz im Gegenteil, sie strebten nach Schönheit und Heiligkeit, die unserer Welt ohne Gott so grausam vorenthalten wird. Sie suchten, oft ohne es zu wissen, nach einer Spur dieser gesegneten Zeit, als die «Philosophie des Evangeliums die Staaten regierte», wie Papst Leo XIII. in seiner Enzyklika Immortale Dei vom 1. November 1885 sich ausdrückte.
«Es war eine Zeit, wo die Weisheitslehre des Evangeliums die Staaten leitete. Gesetze, Einrichtungen, Volkssitten, alle Ordnungen und Beziehungen des Staatslebens waren in dieser Zeit von christlicher Klugheit und göttlicher Kraft durchdrungen», schreibt der Papst über die Christenheit. «Diese Staatsordnung trug über alles Erwarten reiche Früchte, die noch nicht vergessen sind. Hierfür gibt es unzählige Zeugnisse aus der Geschichte, welche durch keine Arglist der Feinde verfälscht oder verdunkelt werden können», fährt Papst Leo XIII. fort. Ist Notre-Dame nicht eines der wunderbarsten «Dokumente» dieser Zeit, das den Namen Christi trägt? Die von den Zeitgenossen Suger und dem hl. Ludwig gewünschte Pädagogik des Sakralen spricht nicht nur die Intelligenz an, sondern auch die Seelen. «Ich selbst stand in der Menge, in der Nähe der zweiten Säule am Eingang zum Chor auf der rechten Seite der Sakristei. Und da geschah das Ereignis, das mein ganzes Leben beherrscht. In einem Augenblick wurde mein Herz berührt und ich glaubte.» Wie viele von Gott entfernte Seelen haben unter den heiligen Gewölben von Notre-Dame, die Begegnung, die Paul Claudel an diesen Orten erschütterte, erlebt? Wo sollen diese durstigen Seelen trinken gehen, wenn die Quelle durch Ihre Schuld versiegen würde?
Woher kommen diese schlechten Winde?
Exzellenz, woher kommen die schlechten Winde, die plötzlich über Notre-Dame hinwegzufegen drohen? Zweifellos bietet uns Pater Gilles Drouin, der für die liturgische und kulturelle Planung Ihrer Kathedrale verantwortlich ist, den Anfang einer Antwort, wenn er erklärt: «Wenn das Zweite Vatikanische Konzil mit der lateinischen Messe gebrochen und die Altäre umgekehrt hat, um der Herde entgegenzukommen, anstatt ihr den Rücken zu drehen, bleibt fünfzig Jahre später ein Teil der Arbeit noch zu erledigen. Es wäre also eine Frage des Rückbaus von Notre-Dame, um daraus eine „konziliare“ Kathedrale zu machen, die nicht mehr Gott, sondern den Menschen ehrt! Leider haben sehr viele Kirchen das gleiche Schicksal erlitten! «Der französische Klerus interpretierte in den 1960er Jahren das Zweite Vatikanische Konzil, indem er im Namen eines zweifelhaften Modernismus einen seit der Französischen Revolution beispiellosen Vandalismus durchführte», erinnert sich Didier Rykner. Ein Vandalismus, der sich leider nicht nur auf die Architektur beschränkt ... Wie Guillaume Cuchet in seinem Buch «Wie unsere Welt aufgehört hat, christlich zu sein» meisterhaft dargelegt hat, fiel das von Johannes XXIII. einberufene Konzil mit dem Beginn eines beispiellosen Zusammenbruchs des Katholizismus in Frankreich, ausgenommen der Zeit der Verfolgung, zusammen. Das sakramentale Leben ist in unserem Land rückläufig, die Zahl der Priesterweihen geht von Jahr zu Jahr zurück, und wie Sie wissen, ist der Klerus mit unsauberen moralischen Fragen überhäuft, die die Gläubigen verzweifeln lassen und deren Ende niemand sieht. Exzellenz, nicht nur Notre-Dame brennt: In fünfzig Jahren würde auch das christliche Frankreich in Schutt und Asche gelegt. Und jetzt, mitten in dieser dunklen Nacht, sind Sie dabei, Notre-Dame, das ultimative Leuchtfeuer des Christentums, zu löschen...
Exzellenz, es ist noch nicht zu spät, zu verhindern, das der «Rauch Satans» in Notre-Dame eindringt, der die Kirche verpestet, nach den tragischen Worten Papst Paul VI. Ihre Kathedrale der gottlosen Moderne auszuliefern, wäre nicht nur eine Beleidigung derjenigen, die sie gebaut und erhalten haben, sondern vor allem auch eine Beleidigung des Einen, dem sie gehört. Aus diesem Vorhaben würde unvermeidliches Unheil für die älteste Tochter der Kirche entstehen, genau in dem Moment, in dem den Katholiken Frankreichs eine heimliche Verfolgung droht. Wie sollte man nicht schaudern, wenn man daran denkt, dass der Erzbischof von Paris ein Kapitel dieser Trübsal schreiben würde, indem er daran arbeitet, seine eigene Kathedrale zu entweihen? Exzellenz, verschonen Sie um der Liebe Gottes Willen Notre-Dame! Es ist noch Zeit.
Empfangen Sie, Exzellenz, die Zusicherung meiner hohen und kindlichen Wertschätzung,
Paris, 25. März 2023
Am Fest Mariä Verkündigung
José Antonio URETA
Vorsitzender
Aus dem Französischen mit Hilfe von Google-Übersetzer von „Lettre ouverte a Monseigneur Laurent Ulrich Archevêque de Paris: Excellence epargnez Notre-Dame“ in https://avenirdelaculture.info/articles/lettre-ouverte-a-monseigneur-laurent-ulrich-archeveque-de-paris-excellence-epargnez-notre-dame
Eingesehen am 28.05.2023
Die deutsche Fassung „Offener Brief an Mgr. Laurent Ulrich, Erzbischof von Paris: Exzellenz, verschonen Sie Notre-Dame!“ erschien erstmals in www.r-gr.blogspot.com
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Bild: Quelle: Notre-Dame en feu - GodefroyParis, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons
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