Montag, 4. April 2022

Fastenbrief des Apostolischen Exarchen für katholische Ukrainer in Deutschland und Skandinavien

 

Apostolischer Exarch Bohdan Dzyurakh (Mitte)

 

Hirtenbrief des Apostolischen Exarchen Bohdan Dzyurakh

für katholische Ukrainer des byzantinischen Ritus in Deutschland und Skandinavien an alle Priester, Ordensleute und alle Gläubigen der Apostolischen Exarchie zur Großen Fastenzeit 2022

„Alles – zur Hilfe der Ukraine!“

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Die diesjährige Fastenzeit erleben wir im tödlichen Schatten des großen Krieges, den der Angreifer mit neuer Kraft durch seine offene Invasion in die Ukraine am 24. Februar 2022 begonnen hat. Auf unser Volk sind Prüfungen und Leid herabgekommen, wie es sie seit der Wiederherstellung der staatlichen Unabhängigkeit im Jahr 1991 nicht mehr erlebt hat. Wir sind uns bewusst, dass diese Prüfung unser Test ist und unser Preis für Freiheit, Würde und unser nationales Dasein, die man uns zu rauben versucht.

Unter diesen Umständen müssen wir vor allem die nationale Einheit aufrechterhalten. Wir müssen Streitigkeiten, Uneinigkeit, Hader und Reibereien vermeiden und alle unsere Bemühungen auf den Schutz der Ukraine und die Unterstützung des Heimatsvolks und seiner Verteidiger, unserer Helden richten. Alles – um der Ukraine zu helfen! Lassen Sie dies zu unserem Aktionsprogramm in diesen schwierigen und beunruhigenden Zeiten werden.

Für uns Christen findet die Fastenzeit in drei sehr wichtigen und untrennbaren Bereichen statt: Fasten – Beten – Almosen; über diese wollen wir in diesem Jahr in besonderer Art und Weise unsere Liebe zur Heimat und unser Mitgefühl für die Leiden der Söhne und Töchter unseres Volkes ausdrücken.

Das Erste ist das Fasten. Wir verstehen es nicht nur als Verzicht auf eine bestimmte Art von Essen, sondern vor allem als Bemühungen, die darauf abzielen, die Freiheit des Geistes zu erlangen und aufrechtzuerhalten, sich von sündigen Leidenschaften zu reinigen, besser zwischen Gut und Böse zu unterscheiden und den Weg der Wahrheit, der Liebe und des Guten zu gehen. Unter den Umständen dieser Katastrophe sollten wir bereit sein, auf einige persönliche Vorteile und möglicherweise auch solche unserer Familie, auf Komfort und Genuss zu verzichten, um mehr Zeit und Möglichkeiten zu gewinnen, um den Bedürftigen und Leidenden um uns herum zu dienen. Der Herr erwartet von uns ein solches Fasten: „Das ist das Fasten, das ich liebe: die Fesseln der Ungerechtigkeit zu brechen, die Stricke des Jochs zu lösen, die Unterdrückten freizulassen, jedes Joch zu zerbrechen, mit dem Hungrigen dein Brot zu teilen, die Armen, Obdachlosen ins Haus aufzunehmen, wenn du einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden und dich vor deinem Bruder nicht zu verstecken.“ (Jes. 58, 6-7)

Schließlich ist Fasten, Selbstverleugnung und Selbstdisziplin kein Selbstzweck, sondern Mittel und Voraussetzung für die Liebe, für die Taten der Barmherzigkeit gegenüber Bedürftigen und Leidenden. Tatsächlich bekommen die Taten der Barmherzigkeit, von denen wir im Evangelium am Sonntag des Fleischverzichts gehört haben und nach denen wir einst gerichtet werden, heute einen ganz konkreten und praktischen Klang, denn wir verstehen ganz genau, was es für uns heute heißt: Hungrige speisen, Durstige tränken, Nackte bekleiden, Fremde (Flüchtlinge) beherbergen, Kranke (Verwundete) pflegen, Gefangene besuchen und (Vermisste) nicht vergessen etc.

An dieser Stelle möchte ich jedem von euch, Priestern, Mönchen, Laien, ehrenamtlichen Helfern, unseren deutschen und skandinavischen Freunden, allen Menschen guten Willens, die mit erstaunlicher Opferbereitschaft und Selbstlosigkeit den Opfern des Krieges in der Ukraine dienen, meine aufrichtige Anerkennung und meine herzliche Dankbarkeit aussprechen! Lassen Sie uns auch weiterhin von den Worten des Apostels Paulus inspirieren: „Lass dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute!“ (Rom. 12, 21). Lassen wir die Gefühle der Verzweiflung oder Hoffnungslosigkeit nicht in unser Herz hinein und erinnern wir uns an die Worte, die unser gerechter Metropolit Andrej unter den schrecklichen Umständen des Zweiten Weltkriegs an das Volk gerichtet hat: „In Gott ist unsere Hoffnung und unsere Kraft. Im Feuer dieses schrecklichen Krieges wird das beste Schicksal für uns geschmiedet.“

Da wir sind uns der Wahrheit des Wortes Gottes bewusst sind: „Das Ross ist gerüstet für den Tag der Schlacht, doch der Sieg steht beim HERRN.“ (Spr. 21: 30-31), hören wir nicht auf, vor dem Thron des Herrn zu flehen, zusammen mit dem Gebet für die Befreiung unseres Volkes und für den Frieden für unsere leidvolle irdische Heimat.

Das Bedürfnis nach einem inständigen Gebet kommt für uns nicht nur aus dem Bewusstsein unserer Einsamkeit und Unsicherheit – viel mehr noch kommt es aus der Erkenntnis, dass es in diesem Krieg nicht nur um die Eroberung des Territoriums unseres Staates, der Ukraine, geht, sondern um einen tiefen weltanschaulichen Konflikt zwischen Gut und Böse, Licht und Finsternis, Leben und Tod. Im Kern ist es ein geistiger Kampf, in dem es unmöglich ist, ausschließlich mit menschlichen Mitteln und Kräften zu gewinnen, sondern nur mit Hilfe der Kraft der Gerechtigkeit, Gnade und Liebe Gottes. Diese himmlische Kraft hat uns unser auferstandener Herr Jesus Christus persönlich gegeben, die erlösende Begegnung mit ihm ist das Ziel dieser großen „Fastenreise“, dieses Fastenweges und unseres gesamten Lebens.

Liebe Schwestern und Brüder in Christus! Unser Volk in der Ukraine erlebt heute seinen Karfreitag, und wir fühlen an den Orten, an denen wir leben, mit ihm und helfen ihm, mit allen unseren Kräften, dieses gemeinsame Kreuz zu tragen, das auf unsere Schultern gefallen ist. Denkt jedoch daran, dass am Horizont des Karfreitags immer das siegreiche Licht der Auferstehung aufleuchtet und der auferstandene Erlöser der Welt selbst anwesend ist – unser Herr. Er hat alle unsere Leiden auf sich genommen, trägt sie mit uns und nähert sich uns, wie er sich nach Seiner Auferstehung den Jüngern am See Genezareth näherte und sie voll Fürsorge und Liebe mit göttlicher Stimme fragte: „Meine Kinder, habt ihr keinen Fisch zu essen?“ (Vgl. Joh 21, 5).

Lasst uns Seine Anwesenheit unter diesen dramatischen Umständen erkennen, in denen unser Volk und die gesamte Menschheit in der heutigen Zeit lebt! Vertrauen wir Ihm alle Verteidiger, Verwundeten und Gefangenen, Flüchtlinge und Binnenvertriebene, alle, die in Angst, Bedrängnis, Leid und Gefahr leben, an. Möge der Herr die Tage dieser großen Prüfung unseres Volkes um „der Auserwählten willen“ verkürzen (vgl. Mt. 24, 22) und uns auf die Fürbitte der Allerheiligsten Jungfrau und aller Heiligen und Gerechten des ukrainischen Landes die Erlösung vom Krieg, die Befreiung von allen Unterdrückern und einen gerechten und dauerhaften Frieden schenken!

Der Segen des Herrn ruhe auf euch!

+ Bohdan

Apostolischer Exarch

 

 Bild: https://missionsschwestern.de/bischof-bohdan-in-wuerzburg/


 

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