Sonntag, 12. April 2020

„Noli me tangere“



Martin Schongauer (um 1445/50 – 1491) sollte auf einem Altarbild für die Dominikaner in Colmar das von Christus gesprochene Wort „noli me tangere“ (Joh 20,17) darstellen. Wie er dies durch drei Hände malt, macht dieses Bild zu einem Meisterwerk: In dem Moment, in dem Magdalena mit beiden Händen nach Christus Hand greifen will, entzieht sich dieser ihrem Zugriff und streckt, ein altes Abwehrzeichen, den Mittelfinger seiner rechten Hand vor. Magdalena erkennt, dass er nicht der Gärtner, der oft mit einer Schaufel abgebildet wird, ist, sondern, dass er der Auferstandene mit der Siegesfahne ist (Jo 20,13-15)
Es ist der Ostermorgen. Vor Magdalena steht ein Salbgefäß. Sie ist durch das noch offene Tor gekommen, um den vermeintlich Toten Jesus zu balsamieren. Es ist im Frühling. Der Baum treibt aus. In diesem sitzen schon die Vögel, wohl ein Distelfink und ein Kreuzschnabel, Symbole für Christus. Ostern brachte aber die Natur durcheinander: Am erst ergrünenden Baum wachsen schon Äpfel und am Strauch hinter Christus schon Rosen. Die Gartensituation und der Baum deuten aber auch auf das Paradies hin und beziehen sich auf 1 Kor 15,20-22.
Beeindruckend ist auch die volle, aufeinander abgestimmte Farbigkeit des Bildes. Da ist das Rot des Umhanges von Christus. Diese wird im Mantelsaum von Magdalena wieder aufgegriffen und schafft so eine farbliche Beziehung zwischen beiden. Da sticht das Unschulds-Weiß des Mantels der Magdalena, die früher eine Sünderin war, hervor. Das Gelb ihres Kleides wird zum Braungelb der Gartenpforte und schließlich zum Goldgelb des Himmels und zum Dunkelbraun des Baumstammes und des Weidenzaunes. Und alles liegt auf der Mischfarbe Grün des Grases und der Blätter.

Quelle: Der Fels, Titelbild April 2019.
Eichendorfer Str. 17, D-86916 Kaufering.
Redaktion: Hubert.Gindert@der–fels.de

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