An die Königinmutter (Anna von Österreich). Sie zu bitten, die Übel der Religion in Frankreich zu beseitigen, indem sie gute Bischöfe erwählt.
Paris, am 2. September 1648.
GNÄDIGE FRAU,
Ich kann den Gedanken nicht zurückweisen, den Gott es gefiel mir einzugeben,
als ich das heilige Messopfer für Eure Majestät darbrachte, während dieser
Unruhen in Paris [die als Fronde bezeichneten Aufstände und Bürgerkriege], um demütigst Sie im Namen Jesu Christi und
seiner allerheiligsten Mutter anzuflehen, die Macht, die sie Ihnen verliehen
haben, zu nutzen, um den ungestümen Strom der Ungerechtigkeit zu beenden, der heute
in Frankreich grausame Verwüstungen anrichtet, der eine Unzahl von Seelen in
die Hölle treibt und der die einzige Ursache allen Elends dieses Königreiches
ist.
Es ist sehr beklagenswert, Madame, mit Bluttränen, ansehen zu müssen, wie
so viele Seelen sterben, die das kostbare Blut Jesu Christi gekostet haben, und
dass dieses Übel immer größer wird und dass so wenige Menschen sich über sie
erbarmen. Was tun wir nicht alles, wenn es um weltliche Interessen der Fürsten
und Könige dieser Welt geht? Aber die Interessen des höchsten Monarchen werden
aufgegeben. Wir bringen uns in unseren Missionen um, indem wir gegen die
zahlreichen Unruhen aufschreien, die es in Frankreich gibt, durch die Gott in
höchstem Maße entehrt wird und die die Ursache für die Verdammung so vieler
Seelen sind; und er gibt uns die Gnade einige von diesen zu retten. Aber ich
bin sicher, Madame, wenn Eure Majestät die Macht, die er Ihnen gegeben hat,
nutzen wollten, könnten Sie alleine mehr für die Zerstörung der Tyrannei des
Teufels und für die Errichtung der Herrschaft Jesu Christi tun als alle
Missionare und Prediger zusammen.
Wenn Eure Majestät die Mittel kennen möchten, wird es Ihnen leicht fallen,
sie Ihnen vorzuschlagen, und es wird Ihnen durch die Gnade unseres Herrn noch
leichter fallen, sie umzusetzen. Vorerst möchte ich nur das Mächtigste von
allen nennen, das darin besteht, der Kirche gute Bischöfe zu geben, denn gute
Bischöfe und gute Priester würden gute Christen hervorbringen, und auf diese
Weise würde sich das Antlitz der Kirche Frankreichs in kurzer Zeit ändern und sie
würde ihren ersten Glanz wiedererlangen. Dies ist die größte Verpflichtung Eurer
Majestät, Madame; es ist der größte Dienst, den Sie Gott und seiner Kirche
erweisen können; und es ist von so großer Bedeutung, dass es Eure Majestät
verdient, sich persönlich darum kümmern (46),
denn Sie werden die Erste sein, von der der höchste Richter Rechenschaft
verlangen wird, und zwar eine Rechenschaft, die umso schrecklicher ist, als die
Rettung einer Unzahl von Menschen, die er Eurer Obhut anvertraut hat, auf dem
Spiel steht. Denn ich höre den Heiligen Geist, der durch den Mund des heiligen
Paulus laut ruft: „Wenn aber jemand für die Seinigen und für die Hausgenossen
nicht sorgt, hat er den Glauben verleugnet und ist schlimmer als ein
Ungläubiger“ (47), so dass er in der
Stunde seines Todes von Gott als Abtrünniger verurteilt und härter bestraft
wird als Heiden und Ungläubige.
Wenn Eure Majestät diesen Dienst an Jesus Christus und seiner Kirche erweisen,
wird er Sie mit geistigen und zeitlichen Segnungen erfüllen; wenn Sie aber diese
Dinge vernachlässigen, erkläre ich Ihnen im Namen und von Seiten des großen
lebendigen Gottes, dass alle Sünden, die in Frankreich begangen werden, weil Sie
die Kirche nicht mit guten Bischöfen versorg haben, Ihnen zugeschrieben, als
hätten Sie sie selbst begangen; und dass Sie Verurteilung und Strafe ertragen werden;
und dass alle Seelen, die dadurch verloren gehen, und alle Blutstropfen, die
Jesus Christus für ihre Erlösung vergoss, in der Stunde des Todes nach Rache an
ihr schreien werden.
Darüber hinaus, Madame, kann ich Eurer Majestät in aller Wahrheit beteuern,
dass ich bei all dem kein Interesse und keinen anderen Anspruch habe als den
Ruhm meines Meisters und die Erlösung der Seelen.
Wer die Tiefen des Herzens kennt, weiß, dass ich die Wahrheit spreche. In
ihm und in seiner allerheiligsten Mutter werde ich immer und mit allem
möglichen Respekt, Madame,
Eurer Majestät,
der bescheidenste und sehr gehorsamste und treueste Untertan und Diener,
JOHANNES EUDES, Priester.
Anmerkungen:
(45) Sammlung
Caen, Brief 55; Costil, Annales, I. 3, n. 16.
(46) Anstatt sich
auf Mazarin zu verlassen
(47) „Si quis
autem suorum, et maxime Domesticorum, curam non habet, fidem negavit et est infideli
deterior.“ (1 Tim. 5,8)
Bild oben: Anna von Österreich mit ihren Kindern, die Hl. Dreifaltigkeit anbetend.
Von
Philippe de Champaigne - De Huizen van Oranje en Nassau, Gemeinfrei,
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=240854
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen