von Luiz Sérgio Solimeo
Papst Franziskus mit dem islamischen Groß Ayatollah Ali Sistani im Irak am 03.06.2021 |
Während
seiner Reise in den Irak (5. bis 8. März 2021) sagte Papst Franziskus mehrmals,
dass Abraham sich an der Wurzel des Judentums, des Christentums und des Islam befindet.
Bei seiner Ankunft in Bagdad dankte er den Zivilbehörden für die Möglichkeit,
dieses Land zu besuchen, „die Wiege der
Zivilisation, die über den Patriarchen Abraham und zahlreiche Propheten [...] mit
den großen religiösen Traditionen des Judentums, des Christentums und des Islam
eng verbunden ist“. [1]
Der
Papst wiederholte diese Idee am nächsten Tag bei einem interreligiösen Treffen
in der Nähe der Ruinen von Ur und sagte, „es
scheint uns, als würden wir nach Hause zurückkehren“, als er an diesem „gesegneten Ort“ ankam, „zum Ursprung unserer Religionen. Hier, wo
unser Vater Abraham lebte“.
Im
Gebet der Kinder Abrahams, mit dem er
seine Ansprache beendete, betete er: „Wir,
die Söhne und Töchter Abrahams, die dem Judentum, dem Christentum und dem Islam
angehören, danken Dir […], dass Du uns Abraham […] als gemeinsamen Vater im
Glauben geschenkt hast“. [2]
Diese
Auffassung beruht auf verwirrenden Passagen in den Dokumenten des 2.
Vatikanischen Konzils Lumen Gentium
(Nr. 16) und Nostra Aetate (Nr. 3).
In diesen Dokumenten wird implizit dargestellt, dass das heutige Judentum und
der Islam ihren Ursprung beim Patriarchen Abraham haben. Diese Texte zeigen den
Einfluss des französischen Orientalisten P. Louis Massignon (1883–1962) und
seine Theorie über die „abrahamitischen Religionen“, zu denen angeblich Judentum,
Islam und Christentum gehören sollen. [3]
Abraham und der Islam
Abraham und Isaak. Werk von Jan Victors (1619-1679) |
Befürworter der unbewiesenen Theorie, dass Muslime von Abraham abstammen, behaupten, dass dies durch Ismael geschehen sei. Es muss jedoch daran erinnert werden, dass der Segen des Patriarchen an seine Nachkommen durch Isaak und Jakob weitergegeben wurde, und nicht durch Ismael, seinem Sohn mit Hagar. Selbst wenn die Muslime Nachkommen Ismaels wären, könnte der Islam folglich nicht als „abrahamitische Religion“ im geistigen Sinne bezeichnet werden.
In
der Tat sagt das Buch Genesis:
»Dann sagte Abraham zu Gott: „Möchte
doch Ismael vor dir leben!“ Gott aber sprach: „Nicht so! Sara, deine Frau, schenkt
dir einen Sohn, und du sollst ihm den Namen Isaak geben! Ich werde meinen Bund
mit ihm aufrichten zum ewigen Bund, auf
das ich ihm und seinen Nachkommen nach ihm Gott sein werde. Aber auch wegen
Ismael erhöre ich dich. Siehe, ich segne ihn und lasse ihn fruchtbar werden und
mache ihn zahlreich, überaus zahlreich. Zwölf Fürsten wird er erzeugen, und ich
mache ihn zu einem großen Volk. Meinen Bund aber richte ich mit Isaak auf, den
dir Sara nächstes Jahr um diese Zeit gebären wird“.« (Gen 17,18-21).
Wenn
auch die göttliche Offenbarung einen geistigen Bund zwischen Abraham und
Muslimen ausschließt, schließt das auch die biologische Bindung aus? Es gibt
keine Hinweise auf solche Ahnenbindungen. Pater René Dagorn machte eine
sorgfältige Untersuchung der arabischen Genealogie von vor dem Erscheinen des
Islam (622 n. Chr.) und stellte fest, dass die Namen Abraham (Ibrahim), Ismael
und Hagar nicht verwendet wurden. Wenn die Araber jedoch von Ismael abstammen,
kommt Pater Dagorn zu dem Schluss, hätten sie die Erinnerung an diese Namen
behalten, indem sie sie für ihre Kinder verwendet hätten, was nicht der Fall
ist. [4]
Pater
Antoine Moussali, ein Spezialist für Islam, zeigt auch, dass der biblische und
der koranische Abraham nichts gemeinsam haben. Gottes Verheißung an Abraham in
der Heiligen Schrift wurde in Jesus Christus erfüllt. Der Koran stellt Abraham
als Verteidiger der Einzigheit Gottes dar (im Gegensatz zur Dreifaltigkeit).
[5]
Ein
anderer Islamologe, P. François Jourdan, fragt: „Wie kann Abraham der Vater verschiedener Religionen sein? […] Unter welcher
Begründung ist Abraham ein Vater im Glauben? Wie ist er der Vater in den jeweiligen
Glauben, da sie unterschiedlich sind?“ Er erklärt, dass der Islam
angemessener als „adamitische Religion“ bezeichnet werden sollte, da er der
Ansicht ist, dass Adam der erste monotheistische Prophet war. [6]
Abraham und die Juden
Abraham
war nicht der Gründer einer Religion. Gott erwählte ihn als den Patriarchen des
auserwählten Volkes, aus dem der Sohn Gottes nach dem Fleische geboren werden
würde. Gottes Bund mit Abraham beruhte auf seinem Glauben, seiner Treue und
seinem Vertrauen. Nach der Prüfung, seinen Sohn Isaak zu opfern, segnete Gott
ihn und versprach ihm eine große Nachkommenschaft und große Macht. Seine
Nachkommen würden wegen ihm gesegnet sein (siehe Genesis 18).
Indessen
wäre eine biologische Vererbung allein nicht ausreichend, um „Kinder Abrahams“
hervorzubringen. Seine Nachkommen müssten am Geist Abrahams und an seiner Treue
zu Gottes Verheißung teilnehmen. Der heilige Johannes der Täufer tadelte die
Pharisäer und Sadduzäer, die glaubten, gerettet zu sein, weil sie Nachkommen
Abrahams waren, und sagte: „Bringet also
Frucht, die der Umkehr entspricht, lasst euch nicht einfallen, in eurem Innern
zu denken: Wir haben Abraham zum Vater! Denn ich sage euch: Aus diesen Steinen
da kann Gott dem Abraham Kinder erwecken“ (Mt 3, 8-9).
Jesus
selbst warnte die Pharisäer, dass es nicht genug sei, ein Nachkomme Abrahams im
Fleische zu sein. Sie sagten: „Abraham
ist unser Vater. Jesus sagte zu ihnen: Wäret ihr Kinder Abrahams, würdet ihr
auch Abrahams Werke tun“ (Joh 8,39).
Im
geistigen Sinn war der Vater der Pharisäer der Teufel, nicht Abraham, denn der
Erlöser sagte ihnen: „Ihr habt den Teufel
zum Vater und wollt die Gelüste eures Vaters tun“ (Joh 8,44). Nachdem die
Juden den verheißenen Erlöser verkannt hatten, hörten sie auf, „Kinder
Abrahams“ im geistigen Sinne zu sein, denn sie bestritten den eigentlichen
Zweck der Verheißung, die Gott dem Patriarchen gegeben hatte, nämlich das
Kommen des Messias, unseres Herrn Jesus Christus.
Christen, sind die wahren Kinder
Abrahams
Der
heilige Paulus lehrt, dass diejenigen, die an Christus glauben, die wahren
Kinder Abrahams sind. Er schreibt an die Galater:
„So sollte zu den Heiden der Segen
Abrahams kommen, in Christus Jesus […]. Nun sind aber die Verheißungen dem
Abraham und seinem Samen zugesagt worden. Es heißt nicht: und den Samen, als ob es sich um eine
Mehrzahl handelte, sondern im Hinblick auf einen einzigen: und deinem Samen, das ist Christus“ (Gal 3, 14-16).
Der
große Exeget Cornelius a Lápide kommentiert diese Passage:
„Die Verheißung des Geistes. Für die
Kinder Abrahams, d.h. für diejenigen, die an Christus glauben, erhielten
Abrahams Nachkommen die Verheißung des Heiligen Geistes, uns zu rechtfertigen
und zu heiligen. Denn als Gott zu Abraham sagte: „Zu dir“, wurde seinem Samen,
der Christus ist, der Segen verliehen.“
[7]
Interreligiöser Dialog und Verwirrung
Anstatt
die Orthodoxie des Glaubens zu verteidigen, die Treue der Katholiken zu stärken
und damit die Bekehrung der Ungläubigen zu erreichen, geht es Papst Franziskus
nur darum, mit ihnen „in Dialog zu treten“. Das Ergebnis ist, dass weder die
Ungläubigen bekehrt noch die Katholiken im Glauben gestärkt werden.
Die
Verwirrung nimmt ständig zu und mit ihr der Abfall vom Glauben, da der Höchste
Hirte der Kirche es versäumt hat, die bereits Getauften im Glauben zu stärken
(siehe Lukas 22, 32). Wie Abraham müssen wir absolutes Vertrauen in Gott haben
und auf sein Eingreifen heute warten, wie auf den Engel, den er im Alten
Testament gesandt hat, um Isaaks Opferung zu verhindern.
Lasst
uns zu Unserer Lieben Frau des Vertrauens beten, „Mater mea, fiducia mea“ (Mutter mein, mein Vertrauen), um uns in
diesen schrecklichen Zeiten zu helfen.
____________
Anmerkungen:
[1]
Apostolische Reise von Papst Franziskus in den Irak (5.-8. März 2021). Begegnung
mit den Vertretern der Regierung, der Zivilgesellschaft und mit dem
Diplomatischen Korps. Ansprache von Papst Franziskus im Präsidentenpalast in
Bagdad. Freitag, den 5. März 2021. http://www.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2021/march/documents/papa-francesco_20210305_iraq-autorita.html
[2]
Apostolische Reise von Papst Franziskus in den Irak (5.-8. März 2021).
Interreligiöse Begegnung. Ebene von Ur, Samstag, 6. März 2021.
http://www.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2021/march/documents/papa-francesco_20210306_iraq-incontro-interreligioso.html
[3]
Ebda.
[4]
S. Florence Ollivry-Duamirieh, „50 ans après Vatican II: La contribution de
Louis Massignon au renouvellement du regard porté par l’Église sur l’islam,” Théologiques
22, no. 1 (2014): 189–217, https://www.erudit.org/fr/revues/theologi/2014-v22-n1-theologi02072/1033101ar.pdf;
S. auch Luiz Sérgio Solimeo, „Islam and the Suicide of the West“ (Spring Grove,
Penn.: The American Society for the Defense of Tradition, Family, and Property,
2018).
[5] René Dagorn, La geste
d’Ismael d’après l’onommastique et la tradition arabes (Genebra: Librairie
Droz, 1981), 377.
[6] Antoine Moussali, C.M., „La
Croix et le croissant: Le Christianisme face à l’Islam“ (Versailles: Editions
de Paris, 1998), 55.
[7] François Jourdan, C.M.J., Dieu
des Chrétiens, Dieu des Musulmans: Des repères pour comprendre (Paris: Éditions
de L’Oeuvre, 2008)
[8] The Great Commentary of
Cornelius A Lapide, translated and edited by W. F. Cobb (Edimburg: John Grant,
1908), 275.
Aus
dem Portugiesischen mit Hilfe von Google-Übersetzer in ABIM SP – Brasilien vom 7.
April
2021: “As ‘religiões abraâmicas’ do Papa Francisco”
https://www.abim.inf.br/as-religioes-abraamicas-do-papa-francisco/
©
Nachdruck oder Veröffentlichung ist mit Quellenangabe dieses Blogs gestattet.
Diese
deutsche Fassung von »Die
„abrahamitischen Religionen” von Papst Franziskus« erschien erstmals in www.r-gr.blogspot.com
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