JUNGE
FREIHEIT 28. April 2015
Deutsche
Bischofskonferenz:
Dokument eines
kolossalen Scheiterns
Von Mathias von
Gersdorff
Zur Vorbereitung der Familiensynode im Vatikan
im Oktober 2015 sollten die Bistümer auf der ganzen Welt die Gläubigen zu den
Themen Ehe und Familie befragen. Nun hat auch die Deutsche Bischofskonferenz
die Antworten ausgewertet und in einem Dokument mit dem Namen „Die Berufung und
Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute“ zusammengefasst. Dieses
Schreiben wurde nach Rom geschickt und ist sozusagen die Zustandsbeschreibung
der deutschen Katholiken in bezug auf Ehe und Familie. Auf der Basis dieser
Stellungnahmen soll die Synode im Herbst pastorale Perspektiven ausarbeiten.
Was Deutschland anbelangt, zeigt die
Stellungnahme der Deutschen Bischofskonferenz einen desolaten Zustand. Falls
die Stellungnahme tatsächlich die hiesige Realität wiedergibt, so hat die
Kirche keinerlei Einfluss auf die Ansichten ihrer Gläubigen hinsichtlich Ehe,
Familie und Sexualmoral. Was Scheidung, Patchwork-Familien, Verhütung und
homosexuelle Partnerschaften angeht, haben die Gläubigen laut der Stellungnahme
der deutschen Bischöfe vollständig die Ansichten übernommen, wie sie
Zeitschriften wie Bravo, Spielfilme, Soap Operas oder Bündnis 90/Die Grünen
verbreiten. Mit anderen Worten: Laut der deutschen Bischofskonferenz hat die
sexuelle Revolution in Deutschland ganze Arbeit geleistet. Die katholischen Bischöfe
haben keinerlei Einfluss darauf, was die Gläubigen über Ehe und Sexualität
denken.
Insofern ist das Dokument der Deutschen
Bischofskonferenz das Eingeständnis eines kolossalen Scheiterns des deutschen
Episkopats, in diesem Land den katholischen Glauben und das katholische Lehramt
zu verteidigen. Die deutsche Delegation für die Synode, bestehend aus Reinhard
Kardinal Marx (München-Freising) und den Bischöfen Franz-Josef Bode (Osnabrück)
und Heiner Koch (Dresden-Meißen), müsste kniend und mit Asche auf dem Haupt vor
der versammelten Synode herantreten und um Vergebung für ihr Scheitern bitten.
Was habt
ihr mit dem euch anvertrauten Glaubensgut gemacht?
Bischöfe aus armen Bistümern aus dem Inneren
Boliviens oder Nigerias würden ihnen etwa folgende Fragen stellen: Wie kann es
sein, dass eine so reiche Kirche so wenig Geld ausgegeben hat, um den Gläubigen
die wahre katholische Lehre über Ehe und Sexualität zu vermitteln? Warum sind
die Inhalte der Lehrschreiben der Päpste Benedikt XVI., Johannes Paul II.
(Familiaris consortio) und Paul VI. (Humanae vitae) in Deutschland so unbekannt
oder werden nicht ernst genommen?
Warum wurde „Humanae vitae“ durch die
Königsteiner Erklärung der deutschen Bischöfe in Frage gestellt? Wie viel Geld
hat die reiche katholische Kirche in Deutschland ausgegeben, um die negativen
Einflüsse von Fernsehen, Internet und sonstigen Medien auf die Menschen zu
bekämpfen? Welche katechetischen Gegenmaßnahmen wurden getroffen, um die
katholische Lehre wach zu halten?
Es könnten noch ungemütlichere Fragen gestellt
werden. Denn das katholische Verständnis von Ehe und Sexualität ist eng mit der
katholischen Christologie verbunden. Wenn tatsächlich kaum noch Deutsche die
katholische Ehe- und Sexualmoral teilen, muß man sich fragen, inwiefern sie
noch an den Kernpunkten des katholischen Glaubens festhalten, wie etwa an der
Gottheit Christi, seinem Heilswirken als Sühneopfer und Erlöser, an der
Auferstehung usw.
Angesichts dieser Katastrophe reibt man sich die
Augen, wenn deutsche Bischöfe den traurigen Mut haben, Forderungen an die
Synode zu stellen. Die Lehre müsse „weiterentwickelt“ werden; man solle
„Wertschätzung“ gegenüber außerehelichen und homosexuellen Beziehungen zeigen
und dergleichen mehr. Welche Erfolge möchte die deutsche Delegation eigentlich
vorweisen, um sich die Autorität zuzuschreiben, solche Forderungen zu stellen?
Statistisch
wertlose Befragungsergebnisse
Kaum verwunderlich, dass in vielen Ländern die
Katholiken über Deutschland nur noch den Kopf schütteln. Selbst Daniel Deckers,
in der FAZ zuständig für die katholische Kirche und sicherlich alles
andere als konservativ, schrieb am 21. April: „Unter dem Eindruck der
Rückmeldungen bekräftigen (die deutschen Bischöfe) nun ihre Anregung aus dem
vergangenen Jahr, wiederverheiratet Geschiedene unter bestimmten Bedingungen zu
den Sakramenten der Buße und der Eucharistie zuzulassen. Bislang ist die
Deutsche Bischofskonferenz die einzige weltweit, die diesen Standpunkt
vertritt.“
Man fragt sich in der Tat, was die
Bischofskonferenz mit der Stellungnahme „Die Berufung und Sendung der Familie
in Kirche und Welt von heute“ überhaupt beabsichtigt. Aus dem Bistum Essen
kamen 14 Einzelantworten auf den Fragebogen (von etwa 850.000 Seelen
insgesamt). Aus Mainz ganze 21 (von etwa 740.000). Aus Magdeburg kamen 18 (von
etwa 86.000). Man muß nicht Statistik studiert haben, um zu wissen, dass eine
solche Befragung nichts wert ist.
Das hätte die Deutsche Bischofskonferenz auch
dem Vatikan mitteilen sollen: „Leider war es nicht möglich, zu erfahren, was
die Gläubigen über Ehe und Familie denken, denn sie nahmen an der Befragung
nicht teil.“ Doch stattdessen wurde ein Dokument redigiert, das die Schleifung
der katholischen Lehre über die Ehe und die Sexualität empfiehlt.
Warten wir ab, was nun Kardinal Marx und andere
bis zur Familiensynode von sich geben. Der deutsche Kardinal Walter Brandmüller
hat jedenfalls schon klargestellt: „Wer das Dogma ändern will, ist ein
Häretiker – auch wenn er Purpur trägt.“
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Über Mathias von Gersdorff
Diplom-Volkswirt (Bonn) und katholischer
Publizist, geboren 1964 in Santiago de Chile. Seit 1990 in der Lebensrechtsbewegung
aktiv. Er leitet die Aktion „Kinder in Gefahr“ der „Deutschen Vereinigung für
eine christliche Kultur“ (DVCK) und schrieb mehrere Bücher zu Themen wie
Sexualisierung der Kindheit, Lebensrecht und Christenverfolgung.
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