Einleitung: Verbundenheit des Papstes und der Päpste mit dem römischen Adel.
1. Körperliches und geistiges Erbe.
2. Soziale Verpflichtung des Erbes.
3. Erbadel der Wohltätigkeit und Tugend.
Schluss: Friedenssehnsucht, Neujahrswünsche.
Einleitung: Verbundenheit des Papstes und der Päpste mit dem Adel von Rom.
Es ist eine Tatsache, dass, wenn Christus, unser Herr, es zum Trost der Armen auch vorzog, bettelarm auf die Welt zu kommen und in einer einfachen Arbeiterfamilie aufzuwachsen, er dennoch mit seiner Geburt das adeligste und berühmteste Haus Israels, die Familie Davids selbst, ehren wollte.
Darum hielten
die Päpste, treu dem Geiste jenes, dessen Statthalter sie sind, das Patriziat
und den Adel von Rom stets in hoher Achtung, dessen unwandelbare
Anhänglichkeitsgefühle an diesen Apostolischen Stuhl den kostbaren Erbteil
bilden, den sie von ihren Ahnen erhielten und den sie selbst wiederum ihren
Kindern weitergeben werden.
Körperliches und
geistiges Erbe
Die wahre Natur
dieser großen und geheimnisvollen Sache, die das Vererben, ist, - das heißt das
von Geschlecht zu Geschlecht ununterbrochene Weiterreichen eines reichen
Schatzes materieller und geistiger Güter innerhalb einer Sippe, die
gleichbleibende Wiederkehr desselben körperlichen und sittlichen Typus des
Vaters im Sohn, die Tradition, die durch Jahrhunderte hindurch die Glieder
derselben Familie zur Einheit verbindet -, die wahre Natur des Vererbens kann
man, möchten War sagen, ohne Zweifel mit materialistischen Theorien entstellen.
Aber man kann und muss eine derartige Wirklichkeit von so großer Bedeutung auch
in ,ihrem vollen natürlichen und übernatürlichen Wahrheitsgehalt betrachten.
Man wird gewiss
die Tatsache eines materiellen Bestandteils bei der Weitergabe der erblichen
Eigenschaften nicht leugnen. Wollte man sich darüber wundern, so müsste man die
innige Verbindung unserer Seele mit unserem Körper vergessen, und in welch
großem Ausmaß selbst unsere geistigsten Tätigkeiten von unserer körperlichen
Veranlagung abhängig sind. Darum unterlässt es die christliche Sittenlehre
nicht, die Eltern an die schwere Verantwortung zu erinnern, die ihnen in dieser
Hinsicht obliegt.
Von größerer
Bedeutung ist jedoch das geistige Erbe, das nicht so sehr durch jene
geheimnisvollen Bande der materiellen Zeugung weitergegeben wird, als vielmehr
durch die beständige Wirksamkeit jenes bevorzugten Milieus, welches die Familie
darstellt, mit der langsamen und tiefgehenden Bildung der Herzen in der
Atmosphäre einer Häuslichkeit, die reich ist an hohen geistigen und sittlichen
und vor allem christlichen Traditionen, zusammen mit der gegenseitigen
Beeinflussung zwischen denen, die im selben
Hause wohnen,
einer Beeinflussung, deren wohltuende Wirkungen weit über die Jahre der
Kindheit und Jugend bis ans Ende eines langen Lebens in jenen auserlesenen
Seelen hinausreichen, die es verstehen, in sich selbst die Schätze eines
kostbaren Erbes mit dem Beitrag ihrer persönlichen Qualität und Erfahrung zu verschmelzen.
Solcher Art ist
das Erbe, kostbarer als jedes andere, das, von einem starken Glauben erleuchtet
und von einer tatkräftigen und treuen Praxis des christlichen Lebens in allen
seinen Erfordernissen belebt, die Seelen Eurer Kinder emporhebt, verfeinert und
reich macht.
Soziale Verpflichtung
des Erbes
Wie jedoch jedes
reiche Erbe, so bringt auch dieses strenge Pflichten mit sich, und um so
strengere, je reicher es ist. Vor allen Dingen zwei:
1. die Pflicht,
dergleichen Schätze nicht zu vergeuden, sie unversehrt, ja womöglich noch aufgebessert
denen weiterzugeben, die nach Euch kommen, und darum der Versuchung zu
widerstehen, in ihnen nichts anderes zu sehen als das Mittel zu einem
bequemeren, vergnügteren, verfeinerteren und raffinierteren Leben;
2. die Pflicht,
jene Güter nicht für Euch allein in Anspruch zu nehmen, sondern großzügig die
von der Vorsehung weniger Begünstigten daraus Nutzen ziehen zu lassen.
Erbadel der Wohltätigkeit
und Tugend
Auch der Adel
der Wohltätigkeit und der Tugend, geliebte Söhne und Töchter, wurde von Euren
Vorfahren erworben, und seine Zeugen sind die Gebäude und Häuser, die
Fremdenheime, die Asyle und die Spitäler Roms, wo ihre Namen und die Erinnerung
an sie von ihrer vorsorglichen und wachsamen Güte für die Unglücklichen und Armen
sprechen. Wir wissen wohl, dass dieser Ruhm und Wetteifer im Patriziat und Adel
von Rom nicht geringer geworden ist, soweit es das Vermögen jedes einzelnen
zuläßt. In der gegenwärtigen leidvollen Zeit jedoch, wo der Himmel durch
bewachte unheildrohende Nachte in Unruhe geraten ist, spürt Euer Geist, während
er in vornehmer Weise einen Ernst, Wir möchten sogar sagen eine Strenge des Leben
beobachtet, die allen Leichtsinn und ausgelassene Vergnügung ablehnt, die für jedes
edle Herz mit dem Anblick so großen Leides unvereinbar sind, noch mehr den
lebenskräftigen Antrieb der tätigen Liebe, der Euch anspornt, die bereits vor Euch errungenen Verdienste
durch Linderung des Elend und der menschlichen Armut noch zu steigern und zu
mehren. Wie viele Gelegenheiten bietet Euch dazu das neue Jahr, das neue
Erprobungen und Ereignisse mit sich bringt, wo Ihr das Gute tun könnt, und zwar
nicht allein innerhalb der vier Wände zu Hause, sondern auch draußen! Wie viel neue
Betätigungsfelder für Hilfe und Unterstützung! Wie viel verborgene Tränen
müssen getrocknet werden! Wie viel Schmerzen warten auf Linderung! Wie viel leibliche
und seelische Ängste, die es zu vertreiben gilt!
Schluss: Friedenssehnsucht,
Neujahrswünsche
Wie sich der
Lauf des eben begonnenen Jahres gestalten wird, ist Geheimnis und Ratschluss
des weisen und vorsehenden Gottes, der den Weg seiner Kirche und des
Menschengeschlechts zu jenem Ziele lenkt und leitet, wo seine Barmherzigkeit
und seine Gerechtigkeit triumphieren. Aber Unsere Sehnsucht, Unser Gebet, Unser
Wunsch hat den gerechten und dauerhaften Frieden und die geordnete Ruhe der
Welt .im Auge; den Frieden, der alle Völker und Nationen erfreut; den Frieden,
der auf allen Gesichtern Frohlocken weckt und in den Herzen den Hymnus höchster
Lobpreisung und Dankbarkeit für den Friedensgott, den wir in der Krippe von
Bethlehem anbeten.
In diesem
Unserem Wunsch, geliebte Söhne und Töchter, liegt auch die Bedeutung eines
ruhigen und glücklichen (2) Jahres für Euch alle, deren willkommene Gegenwart
Uns den Anblick jeden menschlichen Alters bietet, das unter dem Schutz Gottes
auf dem Pfad des Lebens voranschreitet und die persönlichen und
Gemeinschaftstugenden zum besten Lob der Ahnen werden läßt. Den Älteren, den
Hütern der edlen Familientraditionen und Leuchten weisheitsvoller Erfahrung für
die Jüngeren; den Vätern und Müttern, den Lehrern und Tugendvorbildern für
Söhne und Töchter; der Jugend, die rein, gesund und arbeitsam heranwächst in
der heiligen Furcht Gottes, der Hoffnung der Familie und des teuren Vaterlandes;
den Kleinen, die in den kindlichen Beschäftigungen und Spielen von ihren
Zukunftsplänen träumen; Euch allen, die Ihr Euch freut und teilhabt an der
Gemeinschaft und Freude der Familie, entbieten Wir einen väterlichen und
lebhaft empfundenen Glückwunsch, der dem Verlangen eines jeden und einer jeden
von Euch entspricht, eingedenk, daß von Gott all unsere Sehnsüchte stets
geprüft und gewogen werden auf der Waage unseres höheren Wohles, auf der das,
was wir selber begehren, oft weniger wiegt als das, was er von sich aus uns
gewährt.
Dies ist das
Gebet, das Wir für Euch zum Herrn erheben an diesem Jahresbeginn, hinter dessen
undurchdringlichen Schleiern die erhabene Vorsehung regiert, lenkt und wirkt,
die mit Liebe im Universum und in der Welt der menschlichen Ereignisse
gebietet, indem Wir den Überfluss der himmlischen Gnade auf Euch herabrufen,
während Wir im Vertrauen auf die unendliche Güte Gottes allen und jedem
einzelnen von Euch, Euern Lieben und allen, derer Ihr liebend gedenkt, Unsern
väterlichen Apostolischen Segen erteilen.
---------
(1) Ansprache an das Patriziat und den Adel Roms: 5. Januar
1941. Original italienische.
(2) anno non fortunoso, ma fortunato.
Quelle: „Ansprachen Pius’ XII. an den römischen Adel”
Herausgegeben vom Rhein.-Westf. Verein katholischer Edelleute. 1957
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen