Donnerstag, 23. März 2023

Das geistige Erbe einer guten Familientradition (1)

Einleitung: Verbundenheit des Papstes und der Päpste mit dem römischen Adel.

1. Körperliches und geistiges Erbe.

2. Soziale Verpflichtung des Erbes.

3. Erbadel der Wohltätigkeit und Tugend.

Schluss: Friedenssehnsucht, Neujahrswünsche.

 

Einleitung: Verbundenheit des Papstes und der Päpste mit dem Adel von Rom.

    Eine Quelle herzlicher und väterlicher Freude ist Uns, geliebte Söhne und Töchter, Eure willkommene, zu Beginn des neuen Jahres um Uns versammelte Schar, eines Jahres, das ob der beängstigenden Ausblicke nicht weniger bedrückend ist als das soeben verflossene. Ihr seid zusammengekommen, um und kindliche Glückwünsche darzubringen durch den Mund Eures hochverehrten Sprechers, dessen ergebene und erhabene Worte Eurer einmütigen und gleichgesinnten Anwesenheit eine für Uns besonders liebe Wertschätzung und Herzlichkeit verleihen. Im Patriziat und Adel von Rom erblicken und verehren Wir eine Anzahl von Söhnen und Töchtern, deren Ruhm und Anhänglichkeit und ererbte Treue gegenüber der Kirche und dem Römischen Papst, deren Liebe zum Statthalter Christi aus dem tiefen Grund des Glaubens hervorbricht und im Verlauf der Jahre und im Wechselspiel der Zeiten und Menschen nicht schwächer wird. In Eurer Mitte fühlen Wir Uns noch mehr als Römer wegen der Lebensgewohnheiten, der Luft, die Wir eingeatmet haben und einatmen, wegen des gleichen Himmels, wegen derselben Sonne, wegen derselben Ufer des Tiber, an denen Unsere Wiege stand, wegen jener heiligen Erde bis hinein in seine verborgensten Winkel, aus denen Rom für seine Söhne die Verheißungen einer Ewigkeit schöpft, die bis an den Himmel reicht.

    Es ist eine Tatsache, dass, wenn Christus, unser Herr, es zum Trost der Armen auch vorzog, bettelarm auf die Welt zu kommen und in einer einfachen Arbeiterfamilie aufzuwachsen, er dennoch mit seiner Geburt das adeligste und berühmteste Haus Israels, die Familie Davids selbst, ehren wollte.

    Darum hielten die Päpste, treu dem Geiste jenes, dessen Statthalter sie sind, das Patriziat und den Adel von Rom stets in hoher Achtung, dessen unwandelbare Anhänglichkeitsgefühle an diesen Apostolischen Stuhl den kostbaren Erbteil bilden, den sie von ihren Ahnen erhielten und den sie selbst wiederum ihren Kindern weitergeben werden.

Körperliches und geistiges Erbe

    Die wahre Natur dieser großen und geheimnisvollen Sache, die das Vererben, ist, - das heißt das von Geschlecht zu Geschlecht ununterbrochene Weiterreichen eines reichen Schatzes materieller und geistiger Güter innerhalb einer Sippe, die gleichbleibende Wiederkehr desselben körperlichen und sittlichen Typus des Vaters im Sohn, die Tradition, die durch Jahrhunderte hindurch die Glieder derselben Familie zur Einheit verbindet -, die wahre Natur des Vererbens kann man, möchten War sagen, ohne Zweifel mit materialistischen Theorien entstellen. Aber man kann und muss eine derartige Wirklichkeit von so großer Bedeutung auch in ,ihrem vollen natürlichen und übernatürlichen Wahrheitsgehalt betrachten.

    Man wird gewiss die Tatsache eines materiellen Bestandteils bei der Weitergabe der erblichen Eigenschaften nicht leugnen. Wollte man sich darüber wundern, so müsste man die innige Verbindung unserer Seele mit unserem Körper vergessen, und in welch großem Ausmaß selbst unsere geistigsten Tätigkeiten von unserer körperlichen Veranlagung abhängig sind. Darum unterlässt es die christliche Sittenlehre nicht, die Eltern an die schwere Verantwortung zu erinnern, die ihnen in dieser Hinsicht obliegt.

    Von größerer Bedeutung ist jedoch das geistige Erbe, das nicht so sehr durch jene geheimnisvollen Bande der materiellen Zeugung weitergegeben wird, als vielmehr durch die beständige Wirksamkeit jenes bevorzugten Milieus, welches die Familie darstellt, mit der langsamen und tiefgehenden Bildung der Herzen in der Atmosphäre einer Häuslichkeit, die reich ist an hohen geistigen und sittlichen und vor allem christlichen Traditionen, zusammen mit der gegenseitigen Beeinflussung zwischen denen, die im selben

    Hause wohnen, einer Beeinflussung, deren wohltuende Wirkungen weit über die Jahre der Kindheit und Jugend bis ans Ende eines langen Lebens in jenen auserlesenen Seelen hinausreichen, die es verstehen, in sich selbst die Schätze eines kostbaren Erbes mit dem Beitrag ihrer persönlichen Qualität und Erfahrung zu verschmelzen.

    Solcher Art ist das Erbe, kostbarer als jedes andere, das, von einem starken Glauben erleuchtet und von einer tatkräftigen und treuen Praxis des christlichen Lebens in allen seinen Erfordernissen belebt, die Seelen Eurer Kinder emporhebt, verfeinert und reich macht.

Soziale Verpflichtung des Erbes

    Wie jedoch jedes reiche Erbe, so bringt auch dieses strenge Pflichten mit sich, und um so strengere, je reicher es ist. Vor allen Dingen zwei:

    1. die Pflicht, dergleichen Schätze nicht zu vergeuden, sie unversehrt, ja womöglich noch aufgebessert denen weiterzugeben, die nach Euch kommen, und darum der Versuchung zu widerstehen, in ihnen nichts anderes zu sehen als das Mittel zu einem bequemeren, vergnügteren, verfeinerteren und raffinierteren Leben;

    2. die Pflicht, jene Güter nicht für Euch allein in Anspruch zu nehmen, sondern großzügig die von der Vorsehung weniger Begünstigten daraus Nutzen ziehen zu lassen.

Erbadel der Wohltätigkeit und Tugend

    Auch der Adel der Wohltätigkeit und der Tugend, geliebte Söhne und Töchter, wurde von Euren Vorfahren erworben, und seine Zeugen sind die Gebäude und Häuser, die Fremdenheime, die Asyle und die Spitäler Roms, wo ihre Namen und die Erinnerung an sie von ihrer vorsorglichen und wachsamen Güte für die Unglücklichen und Armen sprechen. Wir wissen wohl, dass dieser Ruhm und Wetteifer im Patriziat und Adel von Rom nicht geringer geworden ist, soweit es das Vermögen jedes einzelnen zuläßt. In der gegenwärtigen leidvollen Zeit jedoch, wo der Himmel durch bewachte unheildrohende Nachte in Unruhe geraten ist, spürt Euer Geist, während er in vornehmer Weise einen Ernst, Wir möchten sogar sagen eine Strenge des Leben beobachtet, die allen Leichtsinn und ausgelassene Vergnügung ablehnt, die für jedes edle Herz mit dem Anblick so großen Leides unvereinbar sind, noch mehr den lebenskräftigen Antrieb der tätigen Liebe, der Euch anspornt,  die bereits vor Euch errungenen Verdienste durch Linderung des Elend und der menschlichen Armut noch zu steigern und zu mehren. Wie viele Gelegenheiten bietet Euch dazu das neue Jahr, das neue Erprobungen und Ereignisse mit sich bringt, wo Ihr das Gute tun könnt, und zwar nicht allein innerhalb der vier Wände zu Hause, sondern auch draußen! Wie viel neue Betätigungsfelder für Hilfe und Unterstützung! Wie viel verborgene Tränen müssen getrocknet werden! Wie viel Schmerzen warten auf Linderung! Wie viel leibliche und seelische Ängste, die es zu vertreiben gilt!

Schluss: Friedenssehnsucht, Neujahrswünsche

    Wie sich der Lauf des eben begonnenen Jahres gestalten wird, ist Geheimnis und Ratschluss des weisen und vorsehenden Gottes, der den Weg seiner Kirche und des Menschengeschlechts zu jenem Ziele lenkt und leitet, wo seine Barmherzigkeit und seine Gerechtigkeit triumphieren. Aber Unsere Sehnsucht, Unser Gebet, Unser Wunsch hat den gerechten und dauerhaften Frieden und die geordnete Ruhe der Welt .im Auge; den Frieden, der alle Völker und Nationen erfreut; den Frieden, der auf allen Gesichtern Frohlocken weckt und in den Herzen den Hymnus höchster Lobpreisung und Dankbarkeit für den Friedensgott, den wir in der Krippe von Bethlehem anbeten.

    In diesem Unserem Wunsch, geliebte Söhne und Töchter, liegt auch die Bedeutung eines ruhigen und glücklichen (2) Jahres für Euch alle, deren willkommene Gegenwart Uns den Anblick jeden menschlichen Alters bietet, das unter dem Schutz Gottes auf dem Pfad des Lebens voranschreitet und die persönlichen und Gemeinschaftstugenden zum besten Lob der Ahnen werden läßt. Den Älteren, den Hütern der edlen Familientraditionen und Leuchten weisheitsvoller Erfahrung für die Jüngeren; den Vätern und Müttern, den Lehrern und Tugendvorbildern für Söhne und Töchter; der Jugend, die rein, gesund und arbeitsam heranwächst in der heiligen Furcht Gottes, der Hoffnung der Familie und des teuren Vaterlandes; den Kleinen, die in den kindlichen Beschäftigungen und Spielen von ihren Zukunftsplänen träumen; Euch allen, die Ihr Euch freut und teilhabt an der Gemeinschaft und Freude der Familie, entbieten Wir einen väterlichen und lebhaft empfundenen Glückwunsch, der dem Verlangen eines jeden und einer jeden von Euch entspricht, eingedenk, daß von Gott all unsere Sehnsüchte stets geprüft und gewogen werden auf der Waage unseres höheren Wohles, auf der das, was wir selber begehren, oft weniger wiegt als das, was er von sich aus uns gewährt.

    Dies ist das Gebet, das Wir für Euch zum Herrn erheben an diesem Jahresbeginn, hinter dessen undurchdringlichen Schleiern die erhabene Vorsehung regiert, lenkt und wirkt, die mit Liebe im Universum und in der Welt der menschlichen Ereignisse gebietet, indem Wir den Überfluss der himmlischen Gnade auf Euch herabrufen, während Wir im Vertrauen auf die unendliche Güte Gottes allen und jedem einzelnen von Euch, Euern Lieben und allen, derer Ihr liebend gedenkt, Unsern väterlichen Apostolischen Segen erteilen.

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(1) Ansprache an das Patriziat und den Adel Roms: 5. Januar 1941. Original italienische.

(2) anno non fortunoso, ma fortunato.

 

Quelle: „Ansprachen Pius’ XII. an den römischen Adel” Herausgegeben vom Rhein.-Westf. Verein katholischer Edelleute. 1957

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