Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Seit geraumer Zeit erheben Frauen und Frauenverbände, einige Theologen und
viele Journalisten die Forderung, die Kirche solle Frauen die Priesterweihe
spenden. Da scheint es mir angebracht, zu dieser Forderung Stellung zu
beziehen. In der Zeit des Alten Testamentes waren weibliche Priester weit
verbreitet. In vielen alten Religionen gab es Priesterinnen, nicht jedoch in
der Glaubenspraxis der Juden, die Gott als das Volk erwählt hatte, dem er sich
als erstes offenbaren wollte. Mitten in der Vielgötterwelt der alten Zeit
bestimmte Israel die Männer des Stammes Levi zu Priestern, nicht aber Frauen
wie in der sonstigen Umgebung. Die Juden denken noch heute so. Die Rabbinerin von
heute ist keine Priesterin. Dieses Verhalten des alten Bundesvolkes dürfte für
das neue Bundesvolk nicht unbeachtlich sein.
Der entscheidende Ausgangspunkt für die Beantwortung der Frage nach der Weihefähigkeit der Frau ist die Inkarnation des LOGOS, die Menschwerdung des Wortes Gottes. Sie ist in der Form des männlichen Geschlechtes erfolgt. Der Messias, Jesus von Nazareth, ist ein Mann. Damit ist von Gott eine Tatsache gesetzt, über die niemand hinweg kann. Er hat es nicht geoffenbart, warum es so sein musste, aber die Theologen haben sich Gedanken darüber gemacht. Sie legen folgende Erklärungen vor: Erstens: Dass der Sohn Gottes die menschliche Natur in ihrer männlichen Ausprägung angenommen hat, ist begründet im Werk Christi. Der menschgewordene Gottessohn sollte die ihm vom Vater übertragene Aufgabe in der Öffentlichkeit der Erde für die ganze Welt vollbringen. Die Öffentlichkeit ist aber hauptsächlich der Wirkraum des Mannes; die Frau wirkt mehr im Verborgenen. Der innere Grund, dass nur männlichen Getauften die Weihe gespendet wird, ist danach nicht in der natürlichen Unfähigkeit der Frau für den priesterlichen Dienst begründet, sondern in der dem Wesen des Mannes mehr entsprechenden Aufgabe des Priestertums. Nun wirft man heute ein, dass die Frau jetzt in der Gesellschaft in alle früher dem Manne vorbehaltenen Stellen eingerückt ist. Dazu ist zu sagen: Die gesellschaftliche Entwicklung ist nicht normativ für die Kirche. Sie ist eine Gesellschaft anderer Art wie die übrigen. Bei ihr sind Autorität und Vollmacht ganz anderer Natur, normalerweise mit dem Sakrament verbunden. Außerdem ist zu fragen – und ich hoffe, dass Sie mir Recht geben –, ob die heutige Praxis für die Frau, die Familie und das Volk in jeder Hinsicht gedeihlich ist. Es könnte sein, dass Mutterschaft und Mutterwürde unter dem Gleichstellungsbetrieb Schaden genommen haben. Das gleiche gilt für die gottgeweihte Jungfräulichkeit. Niemand kann ausschließen, dass sich die heutige Praxis wieder eines Tages ändert. Außerdem ist die Kirche eine Gesellschaft, die von allen anderen Gesellschaften verschieden ist. Sie ist einzigartig in ihrer Natur und ihren Strukturen. Es ist ebenso ausgeschlossen, den Zugang der Frau zum Priestertum aufgrund der Gleichheit der Rechte der menschlichen Person zu fordern. Zwischen Mann und Frau besteht insofern kein Unterschied, als alle zur Gotteskindschaft berufen sind, aber nicht zum Amt. Das Priestertum gehört nicht zu den Rechten der menschlichen Person. Es leitet sich aus der Ökonomie des Geheimnisses Christi und der Kirche her. Die Sendung des Priesters ist keine Funktion, die man zur Erhebung seiner sozialen Stellung erlangen könnte, sie gehört einer anderen Ordnung an. Die Natur des Priestertums wird völlig missverstanden, wenn man es als ein Recht betrachtet. Die Taufe verleiht kein persönliches Anrecht auf ein öffentliches Amt in der Kirche. Dieses ist die Frucht einer gnadenhaften, ausdrücklichen und gänzlich unverdienten Berufung. Es kann nicht wie ein Recht eingefordert werden, auch nicht vom Mann.
Zweitens liegt in dem Mannescharakter des LOGOS ein Hinweis auf die Art der
Sendung Christi, nämlich der Welt das verlorene Leben wiederzubringen. Leben zu
zeugen ist Mannessache. In diesem natürlichen Sachverhalt liegt eine
Entsprechung dafür, dass der Sohn Gottes den Menschen das göttliche Leben in
seiner Fülle einzeugt. So bedeutet nun auch beim Priester sein Charakter als
Mann einen natürlichen Hinweis auf seine Sendung, in der Öffentlichkeit der
Welt die Botschaft vom Reiche zu verkündigen und die Sakramente zu spenden und
so das göttliche Leben zu vermitteln. Sache der Frau ist es mehr, das Leben
aufzunehmen und zu hegen. Wenn es heute anders zu sein scheint, so ist das eben
eine Verirrung, über die wir uns beklagen.
Drittens: Die Heilige Schrift bietet Ansätze für das Verständnis des
Vorbehaltes der Priesterweihe für die Angehörigen des männlichen Geschlechtes.
Christus hat sich selbst als Bräutigam bezeichnet. Die Jünger können nicht
fasten, solange der Bräutigam bei ihnen ist, hat er gesagt. Johannes der Täufer
sagt ebenso von Jesus: „Wer die Braut hat, der ist der Bräutigam.“ Er selbst
nennt sich den Freund des Bräutigams. Wenn Christus der Bräutigam ist, dann ist
seine Gemeinde, dann ist die Kirche seine Braut. In diesem Sinne schreibt der
Apostel Paulus an die Gemeinde in Korinth: „Ich habe euch einem einzigen Manne
anverlobt, um euch als treue Jungfrau hinzuführen zu Christus.“ Christus ist
der Bräutigam, die Kirche ist seine Braut, die er durch sein Blut erworben hat.
Indem sich die Offenbarung dieser Ausdrucksweise bedient, deutet sie an, warum
die Menschwerdung in Form des männlichen Geschlechtes erfolgt ist, und
verhindert, dass man von dieser historischen Tatsache absehen könnte. Aus
diesem Grunde kann nur ein Mann Christi Stelle einnehmen, Zeichen seiner
Gegenwart sein.
Viertens: Die gläubige Überlegung muss davon ausgehen, dass der Priester in
besonderer Weise Werkzeug Christi ist. Es ist naheliegend, dass jener Getaufte,
der Christus in besonderer Weise als Werkzeug seines Heilswirkens dient, auch
an seiner natürlichen Eigenart Anteil hat. Die Kirche legt bei allen
Sakramenten hohes Gewicht auf die Gleichheit und die Bedeutung des Zeichens.
Für die Gültigkeit der Eucharistie verlangt sie die Frucht des Weinstocks und
erlaubt auch in Notfällen kein anderes Getränk. Für die Taufe erkennt sie nur
Wasser und keine andere Flüssigkeit als Materie für die gültige Taufspendung
an. Für die Eheschließung kommen nur ein Mann und eine Frau, nicht zwei Männer
oder zwei Frauen in Frage. Die sakramentalen Zeichen repräsentieren das, was
sie bezeichnen, durch ihre natürliche Ähnlichkeit. Warum nimmt die Kirche
Wasser zur Taufe? Weil das Wasser zur Reinigung dient, und die Taufe bewirkt
eine übernatürliche Reinigung. Warum bedient sich die Kirche bei der Eucharistie
des Brotes und des Weines? Weil das Nahrungsmittel sind, und weil die
Eucharistie eine übernatürliche Nahrung ist. Und so muss auch bei der Weihe
wegen der natürlichen Ähnlichkeit ein Mann die Stelle Christi vertreten. Der
eigentliche Grund, warum es angemessen ist, dass die Apostel und ihre
Nachfolger Männer sind, ist darin gelegen, dass sie im Namen Christi handeln
und sein Werk fortsetzen. Der Priester handelt nicht in eigener Person, er ist
ein Werkzeug, er repräsentiert Christus, der durch ihn handelt. Der Priester,
der allein die Vollmacht hat, die Eucharistiefeier zu vollziehen, handelt in
der Person Christi, d.h. an Christi Statt, er nimmt die Stelle Christi ein und
wird sein Abbild. In allen Handlungen, die den Weihecharakter erfordern, ist
der Priester das Abbild und Zeichen Christi selbst, der zusammenruft, der von
Sünden losspricht, der das Opfer des Bundes vollzieht.
Fünftens: Ein weiteres Argument für das dem Mann vorbehaltene Amt des Priesters
ist die lückenlose Überlieferung. Christus hat in seinem Leben eine zahlreiche
Gefolgschaft gehabt, Männer und Frauen. Er hat in die Gruppe der zwölf von ihm
erwählten Apostel keine Frauen einbezogen, auch nicht seine eigene Mutter.
Seine Apostel waren allesamt Männer. Sie selbst haben nicht die Entscheidung
getroffen, Frauen zu Priestern zu weihen. In der Frage des Priestertums richtet
sich die Kirche nach dem Vorbild Jesu. Der letzte Abend seines irdischen Lebens
diente der Einsetzung einer Feier, die wir Eucharistie nennen. Diese Feier wird
ausdrücklich den Zwölfen aufgetragen. Das Verhalten Jesu und seiner Apostel
erklärt sich nicht aus den Zeit- und Umweltverhältnissen. Weder
Opportunitätsgründe noch soziologisch-kulturelle Bedingungen haben sie
gezwungen oder veranlasst, Frauen nicht zum Dienst anzunehmen. In der Umwelt
des jungen Christentums hatten mehrere heidnische Kulte Priesterinnen. Jesus
hätte sich ihnen anpassen und dadurch vielleicht Sympathien gewinnen können.
Die Behauptung, die Vorurteile seiner Zeit hätten Jesus abgehalten, Frauen in die
Gruppe der Zwölf aufzunehmen, ist unhaltbar. Eine derartige Haltung passt nicht
zu Jesus. Jesus schreckte vor Unklugheiten nicht zurück, wenn es ihm
erforderlich schien. Man denke an sein Verhalten gegenüber dem Sabbatgebot.
Christus hat mit vielen Vorurteilen gebrochen. Er setzte sich über seine Zeit
hinweg, wenn es ihm notwendig schien. Die behauptete Zeitabhängigkeit Jesu
liegt nicht vor. Sie deckt sich in keiner Weise mit seinem sonstigen
herausfordernden Verhalten gerade gegenüber Frauen: Er zieht mit ihnen umher;
er lässt sich berühren von ihnen und salben; er tröstet sie; er beruft sie zu
Zeuginnen seiner Kreuzigung und seines leeren Grabes. Er setzt sich über seine
Zeit hinweg. Die Kirchenväter stellen seit dem 3. Jahrhundert Maria als ein
Beispiel für den Willen Christi in der Frage der Weihefähigkeit der Frau dar.
Christus hat seine Mutter nicht mit dem apostolischen Amt betraut. Als die
Apostel ihr Kollegium ergänzten, beriefen sie nicht Maria, sondern Matthias.
Maria hat nie priesterliche Macht für sich gefordert. Der wörtliche Rat aus
ihrem Munde lautete: „Tut, was er euch sagt.“ Die kirchliche Überlieferung
steht seit zweitausend Jahren unverbrüchlich zu der ausschließlichen
Weihefähigkeit von Personen des männlichen Geschlechtes. Niemals ist die Kirche
der Auffassung gewesen, dass Frauen gültig die Priesterweihe empfangen können.
Die Überlieferung der Kirche ist eindeutig und einmütig, sie ist auch
verbindlich. Die Kirche hat zweitausend Jahre lang gleichsam unter einem Zwang
gestanden, nämlich unter der Leitung des Heiligen Geistes. Unter diesem
Einfluss hat sie so gehandelt, wie sie gehandelt hat, dass sie immer nur Männer
zu Priestern geweiht hat.
Die Einschränkung der Weihe auf den Mann ist nicht aus der Herrschsucht
geboren, sie bedeutet keine Zurücksetzung der Frau, sie ist Ausdruck der
Verschiedenheit von Mann und Frau. Die Eigenart des männlichen und des
weiblichen Wesens, die heute in unseliger Verblendung geleugnet wird, diese
Eigenart hat zur Folge, dass Mann und Frau verschiedene Aufgaben haben. Die
Frau bleibt ermächtigt und verpflichtet zu dem durch das allgemeine Priestertum
übertragenen Dienst. Wenn Paulus schreibt, in Christus gebe es kein
Unterscheiden mehr zwischen Mann und Frau, dann bezeichnet er damit die Wirkung
der Taufe. Alle, die in der Taufgnade sind, können uneingeschränkt als gleich
angesehen werden. Das Amtspriestertum dagegen ist Gegenstand der Berufung. Sie
stellt kein mit der weltlichen Person verankertes Recht dar. Die
Verschiedenheit der Aufgaben in der Kirche bedeutet keine Rangverschiedenheit
im Reiche Gottes. Über die Innigkeit der Gottesgemeinschaft entscheidet nicht
die amtliche Gewalt, sondern ausschließlich die opferbereite Liebe. Das
Wertvollste im Reich Gottes ist nicht die amtliche Vollmacht, sondern das göttliche
Leben, das Christusleben. Die Kirche hat Rang und Würde der Mütter in
unüberbietbarer Weise herausgestellt. Seitdem Christus Maria seine „liebe
Mutter“ nannte, ist der Muttername geheiligt. Seit das Evangelium an den Anfang
die Worte stellte: „Maria, aus der geboren wurde Jesus mit dem Beinamen
Christus“, ist die Mutterwürde eine Frohbotschaft geworden. Die christlichen
Mütter üben in ihren Familien einen tiefen, einen unersetzlichen Einfluss aus.
Der unvergessene Bischof Dyba von Fulda hat einmal gesagt: „Ich persönlich
glaube, dass Christus aus Liebe zu den Kindern die Frau nicht ins Priesteramt
berufen hat“ – aus Liebe zu den Kindern. Die Kirche eröffnet für Frauen neben
der Mutterschaft einen bis dahin beispiellosen Selbststand als Jungfrau, als
Witwe, als geweihte Frau, die dem Zugriff des Mannes entzogen ist. Frauen haben
in der Geschichte der Kirche häufig einen entscheidenden Beitrag geleistet und
bedeutsame Werke vollbracht. Denken Sie an Katharina von Siena und an Margareta
Maria Alacoque. Der Vorbehalt der sakramentalen Weihe für Angehörige des
männlichen Geschlechtes ist ein Bestandteil der kirchlichen Glaubenslehre –
darüber werde ich, so Gott will, am kommenden Sonntag sprechen. Wer daran
rüttelt, verfehlt sich gegen die Offenbarung Gottes. Die Beschäftigung mit
Unmöglichem ist nutzlos und sinnlos. Der gläubige Christ, die gläubige Frau
soll sich darauf konzentrieren, mit dem Priester für den Aufbau des Reiches
Gottes zu arbeiten.
Amen.
Predigt von Professor May am 20.10.2019
Dr. Georg May, em. Professor für Kirchenrecht, kirchliche Rechtsgeschichte und
Staatskirchenrecht, ist seit 1951 Priester. Kompromisslos in der reinen
Lehre, und doch leicht verständlich, verkündet und erläutert er in seinen
Predigten den katholischen Glauben. Sonntag für Sonntag fesselt er seine
Zuhörer, die er in der Treue zum Glauben und in der Liebe zur Lehre der Kirche
zu festigen versteht.
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