Weihnachtsgeschichte
Das
Angstgefühl einer Seele, die im Laufe der Jahre die göttlichen Gebote vergaß,
aber in der Erinnerung an die Freuden, die der Weihnachtszeit eigen sind, von
der Gnade bewegt wurde und vom Erlöser auf die Fürsprache der Heiligen Jungfrau
die Vergebung für ihr widerspenstiges Leben erhielt.
* * *
Benoît
Bemelmans (2005)
In ihrem schmerzenden Körper war auch ihre Seele traurig und verwundet.
Mehr als die Kälte der Nacht, mehr als die Schmerzen in ihren Gliedern,
weil sie so viel in der Stadt unterwegs war, litt sie unter einem verborgenen
und tiefen Unwohlsein.
In dieser Weihnachtsnacht wanderte die gequälte Seele durch die Straßen und versuchte, die Ursache ihres Leidens zu ignorieren.
Sie hatte sich längst in Gleichgültigkeit eingerichtet. Wann hatte sie
das letzte Mal in einem Beichtstuhl gekniet, um Vergebung für ihre Fehler zu
erhalten?
Sie war keine große Kriminelle, nein. Sie war eine ganz normale Person,
die ihrem täglichen Leben nachging. Sie hatte nur das Gesetz Gottes vergessen,
das sie durch ihr eigenes Vergnügen, ihre Selbstsucht und alle Arten von
Niedertracht ersetzt hatte, die ihre Seele durchdrangen wie das Rascheln toter
Blätter, die vom Wirbelwind eines bösen Atems fortgetragen
werden.
War es ein Mann? War es eine Frau?
Das spielt keine Rolle. Es war eine Seele, die in Traurigkeit versunken
war, die unvermeidliche und bittere Frucht eines schlechten Gewissens, wenn
sie, ohne es sich selbst eingestehen zu wollen, all das sieht, was sie durch
die Ablehnung der Freundschaft Gottes verloren hat. Es gibt so viele solcher
Seelen in der heutigen neuheidnischen Welt, die durch die Gewohnheit der Skepsis
verhärtet sind!
Den ganzen Tag über war sie damit beschäftigt gewesen, die letzten
Vorbereitungen für Weihnachten zu treffen. Denn trotz der Vernachlässigung
ihres geistlichen Lebens erinnerte sich diese Seele noch an die Freude und
Unschuld ihrer ersten Weihnachtsfeiertage. Sie sehnte sich nach einem Glück,
das ihr immer mehr zu entgleiten schien, und versuchte, so weit wie möglich,
die Atmosphäre der Weihnachtsfeste ihrer Kindheit um sich herum
wiederherzustellen. Sie war sehr begabt darin und schaffte es trotz allem,
einige Freunde und Verwandte um einen schön geschmückten Tannenbaum, eine
kleine Krippe und ein Abendessen zu versammeln, um nicht alleine ein allzu
melancholisches Fest zu feiern.
Die Jahre waren vergangen, aber die unsterbliche Seele bewahrte noch die Spuren ihrer unschuldigen Kindheit.
Übrigens, wenn der Leser die Erwachsenen beobachtet, wird er sehen, dass in ihren Seelen das Kind nie sehr weit weg ist, selbst wenn die Sünden es verdunkelt haben. Wird dieses Kind eines Tages erwachen?
Der Baum leuchtete schon seit einigen Tagen mit all seinen bunten
Kugeln, und die Krippe über dem Kamin wartete nur noch auf die heilige Nacht,
in der sie das Jesuskind aufnehmen würde.
Jeden Abend freute sich die Seele, wenn sie ihr kleines Lehmlamm voranschreiten
ließ. Sie begann auch das Gebet zu sprechen, dass ihre Mutter sie vor der
Krippe hatte sprechen lassen. Das Lamm hatte sich von der Höhe des Papierhügels
auf den Weg gemacht, und die Seele fragte sich, ob es die Krippe rechtzeitig
zum Heiligen Abend erreichen würde.
Ihr Lamm erinnerte sie daran, dass auch sie, ganz in Weiß gekleidet, zum
Stall gehen sollte, um durch die Muttergottes ein inbrünstiges Gebet an das
göttliche Kind zu richten. Es war das beste Geschenk, das sie dem Jesuskind
machen konnte, das ja gekommen ist, uns zu retten.
-
Zu retten, mich, wovor? - fragte sie sich.
Um sie von der Sünde zu erlösen, ihr die Pforten des Himmels zu öffnen,
sie zu einem Kind Gottes zu machen, sie aus den Klauen des Teufels zu befreien,
indem er für sie am Kreuz sterben würde.
Als sie zur Erstkommunion gegangen war, war Weihnachten noch schöner
geworden.
Wie strahlend war die Christmette in der Pfarrkirche! Die Kerzen
leuchteten auf dem Altar, Weihnachtslieder stiegen mit den Weihrauchwolken zum
Himmel auf... Bei der Kommunion empfängt die Seele Jesus, ihren Retter. Sie
betete ihn an, wie es die Hirten im Stall zu Bethlehem getan hatten, sie bot
sich ihm an und war überwältigt von der Freude über seine barmherzige Liebe.
Sie hatte sich sorgfältig auf diese wunderbare Begegnung vorbereitet.
Einige Tage zuvor hatte sie ihre Fehler demütig und reumütig einem alten
Priester gebeichtet, der sie immer freundlich ermutigt hatte, auf dem Weg des
Guten zu bleiben.
-
Bete auch für mich. Denn es wird der Tag kommen, an dem Sie mich nicht mehr
hier finden werden, um Sie zu beraten.
Die Seele verließ den Beichtstuhl mit einem großen Gefühl der Leichtigkeit,
erfüllt von der ruhigen Freude, sich in der Freundschaft Gottes zu wissen.
Und jeden Abend sprach sie vor der Krippe das Gebet, das ihr ihre Mutter
beigebracht hatte, um sich auf Weihnachten vorzubereiten. Es war ein
wunderschönes Gebet, das an die Heilige Jungfrau gerichtet war, die für uns
alles von ihrem göttlichen Sohn erhält.
-
Wie war dieses Gebet noch? -- fragte ihre gequälte Seele.
Aus den Tiefen der jahrelangen Gleichgültigkeit tauchten allmählich die
lange vergessenen Worte in ihrem Gedächtnis auf:
Gedenke, o gütigste Jungfrau Maria, von
Ewigkeit her ist es unerhört, dass einer, der zu dir seine Zuflucht genommen,
deine Hilfe angerufen, um deine Fürsprache gebeten, von dir sei verlassen
worden. Von diesem Vertrauen beseelt, eile ich zu dir, o Jungfrau der
Jungfrauen und Mutter; zu dir komme ich, vor dir stehe ich seufzend unter der
Last meiner Sünden. Verschmähe nicht meine Worte, du Mutter des
menschgewordenen Wortes, sondern höre sie gnädig an und erhöre mich! Amen.
In einer ersten Bewegung von bitterem Stolz fragte sich die Seele: Bin
ich die Erste, die sagt, dass die Gottesmutter mir nicht zur Hilfe gekommen
ist?
Dann wurde ihr klar, dass sie sich nicht die Mühe gemacht hatte, nur ein
einziges Mal um diese Hilfe gebeten zu haben.
Und als sie durch die kalten, leeren Straßen ging, wiederholte sie die
Worte ihres Gebetes aus der Kindheit: Seufzend
unter der Last meiner Sünden [...] von
Ewigkeit her ist es unerhört, dass einer, der zu dir seine Zuflucht genommen
[...] von dir sei verlassen worden! Von diesem Vertrauen beseelt, eile ich zu
dir, o Jungfrau der Jungfrauen und Mutter...
Ein großer Schmerz überfiel diese gequälte Seele, als sie sich ihres
beklagenswerten Zustands bewusst wurde. Aus der Tiefe ihres Wesens stieg der
Wunsch auf, die Freundschaft Gottes und die frühlingshaften Düfte ihres
geistlichen Lebens wiederzugewinnen, ihre verlorene Unschuld
wiederherzustellen.
-
Wird das noch möglich sein? -- fragte sie sich.
Von der Gnade ergriffen, wiederholte sie die Worte des Memorare mit aller Aufrichtigkeit und
bat die Muttergottes um Hilfe.
-
Mal sehen, was passiert - dachte sie mit einem Hauch von Ungläubigkeit. Und sie
bog um die Ecke.
* * *
Das Licht im Inneren der Kirche beleuchtete die bunten Glasfenster. Die Tür
war offen. Zögernd und überrascht trat sie ein. Die Weihnachtsvigil stand kurz
vor dem Beginn. Sie ging durch den Seitengang zum Altar der Muttergottes. Von
der Orgel erklang eine Weihnachtsmelodie; die Seele brach in Tränen aus.
Nach so vielen Jahren der Trockenheit in Selbstgefälligkeit ertrank sie
in Schluchzern der Reue. Die Tränen liefen ihr in Strömen über die Wangen, und
ihr Oberkörper schüttelte sich im krampfhaften Rhythmus des Schluchzens, wie
bei einem Kind....
Es war da ein Priester, um die Beichte zu hören. Und das war nicht das Geringste
der Wunder für die Zeit, in der wir leben. Die Seele klagte sich selbst an, so
gut sie es konnte, etwas verwirrt, über ihr trauriges Leben fern von Gott. Und
erhielt die Absolution für ihre Fehler.
Ich überlasse es dem Leser, sich die Freude vorzustellen, die das Herz
des Jesuskindes in jener Nacht empfand durch die Rückkehr in die Herde seines
kleinen verlorenen Schafes.
Das Jesuskind ist vor allem für die Sünder gekommen. Es lehnt ihre
Vergebung niemals ab. Es empfängt jede demütige Zerknirschung mit Güte und
Barmherzigkeit. Gestern, heute, immer: Jesus Christus ist die Lösung für die
Welt, die in der Nacht des Neuheidentums versinkt.
Im größten Drama unseres Lebens wollen wir uns vertrauensvoll an unseren
Erlöser wenden, durch die Heilige Jungfrau, der Er nichts verweigert...
Diese deutsche Fassung „Eine kummervolle Seele“ erschien erstmals in www.r-gr.blogspot.com
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