Der Tod der letzten Seherin beendet eine Epoche in der
Geschichte von Fatima — die der Mahnungen — und eröffnet eine neue: Die der
Erfüllung der in der Mulde von Iria verkündeten letzten Ereignisse
Luis Dufaur*
Am 13. Februar, in einer schlichten und einfachen Zelle
im Karmel von Coimbra, schlossen sich die Augen der Schwester Lucia, die
gleichen Augen, die 1917 die Muttergottes und den Engel von Portugal geschaut
haben, endgültig für diese Welt.
Ein Gefühl der Trauer durchlief die katholische Welt.
Aber auch zugleich eine quälende Frage: Jetzt, wo die letzte Seherin von Fatima
tot ist, wie werden die Ereignisse, die in Verbindung mit Fatima stehen, sich
entwickeln? Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Absterben der Sr. Lucia und
die Erfüllung der für die ganze Welt in der Mulde von Iria verheißenen Strafen?
In der langen Menschenschlange, die der Seherin die
letzte Ehre erweisen wollte, sagte einer: „Ich fühle mich jetzt alleine. Es ist
als ob ein Schutz, den ich ständig vernahm, verschwunden ist. Ich spüre das
Bedürfnis für die Welt zu beten“. Ohne es zu ahnen, äußerte dieser Mann die
Gefühle vieler anderer. Denn einfach das Dasein der Sr. Lucia auf Erden erhielt
in den Menschen die Hoffnung aufrecht, an einer abermaligen barmherzigen
Warnung oder klärenden Orientierung unserer Lieben Frau.
Doch die Majestät des Todes schloss auch ihre Lippen.
Lucia ruht nun in einem schlichten Grab in der heiligen Klausur ihres Klosters.
Ihr Heimgang in die Ewigkeit bedeutet jedoch keinesfalls, dass die Folge der
1917 begonnenen Ereignisse abgeschlossen ist. In der katholischen Welt herrscht
ein übereinstimmendes Gefühl, dass die „Causa Fatima“ in eine neue Phase getreten
ist. So schreibt der renommierte Vatikanist und Journalist Vittorio Messori:
„Fatima bildet ein unberuhigendes Knäuel von Geheimnissen. (...) Das Ableben
der letzten Seherin hat die Angelegenheit nicht abgeschlossen. Vielleicht hat
es sie eher wieder eröffnet, mit Hinweisen auf unbekannte
Zukunftsperspektiven“. (1)
Eine großartige Aufgabe
Schwester Lucia ging in die Geschichte ein, geschmückt
mit der Großartigkeit der Botschaft, dessen Trägerin sie war und der heiligen
Aufgabe, die ihr erteilt wurde. Eine Grandiose Aufgabe, die die Muttergottes
ihr am 13. Juni 1917 übertrug: „Jesus will sich deiner bedienen, damit man mich
kennen und lieben lernt. Er will, dass die Verehrung meines Unbefleckten Herzens
in der Welt eingeführt wird“. (2) Ein Monat später fügte die Jungfrau hinzu:
„Ich werde kommen, um zu bitten, dass Russlands meinem Unbefleckten Herz geweiht
und die Sühnekommunion an den ersten Samstagen eingeführt wird“. (3)
In späteren Erscheinungen lehrten die Muttergottes und
das Jesuskind Sr. Lucia die Praxis der Sühnekommunion an den ersten Samstagen.
Schließlich während einer glanzvollen Erscheinung der Heiligsten Dreifaltigkeit
und des Unbefleckten Herzens Mariens am 13. Juni 1929, gab Maria ihr zu wissen, dass „die Zeit gekommen sei, in der Gott dem Heiligen Vater bittet, in
Vereinigung mit den Bischöfen der ganzen Welt, Russland dem Unbefleckten Herzen
Mariens zu weihen, um es dadurch zu retten“. (4)
Dies war ein entscheidender Zeitpunkt in der Durchführung
der von Maria ihr aufgetragenen Aufgabe. Sie erfüllte ihren prophetischen
Auftrag, in dem sie dem damals regierenden Papst Pius XI. diese feierliche
Bitte zukommen ließ.
Eine lange Reihe von Bitten
Auf den ersten Blick könnte man annehmen, ihre Aufgabe
wäre mit der Sendung der Bitte an den Papst abgeschlossen. Denn für den Vollzug
der Weihe Russlands war die demütige Nonne nicht zuständig, sondern der
Stellvertreter Christi auf Erden.
Pius XI. erhielt die Botschaft, doch aus nicht
veröffentlichten Gründen hat er die Weihe nicht vollzogen. Damit eröffnete sich
für Sr. Lucia die schmerzlichste und längste Phase ihrer Mission: hier und da
immer wieder ergebenst die Päpste an den Vollzug der Weihe, die die
Muttergottes gebeten hatte, zu erinnern.
Die Jahre verliefen, ohne dass die Weihe vollzogen wurde.
Bis Jesus, in einer vertrauten Erscheinung ihr mitteilte, daß die Zeit, die
Verbreitung der Geißel der Irrtümer des Kommunismus zu verhindern, abgelaufen
sei: „Sie wollten meiner Bitte nicht nachkommen. Wie damals der König von
Frankreich werden sie es bereuen und die Weihe vollziehen, doch dann wird es zu
spät sein. Russland wird seine Irrtümer schon über die Welt verbreitet und
Kriege und Verfolgungen gegen die Kirche verursacht haben; der Heilige Vater
wird viel zu leiden haben“. (5)
Am 21. Januar 1935 teilte Jesus der Sr. Lucia mit, er sei
„sehr traurig, dass man seine Bitte nicht erhört habe“. (6) In nachfolgenden
Briefen wiederholte Sr. Lucia die himmlischen Bitten und Warnungen bezüglich
der Weihe Russlands.
Mehr noch. Am 2. Dezember 1940 schrieb sie direkt an Pius
XII. und drängte auf den Vollzug der Weihe. Pius XII. weihte die Kirche und die
Menschheit dem Unbefleckten Herzen Mariens am 31. Oktober 1942. Doch sie
erfüllten nicht die von der Muttergottes geforderten Bedingungen. Im Auftrag
Jesu teilte Sr. Lucia dann dem Papst mit, da der Weiheakt „unvollständig war,
verbleibt die Bekehrung Russlands für eine spätere Zeit“. (7)
Ein bedeutender Einsatz während des Konzils
1962 wurde das 2. Vatikanische Konzil eröffnet. Es war
eine außerordentliche Gelegenheit für den Papst und die in Rom versammelten
Bischöfe der ganzen Welt den Bitten des Himmels nachzukommen und das Ende der
von Kommunismus und Sozialismus verursachten Katastrophen zu beschleunigen. Zu
diesem Zeitpunkt hatten beide schon zehnfach Millionen Opfer verursacht.
So kam es auf dem Konzil zu einem spektakulären Einsatz
im Sinne der Botschaft von Fatima. 510 Erzbischöfe und Bischöfe aus 78 Länder
unterschrieben eine Petition an den Heiligen Vater, er möge eindeutig Rußland
und alle vom Kommunismus beherrschten Länder dem Herzen Mariens weihen und
anordnen, daß in Vereinigung mit ihm und am gleichen Tag alle Bischöfe der Welt
das gleiche tun sollten. Diese Petition wurde Papst Paul VI. am 3. Februar 1964
vom Erzbischof von Diamantina (BR) Geraldo Proença Sigaud überreicht.
Doch das erwartete Echo blieb aus. Paul VI. „vertraute
die Menschheit“ dem Unbefleckten Herzen Mariens am 21. November 1964 an. Später
weihte Johannes Paul II. am 13. Mai 1982 und am 25. März 1984 die Welt dem
Unbefleckten Herzen Mariens ohne aber Russland namentlich zu erwähnen. Keine
dieser Weiheakte entsprach den von der Muttergottes angegebenen Bedingungen, so
Sr. Lucia.
Geheimnisvoller Schleier
1989 wurde eine neue Seite der Weltgeschichte
aufgeschlagen. Ungefähr in der Mitte jenes Jahres, fing Sr. Lucia an, die
Gültigkeit der von Johannes Paul II. am 25. März 1984 vollzogenen Weihe
anzunehmen. Bis dann hatte sie sie im Sinne der Bitte der Muttergottes als
nicht gültig betrachtet. Für diese Meinungsänderung gab sie keine
übernatürliche Anweisung an, was bedeutet, dass es sich um eine rein persönliche
Meinung handelte.
Doch es bedeutet aber auch, dass der Hauptbestandteil
ihrer Sendung keineswegs damit ausgelöscht wurde. Sie erfüllte den Auftrag, den
sie vom Himmel bekommen hatte, d.h., dem Papst die Bitte der Muttergottes, Russland namentlich zu weihen und die Einführung der Verehrung des Unbefleckten
Herzens zu übermitteln.
Stunde der göttlichen Strafe?
Was den Rest der Botschaft von Fatima betrifft, kann man
annehmen, dass das Eintreffen der barmherzigen aber auch fürchterlichen in
Fatima vorhergesehenen letzten Ereignisse bevorstehen. Sie zielen auf die
Bekehrung der sündigen Menschheit, die den ständigen und wiederholten
Mahnungen, Bitten und Warnungen der Muttergottes zur Umkehr, zur Änderung ihres
Lebenswandels nicht entsprochen hat.
Mit einem Versuch etwas Licht auf diese angekündigten
geheimnisvollen Ereignisse zu werfen, könnte man fragen ob es am Horizont des
menschlichen Geschehens Fakten gibt, die ihr Kommen voraussagen.
Fakten, die die Hypothese bestätigen
Der verheerende Tsunami im Indischen Ozean Ende des
Jahres 2004, könnte er nicht eine Ouverture des letzten Zeitabschnitts der in Fatima
vorhergesagten Strafen sein? Die fanatische Offensive der Moslems gegen die
noch vorhandenen Reste der christlichen Zivilisation, ist sie nicht eine
Tatsache, die in die gleiche Richtung weist? In der ganzen Welt verzeichnen wir
gewalttätige und blutige Verfolgungen gegen Katholiken, die jährlich Tausende
von Märtyrern fordert.
Die sozialistischen und kommunistischen Irrtümer, die
sich über die ganze Welt verbreitet haben, brachten eine undenkbare Welle von
Feindseligkeiten gegen das, was noch von der christlichen Ordnung übrig
geblieben ist und selbst gegen die katholische Kirche. Abtreibung, Euthanasie,
die sogenannte Homoehe, ein kämpferischer Laizismus, antinatürliche genetische
Experimente und Versuche des menschlichen Klonens, die graduelle Zerstörung des
Eigentumsrechts, Ausrottung legitimer Traditionen usw. usf. Die Aufzählung
könnte lang werden.
Ich beschränke mich auf ein Beispiel. Spanien litt 1936
bis 1939 unter einen blutigen Bürgerkrieg, der von dem internationalen
Sozialismus und Kommunismus entfacht wurde. Am 4. Mai 1943 sandte Sr. Lucia
eine Warnung Unseres Herrn Jesus Christus an die spanischen Bischöfe: sie mögen
„eine Reform, eine Bekehrung im Volk, im Klerus und in den Ordensgemeinschaften
anordnen. Sollten die Herren Bischöfe diesen Bitten Unseres Herrn nicht
nachkommen, wird Russland noch einmal die Geißel sein, mit der Gott sie
bestrafen werde.“ (8)
Auch diese Mahnung wurde nicht gehört. Doch rein
menschlich gesehen, gab es keinen Anlass, diese verheißene Geißel zu fürchten.
Denn nach dem Bürgerkrieg wandelte Spanien sicher auf dem Weg eines
fortschreitenden Wohlstandes, in dem die ideologischen Konflikte anscheinend
für immer begraben worden waren. Bis am 11. März 2004 der Islam ein brutales
terroristischen Attentat in Madrid verübte und die neue sozialistische
Regierung eine ruchlose Offensive gegen den spanischen Katholizismus auslöste.
So entschieden und heftig war dieser Angriff, dass der Primas von Spanien,
Erzbischof Antonio Cañizares von Toledo, erklärte, die politische Macht und die
Medien seien bereit, die Kirche zu zerstückeln und sie zu beseitigen durch
physische Vernichtung und moralischen Angriff. (9)
Die Ängste der Sr. Lucia
Glaubenswürdige Quellen sprachen in Portugal davon, dass
Sr. Lucia vor hatte nach Lissabon zu fahren, um speziell während der damals
anstehenden Wahlen, die den Sozialisten die Macht wiedergab, im Zimmer, in dem
Jacinta 1922 starb, für Portugal zu beten. Es wäre eine außergewöhnliche Tat
gewesen.
Mit Gewissheit ahnte sie, dass diese Wahl ein Vorzeichen
sein würde, für die Voraussagen der Sel. Jacinta: „Eine furchtbare soziale
Umwälzung bedroht unser Land und besonders die Hauptstadt Lissabon. So wie es
scheint, wird ein anarchistisch-kommunistischer Bürgerkrieg ausbrechen, mit
Plünderung, Blutbad, Brandstiftungen und Verwüstungen aller Art. Die Hauptstadt
wird sich in wahres Abbild der Hölle verwandeln. Zu dieser Zeit, in der die
beleidigte göttliche Gerechtigkeit solch strenge und furchtbare Strafe dem Land
auferlegt, sollten alle, die es möglich machen können, diese Stadt entfliehen.“
(10)
Sollte sich der portugiesische Sozialismus dem spanischen
Sozialismus gleichschalten, könnte sich dies mit höchster Wahrscheinlichkeit
ereignen.
Zeichen der Bekehrung?
In gänzlich entgegengesetzter Richtung kann man eine
weltweite konservative Welle vernehmen, einer Rückkehr zu den traditionellen
ethischen und moralischen Werten und Institutionen wie die der Familie. Könnte
dies nicht eine erste Frucht der Einwirkung der Gnade im Kern vieler Seelen
sein? Sie könnte Bekehrungen einleiten, die im engen Zusammenhang mit dem
Triumph des Unbefleckten Herzens Mariens stehen.
Der Tod Sr. Lucias beendete einen Zyklus und eröffnete
einen neuen, der vielleicht beeindruckender sein wird, was die Erfüllung der
Botschaft von Fatima betrifft. In diesem neuen Zyklus wird die Göttliche
Vorsehung, mehr als menschliche Spekulationen vermögen sich vorstellen zu
können, durch große Ereignisse das letzte Wort sprechen.
Mehr denn allem anderen müssen wir Katholiken der Sprache
der Weltereignisse lauschen, denn die wiederholten wörtlichen Ermahnungen
führten nicht die von der Muttergottes gewünschten barmherzigen Folgen herbei.
________
1. „Corriere della Sera“, 15-2-05.
2. Apud
Antonio Augusto Borelli Machado, As aparições e a mensagem de Fátima conforme
os manuscritos da Irmã Lúcia, Artpress, São Paulo, 1997, 46ª ed., p. 41.
3. Op. cit.,
p. 47.
4. Op. cit.,
p. 77.
5. Op. cit.,
pp. 78-79.
6. Op. cit. p.
79.
7. Op. cit.,
p. 84.
8. Op. cit.,
p. 84.
9. „Agência Católica Internacional“, (ACI), 16-8-04.
10. Op.
cit., p. 65.
* Freie Übersetzung aus dem Portugiesischen. Dieser Artikel erschien erstmalig in der katholischen Zeitschrift „Catolicismo“ vom März 2005, São Paulo, Brasilien.
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