Zwischen der Normandie und der Bretagne in einem sehr
zurückgezogenen Ort wohnte einst ein sehr berühmter Herr. Nah am Meer hatte er
eine so gut gerüstete und gefestigte Burg, dass er weder König noch Graf, weder
Prinz noch Herzog fürchtete. Der Herr dieser Burg war groß, stark, schön von
Angesicht, reich an Hab und Gut und von edlem Geschlecht. Sein Äußeres war so
vornehm, wie man es sich nicht hätte besser vorstellen können. Doch zeigte er
sich grausam, treulos und stolz, und war furchtlos gegen Gott und den Menschen.
Das ganze umliegende Land verwüstete er ohne Erbarmen. Er versteckte sich am
Rande der Wege, um Pilger zu töten und Händler zu plündern. Er verschonte auch
nicht Geistliche und Mönche, Frauen, Arme und Reiche. Niemals wollte er eine
Frau nehmen, da er meinte sich dadurch zu erniedrigen. Fleisch aß er zu jeder
Zeit, auch des Freitags und in der Fastenzeit. Von Kirchgang, Predigt und
Heiliger Schrift war überhaupt nicht zu sprechen. Es gab zu jener Zeit keinen
schlechteren Menschen als diesen. Mehr als 30 Jahre lebte er so, ohne auch die
geringste Reue zu empfinden.
Abermals kam die Fastenzeit. Als er am Karfreitag früh
aufstand, rief er seine Köche und befahl: „Richtet mir ein Wildbraten, denn ich
möchte sofort essen, um meinen Straßenraub zu treiben.“
Die Köche waren darüber sehr verärgert und antworteten
traurig: „Wir tun, wie ihr befohlen, Herr!“ Die Ritter jedoch, die den Auftrag
gehört und mehr Mut hatten, riefen laut: „Herr, was habt ihr gesagt? Heute ist
der heilige Karfreitag, an dem Gott gelitten hat, um uns das Heil zu geben, und
ihr wollt euch an Fleisch ergötzen? Gott wird es vergelten, glaubt uns!“
„Ha! Und damit ist noch nichts getan. Ich werde da unten noch
viele hängen und ausrauben!“
„Habt ihr denn die Gewissheit, dass Gott euch noch eine
lange Frist einräumt? Ohne Aufschub solltet Ihr bereuen, Gott um Gnade flehen
und über all eure Vergehen weinen!“
„Weinen? Ihr scherzt wohl. Das habe ich alles nicht nötig.
Weinet selber, ich lache!“
„Herr, im nahe liegenden Wald wohnt ein heiliger Mann, bei
dem man beichtet, um sich von den Sünden zu befreien. Gehen wir hin und
beichten. Man darf nicht nur immer das Böse tun!“
„Beichten? Teufel, wenn dieser heilige Mann etwas Vermögen
hat, so werde ich hingehen, um ihn auszurauben. Andernfalls gehe ich nicht
hin.“
„Doch sei es, nur um uns zu begleiten. Kommt, Herr, lasst
und gehen?“
„Gut! Euretwegen will ich es schon tun. Aber, bei Gott,
weiter werde ich nichts machen. Bringt mir mein Pferd! Ich werde mit all diesen
Scheinheiligen gehen und mich köstlich amüsieren: nachdem sie gebeichtet haben,
fangen sie das Rauben von neuem an.“
„Kommt, Herr! Und gebe euch Gott, so er will, ein wenig
Demut.“
„Meiner Treu!“, rief der Herr, „Demut will ich nicht und
auch keine Güte: man wird mich ja nicht mehr fürchten!“
So begaben sie sich auf den Weg: Die Ritter vorneweg,
traurig, und hinter ihnen der Graf, singend, spottend und sie misshandelnd, als
wenn er vom Teufel besessen wäre.
Ohne Aufenthalt kamen sie zur Einsiedelei im Wald. Die
Ritter begeben sich zum kleinen Kloster, um den frommen Einsiedler aufzusuchen.
Der Graf aber blieb auf seinem Ross.
„Herr, sagten seine Ritter, steigt nun ab und kommt, euch zu
verbessern!“
„Fürwahr! Nichts werde ich tun! Ich sehe schon, dass das
meinen ganzen Tag in Anspruch nehmen wird. Die Pilger und Kaufleute, die ich
überfallen wollte, werden heute ihren Glückstag haben!“
Da sie sahen, dass sie nichts erreichten, gingen die Ritter
zum Altar und beichteten ihre Sünden beim heiligen Eremiten so schnell und gut
sie es nur konnten, um ihren Herrn nicht länger warten zu lassen. Um die
Lossprechung ihrer Sünden zu erlangen, stellt der Mönch ihnen die Bedingung,
dass sie von nun an alle Tage die bösen Taten meiden sollten. Als sie es
versprochen hatten, baten sie den Mönch gütigst: „Herr, unser Gebieter ist
draußen. Gott zu Liebe ruft ihn hierher, denn wir baten ihn umsonst. Wenn er
euch sieht, wenn ihr mit ihm sprächet, könntet ihr ihn vielleicht überzeugen?
Wer ihn zu Gott zurückführt, wird ein gutes Werk vollbracht haben.“
Der Alte antwortete ihnen: „Gut, ich will es machen, aber
ohne Hoffnung auf Erfolg.“
Und er ging hinaus, sich auf seinen Stab stützend, denn er
war schon alt und schwach. Dem Grafen sagte er gütig: „Herr, seid willkommen!
Am heutigen Tage soll man auf alles Böse verzichten und das getane bereuen.
Auch an Gott soll man heute denken!“
„Denkt an was ihr wollt. Ich werde nichts tun“, antwortete
der Graf.
Der Einsiedler verdrießt sich nicht. Voller Demut sagt er:
„Steigt ab guter Herr! Denn ihr seid ja ein Ritter und habt deshalb ein edles
Herz. Ich bin Priester und bitte euch durch dem, der am Kreuze starb, ein wenig
mit mir zu sprechen.“
„Sprechen? Zum Teufel! Über was sprechen? Wir haben nichts
miteinander gemein! Ich habe es eilig!“
„Herr, nicht meinetwegen, sondern ausschließlich Gott zu
Liebe!“
„Ihr seid ein guter Fürsprecher. Aber wenn ich rein komme,
werde ich nichts tun; kein Gebet, kein Almosen, keine Bitte, nichts!“
„Kommet nur herein und ihr werdet meine Kapelle sehen und
mein Haus.“
„Den ganzen Tag werde ich nicht aufhören, mich zu
langweilen!“
Doch mit großem Verdruss steigt er von seinem Pferd ab.
„Wirklich ein dummer Gedanke, sagt er, hierher zu kommen, und so früh
aufgestanden zu sein!“
Der Mönch hieß ihn willkommen und führte ihn zur Kapelle;
und als sie vor dem Altar standen, sagte er: „Herr, ihr seid gefangen! Ihr
werdet bei mir bleiben und euer Leben erzählen. Tötet mich, wenn ihr wollt;
andernfalls werdet ihr mir nicht entkommen.“
„Nichts werde ich euch erzählen und ich weiß nicht, was mich
zurückhält euch zu töten, wie ihr es sagt. Lasst mich frei hier herausgehen!“
„Nein, Herr Graf, bei der Herrlichkeit Gottes, ihr werdet
eure Sünden hier bekennen!“
„Ihr seid wohl nicht ganz bei Sinnen oder gar betrunken, um
mit Gewalt zu wissen, was ich euch nicht sagen will!“
Grausam und schlecht wie er war, richtete der Graf einen so
wütenden Blick auf den Mönch, dass diesen die Angst ergriff. Doch er fasste Mut
und sagte mit sanfter Stimme: „Mein Bruder, beichte mir nur eine einzige Sünde,
denn mit so wenig man auch anfängt, bin ich sicher, dass Gott euch auf den
rechten Weg verhilft.“
„Na gut!, schrie der Graf, werde ich denn nie eher Frieden
haben? Und was habt ihr alle, dass ihr mich gegen meinen Willen zu handeln
zwingt? Weil es nicht anders kann sein, werde ich sprechen, und nichts weiter!
Nichts werde ich bereuen!“
Und er fing an seine Sünden in einem fort und jähzornig auf
zuzählen. Als er beendet hatte, sagte er zum alten Einsiedler: „Ich habe euch
alle meine Übeltaten gesagt, was wird es euch nun für ein Nutzen bringen? Lasst
ihr mich endlich in Ruhe? Ihr habt mich besiegt ohne Verletzung, nie mehr werde
ich euch sprechen!“
Der Eremit ward traurig und diese Reuelosigkeit zerriss ihm
das Herz.
„Herr, sagte er, tröste mich, und verrichtet einen Akt der
Buße.“
„Ich? Ein Büßer werden? Ihr spottet wohl meiner! Und zu was
verurteilt ihr mich?“
„Um all eure Sünden zu tilgen, werdet ihr sieben Jahre
hindurch jede Woche des Freitags fasten.“
„Sieben Jahre? Niemals!“
„Dann drei?“
„Nein!“
„Dann an den Freitage eines Monats?“
„Schweigt! Ich werde nichts tun!“
„Geisselt euch dann jeden Morgen.“
„Das halt ich nicht aus!“
„Und wenn ihr eine Pilgerfahrt unternimmt?“
„Nein, da gibt es zu viele Gefahren.“
„Pilgert nach Rom oder nach Compostela!“
„Nein!“
„Geht dann in die Kirche, dort verrichtet zwei Gebete: das
Vater Unser und das Ave.“
„Das ist alles Zeitverschwendung.“
„Um der Liebe des allmächtigen Gottes Willen, nehmt dann
dieses Fässchen und geht hin zur nahe liegenden Quelle und füllt es mit Wasser.
Wenn es voll ist, bringt es mir und eure Sünden sind euch vergeben.“
„Na gut! Das bedeutet mir wahrlich nicht so große Mühe, eben
zur Quelle zu gehen. Ich nehm's und werde es schnell getan haben.“
Der Mönch gab ihm das Fässchen. Als der Graf es nahm, sagte
er: „Gut! Und ich schwöre euch, nicht zu ruhen, bevor ich ihn euch nicht
gefüllt zurückbringe!“
Und er ging. Seine Ritter folgten ihn, er aber wies sie
streng ab. Als er zur Quelle kam, tauchte er das Fässchen mit wucht in das
Wasser und holte es wieder heraus. Aber kein Tropfen war drinnen… Er versuchte
es wieder und nochmals und auf allen möglichen Weisen, aber das Fässchen kam
immer wieder vollständig trocken aus dem Wasser. Er verlor die Geduld und fing
an zu fluchen: „Es ist bestimmt verstopft.“ Er nahm ein Stöckchen, um zu sehen,
stellte aber fest, dass alles frei war. Und noch einmal tauchte er das Fässchen
ins Wasser, aber kein Tropfen floss hinein!
Er wurde wütend, stand auf und ging zur Eremitage zurück und
erzählte dem Mönch und den seinen das Ergebnis und schwor: „Bei allen Heiligen!
Keinen Tropfen konnte ich hineinbekommen! Und doch tat ich, was ich konnte!
Nicht eine Träne floss herein! Ich werde aber keine Ruhe kennen, bis ich dieses
Fässchen gefüllt habe!“
Zum Mönchen sagte er dann: „Ihr habt mich in eine schlechte
Lage versetzt mit diesem blöden Fässchen! Meine Haare werde ich nicht schneiden
und nicht meinen Bart, bis ich mein versprochenes Wort erfüllt habe. Zu Fuß
werde ich herumlaufen, ohne einen Heller, ohne Brot und ohne Vorrat.“
Der Mönch hörte und ward sehr traurig: „Herr, sagte er, was
für ein Unglück! Wie bitter ist euch das Leben! Dies Fässchen, das selbst ein
Kind spielend füllen kann, nahm kein Wasser auf wegen all eurer Sünden. Es ist
Gott, der in all seiner Güte euch die Buße auferlegen will.“
„Nicht wegen Gott noch jemanden anderen werde ich losziehen,
sondern ausschließlich meinetwegen, aus Wut und großem Ärger!“
Seinen Leuten sagte er trotzig: „Was euch betrifft, so geht!
Führt mein Pferd zurück und schweigt über mich und all das Geschehene. Wenn man
euch nach mir fragt, so antwortet niemals ein Wort. Was mich betrifft, werde
ich wahrscheinlich höchst beschäftigt sein, mit diesem verhexten Fass, das ich
in Feuer und Flammen wünschte! Ich werde der Runde nach alle Wasser der Welt
versuchen!“
So geht er also, ohne länger zu verweilen, das Fässchen um
den Hals gehängt und als Begleiter nur Gott.
In jedem Bach, den er findet taucht er das Fässchen und
versucht es zu füllen, doch es gelingt ihm nicht. So besorgt und in Wut geraten
ist er, dass eine ganze Woche vergeht, ohne dass ihm der Gedanke kommt, etwas
zu essen. Als er aber dann doch merkt, dass der Hunger ihn bestürmt und er ihm
nachgeben muss, verkauft er seine Kleider und trägt ab dann nur ein paar alte
Lumpen.
Er geht durch Wind und Regen. Sein Gesicht, ehemals frisch
und rot, hat sich ganz verändert; die Haut ist dunkler geworden. Und in jedes
Wasser, das er antrifft, taucht er sein Fässchen, ohne dass jemals ein Tropfen hineinläuft.
Er leidet viel und erträgt es. Seine Schuhe sind schon durch, und schon muss er
barfuss gehen.
Und so wandert er durch die Täler, Kälte und Hitze, durch
Wälder, Ruinen und Dornen. Er verwundet sich und blutet oft. Mit Mühe und Not
und mit Verdruss geht er weiter. Tag und Nacht wandert er dahin, arm und
bettelnd. Die Leute lachen ihn aus, er hat weder Gewand noch Burg, kein Platz,
wo er ruhen kann. Alle, die ihn sehen, misstrauen ihm, denn er ist groß und so
verkommen sieht er aus; sehr stark, von hässlichem Anblick und von der Sonne
verbrannt. Alle haben Angst, ihn aufzunehmen. So schläft er oft auf den
Feldern. Doch trotz alledem kann er sich nicht demütigen. Wenn er sich bei Gott
beklagt über all sein Elend, dann tut er es mit Zorn und ohne Reue. Als das
Geld, das er für die Kleider bekam, alle war, weiß er nicht mehr woher er sein Brot
holen kann. Die Not lehrt ihm das Betteln, aber es kommt oft vor, dass er
tagelang nichts bekommt. Als sein Herz dermaßen abgezehrt ist, dass er den
Hunger nicht mehr aushält, bittet er ärgerlich um ein hartes Brot. Und so
wandert er durch ganz Frankreich, durch Spanien, durch Ungarn, durch Thüringen,
durch Deutschland, durch den Elsass und Lothringen. Acht Tage reichen nicht
aus, um all die Orte aufzuzählen die der Graf durchwanderte. Auf jeden Fall
nach England, das ganz vom Meer umgeben ist, und Barletta in Italien gibt es
wohl kein Land wo er es nicht versuchte: Wasserfälle, Bäche und Quellen,
Stillwasser und Fluten, überall tauchte er sein Fässchen ein, aber kein Tropfen
floss herein. Vergeblich tat er und bemühte sich; sein Zorn stieg mehr und mehr.
Inmitten seiner Schmerzen beleidigten ihn noch alle Leute, niemand tat ihm
Gutes; in Stadt und Land hörte er nur harte Worte. Doch sein Stolz ließ nicht
zu, alldem zu erwidern und er verachtete die Menschen.
Aber das endlose Wandern erschöpfte ihn allmählich. Niemand
würde ihn wieder erkennen mit seinen langen zerstreuten Haaren, zottigen Armen,
dicke Brauen, tiefe Augen, abgemagerten Gliedern, an denen überall Adern und
Sehnen hervorsprangen. Keinen Mantel hatte er mehr, die Schwäche wurde immer
größer; mit Mühe stützte er sich mit einem Stab; das Fässchen hing ihm schwer
auf der Brust, doch er trug es immer.
Nach einem Jahr entschloss er sich, zur Einsiedelei
zurückzukehren. Es war eine lange und harte Reise, aber er kam doch endlich an.
Es war gerade wieder Karfreitag.
Er trat ein, gebeugt durch all sein Leid. Der Einsiedler,
als er ihn in seiner armen Kleidung und so abgezehrt sah, erkannte ihn nicht.
Als er aber das Fässchen sah, das dem Armen am Halse hing, fragte er: „Mein
Bruder, welche Not führt dich hierher? Wer hat dir dieses Fässchen gegeben, das
ich erkenne und vor genau einem Jahr dem edelsten und stärksten Ritter gab, den
ich kannte? Ich weiß gar nicht ob er noch lebt, denn ich habe ihn nie wieder
gesehen. Aber sag mir, mein braver Mann, haben dich die Sarazenen gefangen, da
du so arm und bloß dastehst?“ Der andere antwortete zornig: „Seht da, wo ihr
mich hingebracht habt!“
„Wer? ich? Und wie, mein Freund? Ich glaube dich nie gesehen
zu haben! Was habe ich dir getan? Sage es mir nur!“
„Genau vor einem Jahr ward ihr es, der mir die Beichte
abgenommen und mir dieses Fass zur Buße gegeben habt. Dann kam das Elend, in
dem ihr mich jetzt sieht.“
Und er erzählte seine Wanderungen und Mühen.
„Herr, sagte er dann, ich habe alles versucht, alle Wasser
probiert: keines rann in das Fass. Ich merke, dass ich bald sterben werde, denn
ich habe keine Kraft mehr zu leben.“
Der Eremit hörte zu und sagte entrüstet: „Du bist der
schrecklichste aller Menschen! Ein Hund, ein Wolf oder ein anderes Tier hätte
dieses Fässchen gefüllt! Oh! Ich sehe wohl, dass Gott dich nicht liebt. Deine
Buße hatte keinen Erfolg, weil du sie ohne Reue, ohne Liebe und ohne
Zerknirschung verübt!“
Der heilige Mann windet seine Hände und seufzt und weint und
klagt über den, dessen Herz so hart ist.
„O Gott, der du alles weißt, alles siehst und alles kannst,
schau auf diese deine Kreatur, die da so schlecht dahinlebt: sein Leib und
seine Seele sind verloren! Heilige Maria! O Mutter, bitte Gott, dem Sohn, dem
Vater, neige sie zu Langmut! Heiliger Gott, der du immer das Gute tust, wenn
ich jemals bei dir Gefallen gefunden habe, erbarme dich dieses armen Mannes.
Herr, wenn er durch mein Handeln sterben soll, verlange von mir Genugtuung!
Wenn du einen von uns wählen solltest, dann lass mich gehen und rette dieses
Geschöpf!“
Der Mönch weint aus reiner Liebe.
Der Ritter blickt ihn lange an, ohne ein Wort zu sagen. Aber
im Innern ist er ganz verwundert: „Dieser Mann, der mir ein Fremder ist und mit
dem nur Gott mich verbindet, ist meinetwegen zum Opfer bereit; der meiner
Sünden wegen leidet und weint. Ich muss der schlechteste Mensch sein, der
größte aller Sünder, dass er sich so demütigt, und so tief bestürzt ist, und
das er so sehr meine Seele liebt! O gütigster Gott, wenn du willst, gib mir so
viel Reue, dass dieser heilige Mann getröstet wird! Ich bitte um Gnade,
barmherziger König, für all das, wofür ich schuldig bin, und hier bin ich,
bereit deinen Willen zu tun!“
Und Gott legt Hand ans Werk. Er weiß seine Seele von
Grobheit und Stolz zu befreien, um sie mit Demut zu füllen. Und die Reue ist so
groß, dass ihm das Herz bricht. Tränen fallen ihm über die Wangen; er bekommt
kein Wort heraus. Aber innerlich verspricht er nie mehr Böses zu tun. Als Gott
die Reue des Ritters sah, erfüllt er dessen einzigen Wunsch: eine große Träne
leitet er wie ein Pfeil in das Fässchen, was noch immer leer war. Und siehe,
eine einzige Träne lässt das Fass überlaufen. Als der Mönch das sah, warf er
sich zu Füßen des Grafen: „Bruder und guter Freund, du bist von der Hölle befreit!
Gott verzieh dir deine Sünden!“
„Vater, sagt der Graf, ich bin ganz dein. Du hast mir alles
Gute getan! O Vater, bei dir will ich für immer bleiben. Vor einem Jahr kam ich
hierher ganz dem Irrtum hingegeben und außer Sinnen und sagt euch meine Sünden
ohne Reue und ohne Liebe. Ich will sie heute mit tiefer Andacht alle wieder
nennen.“
„Möge Gott, der allgegenwärtig ist, deine Seele im Paradiese
aufnehmen, mein bester Freund“, sagt der Mönch. „Es sei angebetet der Herr
Jesus Christus, der dir solchen Mut gegeben hat! Siehe, hier bin ich, dich zu
hören bereit.“
Der Ritter beichtet nun wieder mit aufrechtem Herzen und
gefalteten Händen. Nachdem der Mönch ihm die Vergebung erteilte, fragte er:
„Möchtest du kommunizieren?“
„Ja, mein Vater, aber beeilt euch, denn ich merke, dass ich
sterbe.“
Gereinigt ist nun der Ritter nach der heiligen Kommunion.
Von seinen Sünden und Torheiten blieb keine Spur.
„Mein Vater, sagt er, ich gehe. Betet für mich, das Ende ist
da! Nimmt mich in eure Arme, so sterbe ich im Schutz meines Freundes.“
Der heilige Man legt seinen Arm um den Sterbenden, der auch
gleich seine Seele dem Herrn darbringt. Vor dem Altar wird er gelegt, das
Fässchen noch am Hals: nie mehr wird er sich von ihm trennen. Es bedeutete ihm
manche Pein, doch es brachte ihm das Heil. Auf seinem Herzen ruht seine Buße
und Gott hat ihm alles vergeben. Sein Leib kämpft, das Herz ist in Not. Die
Seele des Ritters entgeht. Sie schwingt sich empor ganz gereinigt: kein Flecken
bleibt übrig. Gleich wird sie von den heiligen Engeln aufgenommen, die dabei
sind. Einer großen Gefahr ist sie entkommen, weil der Teufel sie auch
abwartete. Seele und Engel fahren zum Himmel.
Dank seiner Tugenden sah der Eremit das alles (mit seinen Augen).
Vor dem Altar bleibt nichts, als der Leib des Ritters, bekleidet mit seinen
Lumpen und das Fässchen auf der Brust.
Zeichnungen: Helene A. Cathrwood und A. Phillips
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