Am 3.
September um 10 Uhr morgens
kam die unglückliche Lamballe vors Gericht.
Maria
Theresia Louise von Savoyen-Carignan, geboren den 17. September 1749, seit dem
Tode ihres Gemahls, Ludwig Alexander Josef Stanislaus von Bourbon-Penthièvre,
Prinzen von Lamballe, nicht mehr vermählt, war sie Obersthofmeisterin der
Königin (Marie Antoinette), welche sie wie eine Freundin liebte, und darum
wurde auch die Lamballe der Gegenstand des Hasses, welcher die unglückliche
Marie Antoinette traf. Er war ungerechtfertigt, ihr einziges Verbrechen war die
Hingabe an die Königin; selbst der Conventsmann Mercier (1) gibt ihr das
Zeugnis: „Sie hat mitten in unsern Wirren nie eine politische Rolle gespielt;
nichts konnte sie in den Augen des Volkes verdächtig machen, bei dem sie nur
durch ihre immer rege Wohltätigkeit bekannt war.“
Ehe
die Königin nach Varennes floh, teilte sie ihren Plan der Lamballe mit, und
diese reiste zur selben Zeit über Dieppe nach England. Als die Königin gefangen
war, wollte sie ihr Unglück teilen, obschon Marie Antoinette sie warnte. Sie
kam und, je unglücklicher die Königin wurde, umso inniger wurde die
Anhänglichkeit ihrer Freundin. Sie bat es sich aus, sie in das Gefängnis des
Temple begleiten zu dürfen, um durch ihre Gesellschaft ihr Trost zu bieten.
Aber diese beispiellose Treue reizte gerade die Kommune: Unter rohen Formen, am
18. August um zwei Uhr in der Nacht, weckte ein Trupp Pikenmänner die
königliche Familie aus dem Schlafe und kündigte an: der Gemeinderat hat
befohlen, die Prinzessin Lamballe, Madame de Tourzel, die Gouvernante des
Dauphin, deren Tochter, und die vier Kammerfrauen der Königin, die Damen
Thibaut, Saint-Brie, Basile und Navarre, wegzuführen. Die Königin, ihre
Tochter, der Dauphin, Madame Elisabeth brachen in lautes Jammergeschrei aus.
Man schied mit der Ahnung, dass man sich in diesem Leben nie wieder sehen
werde. Selbst die Pikenmänner wurden vom rührenden Abschied ergriffen.
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Königin Marie Antoinette wird zur Guillotine abgeführt |
Umsonst
waren Tränen und Bitten. Die Frauen wurden nach La Force gebracht, worin eine
tödliche Beschimpfung für sie, wie für die Königin lag; denn nach La Force
kamen nur solche Frauen, die wegen ihres sittenlosen Lebens bestraft wurden.
Also bewohnte die Lamballe, deren Schönheit und Liebenswürdigkeit ganz Paris
bewunderte, die Behausung der Verworfenen ihres Geschlechtes, oder vielmehr
veredelte sie dieselbe durch ihre Gegenwart, durch ihre Mildtätigkeit und ihre
Arbeiten für die Armen; denn sie blieb auch hier ihrem edlen Sinne treu. Die
anderen Damen wurden wieder frei auf Befehl Manuels. Wie viel er Geld dafür
bekommen, weiß man nicht. Der Herzog von Penthièvre soll 150.000 Francs für die
Rettung seiner Schwiegertochter an Manuel haben auszahlen lassen und dieser,
seinem Wort getreu, so erzählt Mathon de la Varenne, soll auch die Absicht
gehabt haben, sie zu retten. Aber ihr Schwager, der Herzog von Orléans, soll
für ihre Vernichtung tätig gewesen sein, voll Hass gegen sie, weil sie ihn nach
dem 5. Oktober aus ihrem Hause verwiesen, und weil er durch ihren Tod ein
Witthum von 100.000 Talern gewann, mit denen die Güter seiner Gattin belastet
waren (2). Die Mörder, welche sie vor Gericht führten, seien die Werkzeuge des
Herzogs von Orléans gewesen.
Weber
versichert, drei Briefe, welche in ihrem Hut beim ersten Verhör gefunden
wurden, hätten den Hass gegen sie gesteigert. (3)
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Das Gefängnis La Force |
Die
Prinzessin war unwohl geworden durch den Lärm der Mörder; schreckliche Träume
raubten ihr den Schlaf – da ward sie plötzlich aufgefordert, ihnen in die Abtei
zu folgen. Sie war so schwach, dass sie sich kaum erheben konnte und bat, man
solle sie lassen, wo sie sei, sie wolle lieber hier als sonst wo sterben. Einer
der Männer, die sie abholen sollten, beugte sich über sie und flüsterte ihr ins
Ohr, sie möge gehorchen, ihre Rettung hänge davon ab. Nun bat sie die Männer,
sie einen Augenblick allein zu lassen, damit sie sich ankleiden könne. Dann
ward sie am Arm eines Soldaten aus ihrer Kammer vor das Gericht geführt,
welches Hébert und l’Huilièr leiteten. Als sie die gezückten Schwerter, die
bluttriefenden Mörder sah und das Geschrei der Opfer hörte, fiel die Prinzessin
in Ohnmacht. Ihre Kammerfrau, Madame de Navarre, brachte sie mit Mühe wieder zu
sich. Dann folge das Verhör (4). „Wer sind Sie?“ – „Marie Louise, Prinzessin
von Savoyen.“ – „Ihr Amt?“ – Oberaufseherin des Hofes der Königin.“ - „Hatten
Sie Kenntnis von der Verschwörung des Hofes am 10. August?“ – „Ich weiß nicht,
ob am 10. August eine Verschwörung stattgefunden hat; aber das weiß ich, dass
ich nichts von einer solchen wusste.“ – „Schwören Sie, der Freiheit, Gleichheit
und dem Hass gegen den König treu zu sein.“ – Ich will gerne auf die zwei
ersten schwören – das letzte kann ich aber nicht schwören; denn mein Herz
widerspricht einem solchen Eide.“ – Einer, der hinter ihr stand, raunte ihr ins
Ohr: „Schwören Sie doch, sonst sind Sie des Todes.“
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Prinzessin Lamballe vor Gericht |
Die Prinzessin gab keine
Antwort und tat einen Schritt gegen das Tor. Der Richter rief: „Bringen Sie
Madame nach der Abtei!“ Zwei starke Kerle packten sie und man öffnete das Tor.
„Rufen Sie: Es lebe die Nation!“ sagten sie ihr – aber beim Anblick der Mörder
und der Leichen rief sie erschreckt: „Mein Gott, ich bin verloren!“ In diesem
Augenblick bekommt sie auf dem Kopf eine Wunde, die ihr Antlitz mit Blut
überrieseln macht. Ein Kerl schlägt sie zu Boden, andere geben ihr mit Piken
und Säbeln den Rest: Ihr schöner Leib wird dann entkleidet und aufs
schmachvollste verstümmelt, - eines dieser Ungeheuer verzehrte ihr Herz und
nannte es das leckerste Gericht. Der Kopf, dessen Angesicht der Tod veredelte,
ward zuerst auf dem Tische eines Schanklokals zur Schau ausgestellt, und dabei
auf ihren Tod getoastet, dann wurde er auf einer Pike, welche ihre glänzenden
blonden Locken bedeckten, durch die Straßen getragen zu den Häusern, wo sie
gewohnt oder die sie häufig besucht hatte, gleichsam als ob sie im Tode noch
ein Gefühl dafür hätte. Ein Perückenmacher ergriff die Gelegenheit, den Kopf
einiger seiner schönsten Locken zu berauben.
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Ermordung und Enthauptung der Prinzessin von Lamballe |
Auf einmal hieß es unter den
Schurken, man muss den Kopf im Temple den Gefangenen zeigen, damit sie sehen,
wie sich das Volk an seinen Feinden rächt. – Der König wird aufgefordert, sich
dem Volk zu zeigen – da wird ihm der Kopf entgegengehalten, den er mit
Schrecken erblickt. Auch die Königin soll ans Fenster kommen, der König hält
sie auf und führt sie weg. Dennoch erfuhr sie denselben Abend alles und musste
deutlich erkennen, welches Schicksal ihr selber bevorstand.
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Der Kopf der Prinzessin wurde auf einer Pike durch die Straßen von Paris getragen |
Sofort
wurde der Kopf zum Palais Royal getragen und der Herzog von Orléans
herausgerufen – er saß gerade mit seiner neuen Geliebten, der Witwe Buffon, bei
der Tafel. Kalt betrachtete er das Haupt; den Mord seiner Schwägerin zu tadeln,
wagte der „Volksfreund“ nicht, er sagte bloß: „Die arme Frau! hätte sie mir
gefolgt, ihr Kopf stäke nicht da.“ – Aber Madame Buffon sank vor Schreck auf
einen Stuhl, bedeckte die Augen mit den Händen und rief: „Mein Gott! man wird
meinen Kopf eines Tages auf gleiche Weise herumtragen.“ – Eine Hofdame der
Königin, zu der man das Haupt gleichfalls trug, sank beim Anblick ohnmächtig
zusammen und starb nach wenigen Tagen infolge des Schreckens.
Die Nachricht vom schrecklichen Schicksal seiner Schwiegertochter gab dem Herzog von Penthièvre den Tod. „Großer Gott!“ rief er, „... Jahrelang habe ich mit ihr gelebt und habe nie einen Gedanken in ihrer Seele gefunden, der nicht für die Königin, für mich und für die Armen gewesen wäre. Und diesen Engel konnten sie in Stücke reißen.“
(1) Mercier, Le nouveau Paris, I, 2e. edition, p.101
(2)
Buchez et Roux, l.c. XVII, p.417, wird diese Angabe mit Grund bestritten. –
Lescure, l.c. p.381- 382
(3)
Weber, Mémoires, II, p.349
(4) So
gibt es Peltier, Hist. de la Révol. du 10 Août, XI, p.339, und nach ihm die
Hist. parlem., XVII, p.418.
Quelle:
J. B. Weiß, Weltgeschichte. XVI. Bd., 3. Aufl., Ss. 175-178