Freitag, 23. August 2019

Warum integrale Ökologie die Zivilisation zerstören wird



Guido Vignelli
Ökologischer Paradigmenwechsel
Es ist allgemein bekannt, dass das in unserer Gesellschaft noch vorhandene wenige und stabile Gute, Überreste der christlichen Zivilisation sind. Dieselbe Zivilisation, die vor zweitausend Jahren begründet wurde, ermöglichte es den Menschen das aufzubauen, was zu Unrecht als mittelalterliches Christentum bezeichnet wird.
Heute versucht die vorherrschende intellektuelle Klasse, die sinkende „moderne Zivilisation“ durch eine „neue kulturelle Synthese“ zu ersetzen, durch die Entwicklung einer neuen Vorstellung von Welt, Mensch und Gott.
Während des gesamten 20. Jahrhunderts versuchten Säkularisten (Areligiöse) und Christdemokraten, ein Programm aufzulegen, zur Förderung eines nachchristlichen, säkularen (rein weltlichen) „integralen (ganzheitlichen) Humanismus“, der weder religiös noch atheistisch sei sollte. Das Ergebnis war, dass die katholische Welt diese Säkularisierung aufnahm, die dann Entchristianisierung der Gesellschaft herbeiführte.
Heute bemühen sich Philosophen, Soziologen, Politikwissenschaftler, und sogar Theologen, einen „neuen Humanismus“ zu erfinden, der ein „gemeinsames Zuhause“ schaffen soll, um die moderne Gesellschaft vor ihren Widersprüchen und Krisen zu befreien.
Dieses Programm enthält jedoch Paradoxien, die an Provokationen grenzen. Der gepriesene „neue Humanismus“ besteht eigentlich aus einer „ganzheitliche Ökologie“, die den Menschen zu einem Bestandteil der Umwelt reduziert. Das geplante „gemeinsame Haus“ wird auf eine sozio-biologische Umwelt reduziert, die mit dem Ökosystem Erde identisch ist. Die gewünschte „neue Zivilisation“ würde sich aus der Verabschiedung von den kulturellen, sozialen und politischen Grundlagen der traditionellen und christlichen Zivilisation ergeben.
Dieses Programm schließt jegliche Bezugnahme auf die Erlösung, das Heil der Seele, das übernatürliche, ewige Leben oder sogar auf Gott aus. Es basiert auf einer irdischen und immanenten Auffassung der Welt, des Menschen und der Religion.


Diese Standpunkte und Vorschläge sind bereits in der Enzyklika von Papst Franziskus zu finden, die sich der Ökologie widmet (Laudato si, 2015). Die Vorbereitungskommission der kommenden Oktober-Sondersynode der Bischöfe über Amazonas hat sie unter dem Motto eines neuen Paradigmas auf die Spitze getrieben: „Ganzheitliche Ökologie“.
Im Vorwort des offiziellen Vorbereitungsdokuments der Synode wird die Bekehrung von Völkern, Staaten und sogar der Kirche vorgeschlagen durch die Einführung eines „ganzheitlichen Entwicklungs- und Ökologieprozesses“, der darauf abzielt, „Vielfalt“ und „Pluralismus“ in allen Bereichen zu fördern, nicht nur im Umweltbereich, aber auch im menschlichen, das heißt sozial, kulturell und sogar religiös.
Das Programm für eine „ganzheitliche Ökologie“
Lassen wir uns nicht von der Bezeichnung „ganzheitlich“ täuschen, das die Synode vor dem Wort „Ökologie“ setzt. Solche Manöver erwecken den Eindruck, dass es sich um eine integrale Ideologie handelt, die nicht vermindernd und parteiisch, sondern ausgewogen und kohärent ist, da sie sich mit allen Aspekten der Realität befasst.
Im Gegenteil, diese Ökologie ist nicht in eine christliche Auffassung integriert, sondern diese ist in ein ökologisches Programm integriert. Religion, Kultur und Zivilisation werden im Ökosystem auf Umweltfaktoren reduziert, die mit dem Planeten Erde identifiziert werden, wie dies im Vorbereitungsdokument (insbesondere in Teil II, Abschnitt 9) eindeutig zu finden ist.
Dieser Ökologismus ist eine Ideologie, die behauptet, die traditionelle hierarchische Vision der Beziehung zwischen der Welt, dem Menschen und Gott stürzen zu wollen. Die göttliche Offenbarung stellt die Schöpfung in den Dienst des Menschen, den Menschen in den Dienst der Kirche und die Kirche in den Dienst Gottes. Das neue ökologische Programm dreht diese Abfolge um und stellt Gott und die Kirche in den Dienst der Integrität des Menschen und den Menschen in den Dienst der Integrität der Natur. Diese natürliche Integrität besteht aus kosmischer Bioverschiedenheit und Umweltbalance (umweltliches Gleichgewicht). Das genannte Dokument versucht, diese neue Anordnung zu rechtfertigen, indem es behauptet, dass in der Schöpfung „alles miteinander verbunden ist“ (Nr. 13). Alle Elemente dieses Schemas sind auf gleichgeschalteter Basis miteinander verbunden.
Bei dem Versuch, die Massen und Völker zu verführen, müssen Ökologen die ursprünglichen und atavistischen Gefühle und Instinkte des Menschen ausnutzen, einschließlich religiöser oder para-religiöser Natur. Obwohl oft von Atheisten oder Agnostikern angepriesen, bekennt sich die „ganzheitliche Ökologie“ implizit zu einer eigenen Religion: der Verehrung der Mutter Erde, wie sie in der Kosmolatrie (Anbetung des Kosmos) oder im „Kult der Gaia“ konkretisiert wird.
Ökologen haben auch einen eigenen (falschen) Prophetismus von apokalyptischer Art, der sich in Vorhersagen einer bevorstehenden Umweltkatastrophe äußert. Obwohl diese Prognosen von Zeit zu Zeit von den Fakten geleugnet werden, werden sie von den Ökologen weiterhin als unmittelbar bevorstehend eingestuft, wenn sie auch hartnäckig immer wieder auf ein zukünftiges Datum gedrängt werden.
Diese apokalyptische Besessenheit ähnelt dem Fanatismus der Zeugen Jehovas so sehr, dass Umweltkatastrophisten nun als „Zeugen Gaias“ oder der Mutter Erde gebrandmarkt werden. Diese beiden Zeugen fordern die Öffentlichkeit auf, blind ihren terroristischen Vorhersagen zu vertrauen, auch wenn diese stets durch Ereignisse geleugnet und ständig verschoben werden. Darüber hinaus, wie Psychologen sagen, „diejenigen, die die Angst regieren, regieren die Gesellschaft“.
Ein solcher Ökologismus ist also wirklich unnatürlicher Götzendienst und widerspricht der Zivilisation. Es setzt eine Vision Gottes, der Welt und des Menschen zwischen modernem Materialismus und „postmodernem“ Pantheismus voraus. Deshalb ist die „Integrative Ökologie“ tatsächlich ein Faktor des Zerfalls von Religion, Kultur und Gesellschaft.
Recycling gescheiterter Ideologien
Bei den Bemühungen der ökologischen Bewegung um Recycling handelt es sich nicht um Abfall, sondern um Konzepte, Pläne und Mottos alter revolutionärer Ideologien wie des Marxismus und des noch utopischeren Sozialismus. Sie ist erfahren darin, alle an die aufkommenden kulturellen Krisen anzupassen und neue Strategien zu formulieren, um die öffentliche Meinung zu erobern.

Karl Marx

Zum Beispiel haben Umweltschützer den Kampf des Proletariats instrumentalisiert, um vom kapitalistischen System „entfremdete“ Wirtschaftsgüter zurückzugewinnen. Sie tun dies, indem sie den Kampf des Subproletariats der Dritten Welt reciceln, um vom Weltkapitalismus „beschlagnahmtes und ausgebeutetes“ Land zurückzuerobern. Sie beschuldigen die Kapitalisten, eine „ausbeutende“ produktivistische und konsumistische Wirtschaft zu verbreiten, die die „ursprüngliche Unschuld“ des Menschen verderbt und die Autonomie der „Peripherien der Welt“ „unterdrückt“.
Darüber hinaus greift der Ökologismus den Mythos des „edlen Wilden“ aus dem 18. Jahrhundert und das Motto des 19. Jahrhunderts auf, das eine „Rückkehr zur Barbarei“ forderte und auf die städtischen proletarischen Massen anspielt, die evangelisiert werden müssen. Diese Ideologie wandelt dieses Motto in ein neues um und fordert eine „Rückkehr zu den Wilden“, die auf Bevölkerungsgruppen in „Peripherien der [Dritten] Welt“ anspielt, die von der fortgeschrittenen Gesellschaft ausgegrenzt werden.
Die „religiösen Umweltschützer“ kehren das Konzept der Evangelisierung um. Zum Beispiel sollten Völker und Stämme wie die im Amazonasgebiet nach dem oben erwähnten Vorbereitungsdokument (Nr. 13) nicht von der Kirche evangelisiert werden, sondern die Kirche muss sich von ihnen evangelisieren lassen.
In Bezug auf ihr Modell der „nachhaltigen Wirtschaft“ recyceln Ökologen das alte Modell des utopischen Sozialismus (ab Fourier). Sie schlagen eine Ablehnung nicht nur des Konsums, sondern auch des Marktes, der Industrie und des Privateigentums vor. Während dieses Projekt behauptet, eine Gesellschaft zu schaffen, die „nüchtern, sparsam und glücklich“ wäre, schafft es tatsächlich Armut und sowohl wirtschaftliches als auch moralisches Elend.
Von der Stadt als Zivilisationszentrum in den Dschungel als unzivilisierten Rand
Das Leben in der Gesellschaft basiert nicht nur auf Religion, sondern auch auf einer rechtsstaatlich politisch organisierten Zivilisation. Das Wort „Zivilisation“ stammt aus dem Lateinischen civitas und bedeutet Stadt, verstanden als stabile Gemeinschaft, die in städtischen Zentren organisiert ist. Das Wort „politisch“ kommt von der griechischen polis, was auch Stadt bedeutet, und bezieht sich auf Stadtverwaltung und Regierung. Das Wort „Gesetz“ spielt auf das griechische jusand und das lateinische rectitude an. Daher kann eine einfache private Gewohnheit oder ein öffentlicher Brauch nicht durch die bloße Tatsache gerechtfertigt werden, dass es sich um eine „gelebte Situation“ handelt, wie es heute heißt, sondern muss dazu tendieren, den Zustand eines objektive Gutes zu erreichen.
Die Geschichte zeigt, dass Hochkulturen geboren werden, wenn menschliche Familien oder Gemeinschaften das nomadische Leben der Jäger aufgeben oder das sesshafte Leben der Sammler entwickeln, sich in stabilen Städten vereinen, sich politisch unter einer Autorität organisieren und sich mit dem öffentlichen Recht regieren, was historisch gesehen, korrigiert und durch christliches Recht bereichert werden kann.
Im Gegensatz dazu ersetzt die von Ökologen geträumte „neue Zivilisation“ nicht nur die Stadt durch den Wald, die Politik durch die Ökologie, sondern ersetzt auch die Rechtsstaatlichkeit durch die tatsächliche Situation der wilden Stämme, deren Ideen und Bräuche koste es, was es wolle, gerechtfertigt und gefördert werden müssen. Ökologen lehnen nicht nur den Kapitalismus oder die Technokratie, sondern auch den Staat, die Stadt und sogar die Familie ab und ersetzen sie durch eine Gemeinschaft von Gütern und eine spontane und gelegentliche Gemeinschaft oder einen Stamm, d.h. jene primitiven Formen der Vereinigung, die typisch sind für barbarische oder wilde Gemeinschaften, die ihre Mitglieder mit einem wirklich bürgerlichen Leben nicht versorgen können, geschweige denn einem fortgeschrittenen.
Dieselbe ideologische Propaganda, die die politischen Verfassungen und die (für jedermann anzuerkennenden) Staatsbürgerschaftsrechte hochlobt, fördert paradoxerweise eine „integrale Ökologie“, die die Grundlagen der Zivilgesellschaft ablehnt, die sich nicht nur in Politik oder Recht, sondern auch in Kultur und Familie manifestiert. So bereitet die „neue ökologische Zivilisation“ tatsächlich eine Art Anti-Zivilisation vor.
Giambattista Vico

Dieses ökologische Programm steht im Einklang mit der Zivilisationsdiagnose des bekannten italienischen Philosophen und Historikers Giambattista Vico in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, die er als durch die „sinnlose Kultur“ der Aufklärung korrodiert sah. Vor drei Jahrhunderten argumentierte er, dass Zivilisationen, die auf unorganisierte Weise Fortschritte machen, dazu neigen, ihre moralischen und religiösen Wurzeln zu leugnen und in eine zynische und unheilige Anti-Zivilisation geraten, die sie in den barbarischen oder wilden Staat zurückversetzt. Diese Regression ist sehr gefährlich, weil sie fortschrittliche konzeptionelle und technologische Instrumente in den Dienst unmoralischer und unordentlicher Leidenschaften stellt. Vico kam zu dem Schluss, dass die einzige Rettung von dieser Gefahr darin bestehe, den überlebenden religiösen und moralischen Geist im Bewusstsein der Bevölkerung wiederherzustellen. Diese Lösung sollte für die heutige sterbende Zivilisation vorgeschlagen werden.

Guido Vignelli
Ist Geisteswissenschaftler für Ethik, politische Philosophie und Kommunikation. 1982 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern des Centro Culturale Lepanto und 1987 der Associazione Famiglia Domani, beide in Rom. Von 2001 bis 2006 war er Mitglied der von der italienischen Präsidentschaft im Ministerrat eingerichteten Kommission für Familienforschung. 2015 arbeitete er mit der Aktion „Ergebene Bitte“ zusammen, einer weltweiten Kampagne, in der Papst Franziskus aufgefordert wurde, in die Bischofssynode für die Familie zu intervenieren und deren unklare Aussagen zu korrigieren. Er ist Autor des Buches „Eine Pastorale Revolution“ und Schüler von Professor Plinio Corrêa de Oliveira.
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Anm.: Nicht alle Ideen in diesem Artikel spiegeln notwendigerweise die Position von Pan-Amazon Synod Watch und diesem Blog wider.
Quelle des englischen Originals in
http://panamazonsynodwatch.info/articles/commented-news/integral-ecology/
vom 26.06.2019
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