Donnerstag, 24. März 2011

„Meine geliebte Mutter ...

 ... Ich erinnere mich ihrer aus jener Zeit (ich war 6 Jahre alt) als einer jungen, sehr wohlgebildeten Frau mir edeln Gesichtszügen, hellen, geistvollen Augen und einer großen Fülle des schönsten blonden Haares.Ihre Gestalt war von mittlerer Größe und proportioniert, ihr Wesen und Benehmen einfach und wahrhaftig, ihr Urteil trffend. Sie hatte eine sorgfältige Erziehung genossen, war ungewöhnlich kenntnisreich, und ihre vielseitige Bildung befähigte sie, nicht nur die guten Vorzüge einer guten Gesellschaft zu würdigen, sondern auch das Gespräch der ausgezeichneten Männer, die ihr Haus besuchten, anzuregen und zu beleben.
Letzetres geschah indessen mit so viel weiblicher Zurückhaltung, daß die wenigsten ihrer Gäste die ganze Fülle ihres geistigen Reichtums ahnen mochten; und von ihrer hoher künstlerischen Begabung, ... wußten nur die allernächsten Freunde. Ihre schönen Sepiabilder, die sie noch als Mädchen zu eigener Lust und meist nach eigenen Ideen ausgeführt, schmückten die Wände der Schlaf- und Kinderzimmer, die nur von Hausgenossen betreten wurden, und ihre Harfe wie ihr Flügel tönten nur vor Mann und Kindern.
Diese liebe Mutter strebte nach keiner anderen Ehre als der einer guten Frau und Mutter.Mit ihren Kindern beschäftigte sie sich treu und unablässig und war gewissenhaft bemüht, nichts zu versäumen, was zu unserer Menschenbildung dienlich schien. ... sie lernte alle erdenklichen Jugendfeinde des Leibes und der Seele kennen, eine Legion unablässig stürmender Teufel, vor denen ihre Kinder zu bewahren die Kraft der nesten Mutter doch nie ganz ausreicht.
Was sie indessen konnte, tat sie mit Treue. Sie lehrte uns die Hände falten und beten, leitete uns zu gewissenhaftester Wahrheitsliebe an, belog uns nie, auch nicht im Scherz und Spiele, und ließ uns ganz besonders niemals müßig gehen. ...
In ihrem Wesen blieb meine Mutter sich immer gleich. Es lag nicht in ihrer Natur, die Zärtlichkeit zu zeigen, die sie im Herzen trug, sie tändelte nie mit mir und ließ mir keine Unart durch; aber sie erschreckte mich auch nie durch Launen und Heftigkeit und gab mit das Bewußtsein, daß niemand in der Welt mich lieber habe als sie. Zum höchsten Lohn für außerordentliche Tugend durfte ich einen Kuß auf die Stirn von ihr erwarten ...
Nur sekten strafte meine Mutter, suchte mich aber immer zur Einsichtmeines Unrechts zu bringen und war ein so geschickter Bußprediger, daß ich mich stets beschämt und ganz geneigt fand, Abbite zu tun.“
(Aus „Jugenderinnerungen eines alten Mannes“ von Wilhelm von Kügelgen, geb. 1802, Sohn des Malers Gerhard von Kügelgen und der mit ihm vermählten Frau Marie Helene Freiin Zöge von Manteuffel)

Sonntag, 13. März 2011

Franz Joseph, Kaiser von Österreich-Ungarn, wäscht die Füße der Armen am Gründonnerstag

Im Jahr 1850 nahm Franz Joseph zum ersten Mal als Kaiser an der Zeremonie der Fußwaschung des Gründonnerstags teil. Der Personaloberst und die Prälaten des Hofes wählten zwölf arme alte Männer der Stadt Wien, brachten sie in die Hofburg und ließen sie im Festsaal auf einem erhöhten Podest Platz nehmen. Dort, vor einem geladenem Publikum, das die Szene von Tribünen aus beobachtete, reichte der Kaiser den Männern eine symbolische Mahlzeit und die Erzherzöge
reinigten das Geschirr. Als ein Priester in lateinischer
Sprache die Worte des Evangeliums las: "Und er
fing an, den Jüngern die Füße zu waschen"
(Joh 3.15), kniete Franz Joseph vor jedem
einzelnen der zwölf alten Männer nieder und
wusch ihnen die Füße, wie es Jesus an seinen Jüngern getan hatte. Schließlich, bevor die Alten mit einer kaiserlichen Kutsche, nach Hause gefahren wurden, legte der Kaiser ein Säcklein mit zwanzig Silberstücke
um den Hals eines jeden.
Kaiser Franz Josef wäscht die Füße 12 armer Männer am Gründonnerstag

Daniel L. Unowsky, The Pomp and Politics of Patriotism: Imperial Celebrations in Habsburg Austria 1848-1916 (West Lafayette, Ind.: Purdue University Press, 2005), p. 29.
Short Stories on Honor, Chivalry, and the World of Nobility-no. 55