Samstag, 29. November 2014

Im Winter

Schlittschuhlaufende Kinder

Percy Tarrant (1883-1904)

In einer Winterlandschaft sehen wir Schlittschuhlaufende Kinder. Ein Mädchen, auf dem Eis noch unsicher, lässt sich von zwei Knaben ziehen. In ihrem warmen roten Mantel ist sie vor Kälte geschützt, eine Mütze bedeckt die goldenen Locken. Ihre Freunde haben Spaß daran, sie schnell rund um den See herum zu führen.
Die Sonne zeigt sich und lässt den Himmel in rosigem Licht erscheinen. Man spürt die beißende Kälte. Ein Schlittschuhläufer kommt auf uns zu. Er schiebt einen Schlitten, auf dem ein junges Mädchen sitzt.
Diese Bild fasziniert uns durch die Bewegung, das Licht und die Farben. Die Nähe der Personen im Vordergrund lässt uns davon träumen, selbst einer dieser Schlittschuhläufer zu sein.
Wir erinnern uns an die kleinen Freuden des Lebens, die unbeschwerten fröhlichen Spiele und Vergnügungen, Freundschaft und Vertrauen einer glücklichen Kindheit. Welch ein Gegensatz zu unserer heutigen hektischen Welt.

(Aus dem Kalender „365 Tage mit Maria“ 


von der Aktion „Deutschland braucht Mariens Hilfe“, Januar 2013)

Donnerstag, 27. November 2014

Die Leie in Astene

Die Leie in Astene 1890
Emile CLAUS
Groeninge Museum, Brügge


Das Herbstlicht strahlt in den hohen Gräsern am Ufer der Leie, ein Fluss, den der Maler gut kennt, da er in dieser Gegend geboren ist und lange Zeit dort gelebt hat.
Die Vegetation im Vordergrund ist so realistisch dargestellt, dass man glaubt, die Blätter rascheln und die Insekten brummen zu hören und den angenehmen Duft, der sich dort verbreitet, spüren zu können.
Zwei Kinder gehen an der Uferböschung, der Sonnenstrahl betont ihre Silhouetten. Man bemerkt die schöne Haltung des Mädchens mit seinem über die Schulter geworfenen Schal, einem schwarzen Käppchen auf dem Haar, einen Korb in der Hand. Der kleine Knabe bleibt stehen und betrachtet uns ohne Scheu. Auf der anderen Seite macht sich ein Mann bereit, in sein Boot zu steigen, ein einfaches Gehöft steht im Schatten der Bäume, die Wäsche trocknet in der Sonne, ausgebreitet auf dem Gras neben den Heuschobern.
Emile Claus, Maler der Sonne, liefert uns hier einen wunderbaren Eindruck eines einfachen und geordneten Lebens, weit weg von fieberhafter Hektik.


(Aus dem Kalender „365 Tage mit Maria“ 


von der Aktion „Deutschland braucht Mariens Hilfe“, September 2009)

Samstag, 8. November 2014

Die Eine, Heilige, Katholische und Apostolische Kirche


Papst Bonifaz VIII.
Eine heilige katholische apostolische Kirche müssen wir im Gehorsam des Glaubens annehmen und festhalten. Und wir glauben diese fest und bekennen sie schlicht, und außer ihr gibt es kein Heil und keine Vergebung der Sünden. In ihr ist ein Herr, ein Glaube, eine Taufe.

Zur Zeit der Sintflut gab es eine Arche Noahs, und diese deutete im voraus hin auf die eine Kirche. Alles, was nicht in ihr war, wurde vernichtet. Von dieser einen und einzigen Kirche also gibt es nur einen Leib und ein Haupt, Christus nämlich und Christi Stellvertreter, Petrus und Petri Nachfolger; sagt doch der Herr zu Petrus selbst: „Weide meine Schafe“ (Joh. 21,17). „Meine“ sagt er, und meint das im allgemeinen, nicht nur im einzelnen diese oder jene. Und daraus sieht man, dass er ihm alle anvertraut hat.

Sagen also die Griechen oder andere, sie seien Petrus und dessen Nachfolgern nicht übergeben, so müssen sie auch bekennen, dass sie zu den Schafen Christi nicht gehören; denn der Herr sagt bei Johannes: „Es gibt nur eine Herde und einen Hirten“ (Joh. 10, 16).

Eike von Repgow, Sachenspiegel.
Die Wolfenbüttler Bilderhandschrift .
Dass dieser über zwei Schwerter zu verfügen hat, ein geistliches und ein weltliches, das lehren uns die Worte des Evangeliums (Lukas 22, 38). Denn als der Apostel sagte: „Siehe, hier sind zwei Schwerter“, nämlich in der Kirche... da antwortete der Herr nicht: „Es ist zu viel!“ sondern: „Es ist genug!“ Wer nun sagt, in des Petrus Hand sei das weltliche Schwert nicht, der merkt nicht recht auf des Herrn Wort, der da sagt: „Stecke dein Schwert in die Scheide!“ (Matth. 26, 52). Beide Schwerter hat die Kirche in ihrer Gewalt, das geistliche und das weltliche. Dieses aber ist für die Kirche zu führen, jenes von ihr. Jenes gehört dem Priester, dieses ist zu führen von der Hand der Könige und Ritter, aber nur wenn und solange der Priester es will. 

Ein Schwert aber muss dem anderen untergeordnet sein; die weltliche Macht muss sich der geistlichen fügen. Denn der Apostel sagt: „Es ist keine Obrigkeit außer von Gott, wo aber Obrigkeit besteht, ist sie von Gott verordnet“ (Römer 13, 1). Sie wäre aber nicht geordnet, wenn nicht ein Schwert unter dem anderen stände und gleichsam als das niedere von der Hand eines anderen nach oben gezogen würde. Dass aber die geistliche Macht an Würde und Adel jede weltliche überragt, müssen wir um so freier bekennen, als überhaupt das Geistliche mehr wert ist als das Weltliche. Das ersehen wir auch deutlich aus dem Regiment in der Welt. Denn in Wahrheit: Die geistliche Macht hat die weltliche einzusetzen und ist Richterin über sie, wenn sie nicht gut ist. So bewahrheitet sich über die Kirche und die kirchliche Gewalt die Voraussage des Propheten Jeremia: „Siehe, ich habe dich heute über Völker und Reiche gesetzt“ (Jer. 1, 10) ...

Wenn also die weltliche Macht in die Irre geht, so wird sie von der geistlichen gerichtet werden; irrt die geistliche auf einer niederen Stufe, so wird sie gerichtet werden von der, die über ihr steht; irrt aber die höchste, so wird sie allein von Gott gerichtet werden können, nicht aber von einem Menschen, wie der Apostel bezeugt: „Der geistliche Mensch richtet alles, er selbst aber wird von niemand gerichtet“ (1. Kor. 2, 15). Es ist aber diese Macht, auch wenn sie einem Menschen gegeben ist und von einem Menschen ausgeübt wird, keine menschliche, vielmehr eine göttliche, nach Gottes Wort dem Petrus gegeben, ihm und seinen Nachfolgern von Christus selbst, den Petrus, der feste Fels, bekannte, zu dem dann der Herr sagte: „Was du auf Erden bindest. . .“ (Matth. 16, 19).

Wer sich also dieser von Gott so geordneten Gewalt widersetzt, der widerstrebt Gottes Ordnung... So erklären wir denn, dass alle menschliche Kreatur bei Verlust ihrer Seelen Seligkeit untertan sein muss dem Papst in Rom, und sagen es ihr und bestimmen es.

Bonifaz VIII., „Unam sanctam“, 13. November 1302


(Quelle: Lautemann/Schlenke, Geschichte in Quellen II – Mittealter (1970), 786)

Donnerstag, 6. November 2014

Staat und Kirche trennen zu wollen ist ein schwerer Irrtum


„Der Grundsatz, dass Staat und Kirche getrennt werden müssen, ist fürwahr vollständig falsch und im höchsten Grade verderblich. — Denn wer sich zur Auffassung bekennt, dass der Staat sich in keiner Weise um die Religion kümmern dürfe, fügt erstens Gott eine große Beleidigung zu, der ebenso Begründer und Erhalter der menschlichen Gesellschaft wie des Lebens der einzelnen Menschen ist. Deshalb kann sich der Kult nicht in den Bereich des Privatlebens zurückziehen, sondern er muss ein öffentlicher sein. – Ferner liegt diesem Grundsatz deutlich die Leugnung des Übernatürlichen zugrunde. Denn hierbei werden die staatlichen Unternehmungen ausschließlich nach der Wohlfahrt dieses sterblichen Lebens bemessen, die lediglich die nächste Angelegenheit der bürgerlichen Gesellschaft ist. Die höchste Angelegenheit der Bürger aber, die ewige Seligkeit, die jenseits des kurzen Erdenlebens auf uns wartet, vernachlässigt er vollständig als eine dem Staat fremde Sache. Und doch sollte das Staatswesen gemäß der Gesamtordnung der vergänglichen Dinge für die Erreichung des absoluten, höchsten Gutes nicht hinderlich, sondern förderlich sein. — Sodann durchbricht er die von Gott mit höchster Weisheit getroffene Ordnung der menschlichen Dinge, die ohne Zweifel die Eintracht zwischen der religiösen und der bürgerlichen Gesellschaft fordert. Denn da beide, wiewohl auf getrenntem Gebiete jede für sich, doch eine Herrschaft über dieselben Menschen ausüben, so müssen sie oft Fragen in Angriff nehmen, deren Beurteilung und Lösung beide Teile betrifft. Wo nun der Staat mit der Kirche keine Beziehungen unterhält, da werden solche Fragen leicht zum Anlass von Streitigkeiten, die für beide Teile recht bitter sind und - was die Geister nicht wenig bedrückt – den Sinn für die Wahrheit trüben. Das hat schließlich auch für den Staat sehr große Nachteile im Gefolge. Bei Zurücksetzung der Religion kann die bürgerliche Gesellschaft nicht blühen, noch festen Bestand haben. Jene ist nämlich die oberste Führerin und Lehrerin der Menschen für die gewissenhafte Beobachtung von Recht und Pflicht.“

Aus der Enzyklika „Vehementer Nos esse“ vom hl. Pius X., vom 11. Februar 1906

Wandernde Zigeuner im Schnee

Wandernde Zigeuner im Schnee – 1880
Gustav SEYFFERTH
 Neue Galerie Graz am Landesmuseum Joanneum

Eine kleine Gruppe Zigeuner bewegt sich auf tief verschneiten Wegen mühsam vorwärts. Ein Kamel trägt das Zirkuszelt und den großen Kassenschalter; der goldfarbene Trichter einer Trompete ragt aus einem Bündel hervor; ein Knabe führt einen Bären mit Nasenring an einer Kette; ein kleiner Affe, in den Armen einer Frau kauernd, schaut uns ängstlich an. Weit hinten folgt ein Wohnwagen.
Im Mittelpunkt der Patriarch dieser großen Familie. Stolz, ruhig, selbstsicher, führt er seine Leute durch dieses Leben voll Abenteuer und Armut. Als vornehmer Mann in Lumpen, eine Feder an seinem Hut, eine Kette auf seiner Brust und ein Lächeln auf seinen Lippen bewahrt er seine Würde in jeder Situation. Argwöhnische Blicke, die ihn manchmal treffen, prallen ab. Durch einen inneren Frieden gestärkt, kann ihn keine Schwierigkeit von seiner Aufgabe abhalten: von Dorf zu Dorf zu ziehen und den Kindern Freude zu bringen.

(Aus dem Kalender „365 Tage mit Maria“ 


von der Aktion „Deutschland braucht Mariens Hilfe“, Februar 2009)

Mittwoch, 5. November 2014

Winterfreuden

Die Eisvögel – 1891
Emile CLAUS
Museum voor Schone Kunsten – Gent/Belgien

Wie Vögel auf dem Eis spielen Kinder auf einem zugefrorenen Fluss. An diesem Winternachmittag umschließt der Horizont eine durch die Kälte erstarrte Natur mit rosafarbenem Schimmer. Weit weg die Silhouetten der Dächer eines Gehöftes und einiger Bäume.
Das Licht des Tages spiegelt sich in der Winterlandschaft wider und durchflutet das ganze Bild. Es lässt das Eis im Vordergrund glänzen und beleuchtet den Schnee, der die Felder bedeckt und wie Pailletten auf dem Fluss verstreut liegt. Dieses Licht hat nicht die Kraft zu erwärmen, aber es lässt das vergebliche Bemühen der unsichtbaren, weit entfernten Sonne ahnen.
Die Kinder in Holzschuhen, Eisen beschlagene Stöcke in Händen, mit denen sie ihre kleinen Schlitten vorwärts stoßen, trotzen der strengen Kälte und erfreuen sich daran, über die Uferböschung und den erstarrten Fluss zu gleiten. Eine friedliche Kindheit, unbelastet von Fernsehen, Internet und Videospielen.

(Aus dem Kalender „365 Tage mit Maria“ 


von der Aktion „Deutschland braucht Mariens Hilfe“, Januar 2009)

Samstag, 1. November 2014

Der Adel des Blutes ist ein starker Ansporn, tugendhaft zu leben


Aus dem hervorragenden Text der Homilie des heiligen Karl Borromäus (1538-1584), Erzbischof von Mailand, zum Fest der Geburt Unserer Lieben Frau, am 8. September 1584:

„Der Anfang des Evangeliums des Matthäus, das euch vor kurzem, von hier aus, durch die Heilige Mutter Kirche verkündet wurde, regt uns vor allem dazu an, aufmerksam den Adel, die hervorragende Abstammung und die Erhabenheit der Allerheiligsten Jungfrau zu untersuchen. Wenn man als Adeligen denjenigen anzusehen hat, der diese Ehre von verdienstvollen Ahnen übertrugen erhalten hat, wie überragend ist dann erst der Adel Mariens, der sich von Königen, Patriarchen, Propheten und Priestern aus dem Stamme Juda, der Geschlecht Abrahams und dem königlichen Geschlecht Davids ableitet?

Auch wenn wir es nicht übersehen, dass wir selbst vom wirklichen Adel — dem christlichen — sind, den uns allen der Erstgeborene des Vaters verliehen hat, als Er ,allen, die Ihn aufnahmen, die Macht gegeben hat, Kinder Gottes zu werden‘ (Joh 1,12) und dass allen gläubigen Christen diese Würde und dieser Adel zu eigen ist, glauben wir doch, dass der Blutsadel keineswegs zu verachten oder gar abzulehnen ist. Im Gegenteil, wer diesen Blutsadel nicht als Gabe und einmalige Gunstbezeugung Gottes anerkennen und Gott, dem Spender aller guten Gaben, ganz besonders dafür danken würde, wäre absolut unwürdig, ein Adeliger genannt zu werden. Dies schon deshalb, weil die Verrohung eines undankbaren Charakters, wie sie schändlicher nicht zu denken ist, den Ruhm der Vorfahren verdunkeln könnte. Denn der Blutsadel trägt auch viel zur wirklichen Schönheit der Seele bei und ist von nicht geringem Nutzen für sie.
Vor allem bereiten der Ruhm seines edlen Blutes, die Tugenden der Vorfahren und deren berühmte Taten, den Edelmann in wunderbarer Weise darauf vor, in die Fußstapfen seiner Ahnen zu treten. Und es kann nicht bezweifelt werden, dass auch seine eigene Eigenart mehr der Tugend zugeneigt ist: entweder, weil sein Stamm eben von diesen Ahnen herkommt und dadurch ihr Geist in ihm weiterwirkt, oder durch die dauernde Erinnerung (in ihre Tugenden, die ihm besonders teuer sind — was er zu schätzen weiß — weil sie der Ruhm seiner Blutsverwandten gewesen sind. Oder, schließlich, auf Grund der guten Erziehung, die er durch hervorragende Männer erhalten hat. Allgemein ist die Wahrheit bekannt, dass Edelmut, Großzügigkeit, hervorragende Tugenden und die Autorität der Eltern, die Kinder dazu anregen, dieselben Tugenden mit großem Eifer zu üben. Daraus ist abzuleiten, dass die Adeligen, quasi einem Naturinstinkt folgend, nach Ehre streben, den Großmut pflegen, billige Vorteile ablehnen und, mit einem Wort, all das zurückweisen, was sie als unvereinbar mit ihrer Vornehmheit ansehen.
Zum anderen regt der Adel dazu an, an den Tugenden festzuhalten. Das ist verschieden von dem erstgenannten Vorzug, der darin besteht, dass der Adelige dazu angeregt wird, eher das Gute zu tun. Jetzt aber wird weiter darauf hingewiesen, dass das Bedürfnis an den Tugenden festzuhalten, leicht Erreichbarem und heftigen Reizen gegenüber wie eine Bremse funktioniert und Lastern und allem, was des Adels unwürdig ist, entgegenwirkt. Und auch dazu führt, dass der Adelige, sollte er einmal etwas Falsches getan haben, sich sosehr dessen schämt, dass er mit allen seinen Kräften bemüht ist, sich von diesem Makel zu reinigen.

Schließlich ist auch das ein Vorteil des Adels, dass — ebenso, wie ein Edelstein mehr leuchtet, wenn er in Gold statt in Eisen gefasst ist — die gleichen Tugenden bei ihm mehr hervortreten als bei einem gemeinen Mann und dass sich die Tugend mit dem Adel als schönster Schmuck desselben verbindet.

Nicht nur ist es wahr, dass man den Adel und das Ansehen der Vorfahren als wertvoll anzusehen hat, wir betonen auch die absolute Richtigkeit der folgenden zwei Feststellungen: erstens, dass — so wie die Tugenden des Adels besonders hervortreten, ebenso — seine Laster besonders schändlich sind. Das ist leicht zu verstehen, denn, so wie Schmutz leichter an einem hellen, sonnenbeschienenen Platz, als in einer dunklen Ecke zu sehen ist, oder Flecken auf einem goldbestickten Gewand eher, als auf einem gewöhnlichen, schäbigem Kleid oder schließlich auch, Wunden und Narben im Gesicht leichter bemerkt werden als an einer verdeckten Stelle des Körpers, so sind auch Laster auffallender und entstellen schändlicher den Geist des Schuldigen bei einem Adeligen als bei gewöhnlichen Menschen. Denn es gibt wirklich nichts unwürdigeres, als einen jungen Mann, der von angesehenen Eltern und gut erzogen, den man herabgekommen, in Kneipen, beim Spiel und ausschweifenden Gelagen sehen muss.

Als zweites stellen wir fest, dass — selbst wenn jemand zum ältesten Adel gehört — dieser verblasst, wenn den Verdiensten der Vorfahren nicht die eigenen Tugenden rund Verdienste hinzugefügt werden. Denn, sollte die Reihe verdienstvollen Handelns unterbrochen werden, verliert der Betreffende seine Würde, weil, selbst wenn ein Rest des Glanzes der Vorfahren noch erkennbar wäre, dieser sicherlich zwecklos sein wird. Zwecklos, weil sein Ziel nicht mehr erreichbar ist, das darin besteht, den Träger einstigen, durch unwürdiges Handeln verlorenen Adels, für edles Handeln geneigt zu machen, das tugendhaft ist und ihn von der Sünde abhalten könnte. Und der Adel verwandelt sich für ihn zur Schande und trägt nicht das Mindeste zu seiner Ehre bei. Das ist es auch, was Unser Herr Jesus Christus den Pharisäern vorgeworfen hat, die sich dessen rühmten, Kinder Abrahams zu sein, als Er zu ihnen sagte: ,Wenn ihr Abrahams Kinder wäret, so tätet ihr Abrahams Werke‘ (Joh 8,39). Denn nur der kann sich dessen rühmen, Sohn oder Enkel und damit Teilhaber des Adels derjenigen zu sein, deren Leben und Tugenden er selbst nachzuahmen sucht. Und deshalb auch sprach der Herr zu jenen: „Ihr habt den Teufel zum Vater“ (Joh 8,44) und der allerheiligste Vorläufer Christi nannte sie ,Natternbrut‘ (Lk 3,7).

Wer kann eigentlich noch so unwissend und achtlos sein, dass er noch Gründe findet, am höchsten Adel der Allerheiligsten Jungfrau Maria zu zweifeln? Wer weiß denn nicht, dass Sie nicht nur die gleichen Tugenden wie Ihre Vorfahren besaß, sondern Sie noch bei weitem übertraf, so dass man mit allem Recht Sie die Alleredelste nennen muss, denn in Ihr hat der Glanz so berühmter Patriarchen, Könige, Propheten und Priester, deren Reihe das heutige Evangelium beschreibt, die höchste Vollendung gefunden?

Sicherlich wird jemand fragen, wieso man aus alledem, was bisher dargelegt wurde, den Adel der Vorfahren Mariens ableiten kann, wenn doch die Abstammung Josefs, des Gatten der Maria beschrieben wird. Wer aber die Heiligen Schriften genau studiert hat, wird diesen Zweifel leicht beseitigen können. Denn in den Göttlichen Gesetzen ist festgelegt, dass die Jungfrau keinen Mann, außer aus dem eigenen Stamme nehmen sollte, aus Rücksicht auf die Reihe der Erbfolge (vgl: 4. Num 36,6 ff) und deshalb ist es vollkommen klar, dass Josef und Maria aus dem gleichen Stamm und der gleichen Familie stammen. Aus dieser Beschreibung der menschlichen Abstammung des Sohnes Gottes ist es offensichtlich, dass der Adel des einen und der anderen gleich ist.“

Der Heilige beginnt dann einen anderen Aspekt des großen Themas zu behandeln, über das er spricht. Er sagt:

„Schließlich, zum dritten, geliebte Töchter — denn das geht Euch an — ist die Abstammung Josefs und nicht die der Maria beschrieben, damit Ihr lernt, Euch nicht zu überheben oder in beleidigender Form Euren Gatten zu sagen: ,Ich habe den Adel in dein Haus, den Glanz der Ehren zu dir gebracht; mir musst du, mein Mann, zuschreiben, was du (in Würde bekommen hast‘. Wisset, dass in Wahrheit — und das prägt euch fest ein — Würde und Adel der Familie der Gattin, keiner anderen Familie zu danken ist, außer der des Ehemannes und abscheulich sind jene Gattinnen, die es wagen, sich in irgendeiner Weise über ihre Gatten erheben zu wollen, oder — was das schlechteste ist — sich der Familie ihres Gatten schämen; sie verschweigen ihren bürgerlichen Namen und benützen nur den ihrer eigenen Sippe. Das ist wirklich ein teuflischer Ausdruck der Überheblichkeit. Welche ist also die Familie der Maria? Josefs Familie ist es! Welcher ist der Stamm, die Sippe und der Adel Mariens? Jene, ihres angetrauten Mannes Josef! Das ist es, ihr christlichen Ehefrauen, die ihr wirklich edelmütig und gottesfürchtig seid, was ihr am meisten beachten müsst ".(1)

(1) Sancti Caroli Borromei Homiliae CXXII, Ignatii Adami et Francisci Antonii Veith Bibliopolarum, Augustae Vindelicorum [Augsburg], editio novissima, versio latina, s.d., Homilia CXXII, cols. 1211-1214. in Plinio Corrêa de Oliveira, „Der Adel und vergleichbare traditionelle Eliten in den Ansprachen Pius´ XII. an das Patriziat und den Adel von Rom“. ÖJCGDR Wien, 2006, Documente IV, S. 296 f.