Donnerstag, 18. November 2010

VII. Das Wesen der Revolution

                                                                                                                                                    
Nach dieser kurzen Beschreibung der Krise des christlichen Abendlandes, ist es angebracht näher auf sie einzugehen.

1. Die Revolution schlechthin

Dieser kritische Prozess, mit dem wir uns beschäftigen, ist, wie schon gesagt, eine Revolution.

A. Die Bedeutung des Wortes „Revolution“

Wir geben diesem Wort den Sinn einer Bewegung, die eine rechtmäßige Macht oder Ordnung zerstören will, um an ihre Stelle einen Zustand der Dinge (ganz bewusst sagen wir nicht: eine Ordnung der Dinge) oder eine illegitime Macht zu setzen.

B. Blutige und unblutige Revolution

In diesem Sinn kann eine Revolution, streng genommen, auch unblutig sein. Doch die Revolution, mit der wir uns befassen, hat sich in ihrem Entwicklungsprozess aller möglichen Mittel bedient, blutige wie unblutige, und so tut sie es auch heute noch. Die beiden Weltkriege unseres Jahrhunderts zum Beispiel, sind, in ihren tiefergehenden Folgen betrachtet, Kapitel dieser Revolution, und zwar von den blutigsten. Während die gegenwärtig zunehmende sozialistische Gesetzgebung in allen oder fast allen Völkern einen äußerst wichtigen unblutigen Fortschritt der Revolution darstellt.

C. Der Umfang der Revolution

Die Revolution hat sehr oft legitime Machtinhaber gestürzt und sie durch andere ersetzt, die überhaupt keinen Legitimitätsanspruch hatten. Es wäre jedoch ein Irrtum anzunehmen, dass die Revolution allein hierin bestehe. Ihr hauptsächliches Ziel ist nicht die Zerstörung dieser oder jener Rechte von Personen oder Familien. Sie will mehr als das, sie will eine ganze legitime Ordnung der Dinge zerstören und sie durch einen illegitimen Zustand ersetzen. Das Wort "Ordnung der Dinge" sagt aber noch nicht alles. Die Revolution will eine Weltanschauung und eine Seinsweise des Menschen abschaffen mit dem Ziel, sie durch eine radikal entgegengesetzte Weltanschauung und Seinsweise zu ersetzen.

D. Die Revolution schlechthin

In diesem Sinn versteht man, dass diese Revolution nicht irgendeine Revolution ist, sondern die Revolution schlechthin.

E. Die Zerstörung der Ordnung schlechthin

Die Ordnung der Dinge, die von der Revolution zerstört wird, ist die der mittelalterlichen Christenheit. Diese Christenheit aber war nicht irgendeine mögliche Ordnung, wie viele andere Ordnungen möglich wären. Sie war vielmehr, unter den zeitlichen und örtlichen Gegebenheiten, die Verwirklichung der einzig wahren Ordnung unter den Menschen, d.h., die der christlichen Zivilisation.

In der Enzyklika „Immortale Dei“ beschreibt Leo XIII. die mittelalterliche Christenheit mit folgenden Worten:

„Es gab eine Zeit, wo die Weisheitslehre des Evangeliums die Staaten leitete. Gesetze, Einrichtungen, Volkssitten, alle Ordnungen und Beziehungen des Staatslebens waren in dieser Zeit von christlicher Klugheit und göttlicher Kraft durchdrungen. Da war der Religion Jesu Christi in der Öffentlichkeit jene Auszeichnung gesichert, wie sie ihr gebührt; da blühte sie überall unter dem wohlwollenden Schutz der rechtmäßigen Obrigkeiten und Regenten, da waren Kirche und Reich in glücklicher Eintracht und durch gegenseitige Freundesdienste miteinander verbunden. Diese Staatsordnung trug über alles Erwarten reiche Früchte, die noch nicht vergessen sind. Hierfür gibt es unzählige Zeugnisse aus der Geschichte, welche durch keine Arglist der Feinde verfälscht oder verdunkelt werden können.“ 17

Was also seit dem 15. Jahrhundert zerstört wird - dessen Zerstörung heute fast schon vollendet ist -, das ist die Anordnung der Menschen und Dinge gemäß der Lehre der Kirche, der Lehrmeisterin der Offenbarung und des Naturgesetzes. Diese Anordnung ist das Bild der Ordnung schlechthin. Was man jedoch einführen möchte, ist das diametrale Gegenteil hiervon, also "die Revolution" schlechthin.
Ohne Zweifel hat die gegenwärtige Revolution ihre Vorläufer und Vorbilder gehabt. Arius und Mohammed z.B. waren Vorbilder Luthers. Auch hat es in verschiedenen Epochen Utopisten gegeben, die in ihren Träumen Tage sahen, die der Revolution sehr ähnlich waren. Schließlich gab es zu verschiedenen Zeiten Völker und Menschengruppen, die es versuchten, einen den Chimären der Revolution ähnlichen Zustand der Dinge zu schaffen.

Alle diese Träume und Vorbilder bedeuten jedoch wenig oder nichts gegenüber der Revolution, deren Prozess wir heute erleben. Durch ihren Radikalismus, ihre Universalität, ihre Zugkraft reicht sie so tief und geht schon so weit, dass sie in der Geschichte etwas ganz Einmaliges darstellt und vielen denkenden Menschen die Frage nahe legt, ob wir schon nicht die Zeit des Antichrist erreicht haben. In der Tat scheinen wir nach den Worten von Papst Johannes XXIII. gar nicht so weit davon entfernt zu sein:
„Außerdem rufen wir euch auf, in dieser schrecklichen Stunde, in der der Geist des Bösen mit allen Mitteln das Reich Gottes zu zerstören such, dieses mit aller Energie zu verteidigen, wenn anders Ihr eure Stadt vor viel größerem Ruin bewahren wollt als dem, den vor fünfzig Jahren das Erdbeben eurer Stadt zugefügt hat. Wie viel schwieriger wird es dann sein, die Seelen wieder aufzurichten, wenn sie erst einmal von der Kirchegetrennt sind oder als Sklaven den falschen Ideologien unserer Zeit unterworfen wurden?“18

2. Revolution und Legitimität

A. Die Legitimität schlechthin

Im allgemeinen wird der Begriff der Legitimität nur auf Dynastien und Regierungen angewendet. Betrachtet man die Lehre Leos XIII. in der Enzyklika "Au milieu des sollicitudes", so kann man die Frage der Legitimität einer Dynastie oder Regierung jedenfalls nicht einfach beiseite schieben, denn es handelt sich um eine sehr schwerwiegende moralische Frage, die ein wohlgebildetes Gewissen mit aller Aufmerksamkeit betrachten muss.

Doch der Begriff der Legitimität ist nicht nur auf diese Art von Problemen anzuwenden.
Es gibt eine noch höhere Legitimität, nämlich die, welche das Kennzeichen für die gesamte Ordnung der Dinge ist, in der sich das Königtum Unseres Herrn Jesus Christus verwirklicht, das zugleich Vorbild und Quelle ist für die Legitimität jedes irdischen Königtums und jeder irdischen Macht. Der Kampf für die legitime Autorität ist eine Pflicht, sogar eine ernste Pflicht. Doch es ist notwendig, in der Legitimität der Autoritätsträger nicht nur ein in sich selbst hervorragendes Gut zu sehen, sondern ein Mittel zur Erreichung eines noch viel höheren Gutes, nämlich die Legitimität der gesamten Gesellschaftsordnung und aller menschlichen Institutionen und Lebenskreise. Dies aber wird möglich durch die Ordnung aller Dinge nach der Lehre der Kirche.

B. Katholische Kultur und Zivilisation

Das Ideal der Gegenrevolution ist also die Wiederherstellung und Förderung der katholischen Kultur und Zivilisation. Doch diese Thematik wäre nicht klar genug ausgedrückt ohne eine Definition dessen, was wir unter "katholischer Kultur" und "katholischer Zivilisation" verstehen. Bekanntlich werden die Begriffe "Zivilisation" und "Kultur" in vielen unterschiedlichen Bedeutungen gebraucht. Natürlich geht es hier nicht um eine Stellungnahme zu einer Frage der Terminologie; wir beschränken uns vielmehr darauf, diese Worte als relativ genaue Etiketten zu benützen zur Bezeichnung bestimmter Realitäten, wobei es uns mehr darum geht, eine wahre Vorstellung dieser Realitäten zu geben, als über die Begriffe selbst zu diskutieren.
Eine Seele im Stand der Gnade ist im größeren oder geringeren Grad im Besitz aller Tugenden. Erleuchtet durch den Glauben, verfügt sie über die nötigen Elemente, um sich das einzig wahre Weltbild zusammenzusetzen.
Das Grundelement katholischer Kultur ist die gemäß der Lehre der Kirche ausgearbeitete Weltanschauung. Diese Kultur umfasst nicht nur das Unterrichtetsein, also den Besitz der für eine solche Ausarbeitung notwendigen Informationsdaten, sondern eine Analyse und eine Koordinierung dieser Daten in Übereinstimmung mit der Lehre der Kirche. Sie ist nicht auf das Gebiet der Theologie oder der Philosophie oder der Naturwissenschaft begrenzt, sondern umfasst das ganze menschliche Wissen, spiegelt sich in der Kunst wieder und schließt die Bejahung der Werte ein, von denen sämtliche Aspekte der Existenz durchtränkt sind.
Katholische Zivilisation bedeutet die Strukturierung aller menschlichen Beziehungen, aller menschlichen Institutionen und auch des Staates nach der Lehre der Kirche.

C. Sakraler Charakter der katholischen Zivilisation

Dies bedeutet, dass eine solche Ordnung der Dinge von Grund auf sakral ist und dass aus ihr die Anerkennung aller Gewalten der heiligen Kirche folgt, besonders der Gewalt des Obersten Hirten, die er in direkter Weise ausübt über die geistlichen Dinge und indirekt über die weltlichen Dinge, soweit diese sich auf das Heil der Seelen beziehen.
Der wahre Zweck der Gesellschaft und des Staates ist ja das tugendhafte gemeinschaftliche Leben zu ermöglichen. Nun sind es aber die christlichen Tugenden, die der Mensch zu praktizieren berufen ist, deren vorrangigste die Gottliebe ist. Die Gesellschaft und der Staat haben also eine sakralen Bestimmung.
Gewiss besitzt die Kirche, die eigentlichen Mittel zur Förderung des Heils der Seelen. Aber auch Gesellschaft und Staat besitzen Hilfsmittel zum gleichen Zweck, das heißt Mittel, die von einer höheren Stelle geleitet, eine sie selbst übertreffende Wirkung hervorbringen.

D. Kultur und Zivilisation im eigentlichen Sinn

Aus all dem lässt sich leicht schließen, dass die katholische Kultur und Zivilisation die Kultur und Zivilisation schlechthin sind. Hinzuzufügen bleibt, dass beide nur in katholischen Völkern bestehen können. Denn wenn auch ein Mensch die Prinzipien des natürlichen Sittengesetzes mit seiner eigenen Vernunft erkennen kann, so kann ein Volk sich nicht ohne das Lehramt der Kirche auf die Dauer in der Erkenntnis all dieser Prinzipien erhalten. Aus diesem Grund kann ein Volk, das nicht die wahre Religion bekennt, unmöglich auf Dauer alle Gebote erfüllen. Unter diesen Umständen und da es ohne Kenntnis und Beobachtung des Gebote Gottes keine christliche Ordnung geben kann, sind Kultur und Zivilisation im eigentlichen Sinn nur im Schoß der heiligen Kirche möglich. Denn, nach den Worten des hl. Pius X., „ist (eine Zivilisation) um so wahrer, um so dauerhafter, um so fruchtbarer an kostbaren Früchten, je reiner christlich sie ist, und um so dekadenter, zum großen Unglück der Gesellschaft, je weiter sie sich vom christlichen Gedanken entfernt. Deshalb wird rein durch die innere Gewalt der Dinge die Kirche auch tatsächlich zur Sachwalterin und Hüterin der christlichen Zivilisation.“ (Enzyklika Il fermo proposito, vom 11.6.105)

E. Die Illegitimität schlechthin

Wenn also darin die Ordnung und die Legitimität bestehen, ist leicht zu erkennen, worin die Revolution besteht: sie ist das Gegenteil dieser Ordnung. Sie ist die Unordnung und die Illegitimität schlechthin.

3. Revolution, Hochmut und Sinnlichkeit - Die metaphysischen Werte der Revolution

Zwei als metaphysische Werte angesehene Begriffe, bringen sehr deutlich den Geist der Revolution zum Ausdruck: die absolute Gleichheit und die völlige Freiheit. Und zwei Triebe sind es, die ihr am meisten dienlich sind: der Hochmut und die Sinnlichkeit.

Wenn hier von Trieben die Rede ist, ist es angebracht zunächst klarzustellen, in welchem Sinn wir dieses Wort hier benutzen. Der Kürze wegen und im Einklang verschiedener geistlicher Autoren verwenden wir das Wort Triebe hier, wenn wir von ihnen als treibende Kräfte der Revolution sprechen, immer im Sinne der ungezügelten Triebe. Und in Übereinstimmung mit dem üblichen Sprachgebrauch zählen wir zu ungeordneten Triebe all die sündigen Triebe, die im Menschen als Folge der dreifachen Begierlichkeit vorhanden sind: die der Augen, des Fleisches und der Hoffart des Lebens.( vgl. 1 Joh 2, 16)

A. Hochmut und Gleichmacherei


Ein hochmütiger Mensch, der sich der Autorität eines anderen zu unterwerfen hat, hasst in erster Linie das Joch, das konkret auf ihm lastet.
An zweiter Stelle hasst der Hochmütige ganz allgemein alle Autoritäten und jedes Joch, und mehr noch das Prinzip der Autorität selbst, abstrakt betrachtet.
Und da er jede Art von Autorität hasst, erfüllt ihn auch jede Überlegenheit in irgendeinem geordneten Zusammenhang mit Hass.
Und in all dem liegt ein wahrer Hass gegen Gott (s.u. "m").
Dieser Hass gegen jegliche Ungleichheit kann soweit gehen, dass selbst hochgestellte Personen, infolge dieses Hasses, die errungene Stellung aufs Spiel gesetzt, ja verloren haben, nur um nicht die Autorität eines Vorgesetzten akzeptieren zu müssen.
Noch mehr: Auf dem Höhepunkt seiner Virulenz kann der Hochmut einen Menschen soweit bringen, für die Anarchie zu kämpfen und die ihm etwa angebotene höchste Macht ablehnt, nur weil schon die reine Existenz dieser Macht die Behauptung des Prinzips der Autorität beinhaltet, der sich jeder Mensch als solcher, auch der Hochmütige, zu unterwerfen hat.
So kann der Hochmut zum radikalsten und vollkommensten Gleichmacherei führen.
Dieser radikale und metaphysische Egalitarismus hat verschieden Aspekte:

* a. Gleichheit zwischen den Menschen und Gott: Dies ist die Wurzel des Pantheismus, des Immanentismus und aller esoterischen Formen von Religionen, die zwischen Gott und den Menschen ein Verhältnis von gleich zu gleich herstellen wollen und das Ziel haben, den Menschen mit göttlichen Eigenschaften auszustatten. Auch der Atheist ist ein Egalitarist, der, um die Absurdität der Behauptung, der Mensch sei Gott, zu vermeiden, in ein anderes Absurdum fällt, nämlich zu behaupten, dass Gott nicht existiert. Der Laizismus ist eine Form des Atheismus und also auch des Egalitarismus. Er behauptet, es sei unmöglich, Gewissheit über die Existenz Gottes zu haben. Demnach muss der Mensch im zeitlichen Bereich der Mensch so handeln, als ob es Gott nicht gäbe, oder wie einer, der Gott entthront hat.

* b. Gleichheit im kirchlichem Bereich:
Abschaffung des Priestertums mit seiner durch die Weihe ausgestatteten Ordnungs-, Lehr- und Regierungsgewalt oder zum mindesten die Aufhebung eines hierarchischen Priestertums.

* c. Gleichheit zwischen den verschiedenen Religionen:
Jede religiöse Diskriminierung stößt auf Abneigung, weil sie die fundamentale Gleichheit aller Menschen verletze. Deshalb sind alle Religionen nach dem Gleichheitsprinzip zu behandeln. Der Anspruch einer Religion unter Ausschluss aller anderen die einzig wahre zu sein, bedeute die Bejahung einer Überlegenheit, widerspreche der evangelischen Sanftmut und sei politisch unklug, da sie den Zugang zu den Herzen versperre.

* d. Gleichheit auf politischem Gebiet:
Abschaffung oder wenigstens Verminderung der Ungleichheit zwischen Regierenden und Regierten. Die Gewalt gehe nicht von Gott, sondern von der Masse aus, die das Sagen habe und der die Regierung zu gehorchen habe. Ächtung der Monarchie und der Aristokratie als in ihrem Wesen schlechte, weil antiegalitäre Regierungsformen. Nur die Demokratie sei legitim, gerecht und dem Evangelium entsprechend. (Vgl. hl. Pius X., Apostolischesn Schreiben "Notre Charge Apostolique", vom 25.8.1910)

* e. Gleichheit in der Gesellschaftsstruktur:
Abschaffung der Klassen, vor allem derer, die durch Erbfolge fortbestehen. Jeglichen Einfluss der Aristokratie auf die Führung der Gesellschaft sowie auf den allgemeinen Ton von Kultur und Sitten unterbinden. Der naturgegebene Vorrang der geistigen über die körperliche Arbeit werde im Zuge der Überwindung des Unterschiedes zwischen beiden verschwinden.

* f. Abschaffung der zwischen Individuum und Staat stehenden Einrichtungen sowie der Privilegien, die sich aus gesellschaftlichen Gruppierungen ergeben. So groß auch der Hass der Revolution auf den königlichen Absolutismus sein mag, noch viel verhasster sind ihr die Zwischengruppierungen und die organische Monarchie des Mittelalters, denn der monarchische Absolutismus tendiert dazu selbst die höhergestellten Untertanen auf eine herabgeminderte Situation gleichzusetzen, was die Vernichtung des Individuums und die Anonymität zur Folge hat, und in den großen städtischen Ballungsgebieten der sozialistischen Gesellschaft ihren Höhepunkt erreicht. Unter den Zwischenstrukturen, die abgeschafft werden müssen, steht die Familie an erster Stelle. Solange es der Revolution nicht gelingt, die Familie auszurotten, sucht sie mit allen Mitteln sie einzuschränken, zu verstümmeln und zu verunglimpfen.

* g. Wirtschaftliche Gleichheit:
Dem Einzelnen gehört nichts, dem Kollektiv alles. Deshalb Abschaffung des Privateigentums und des Rechts eines jeden auf den gesamten Ertrag seiner Arbeit und auf freie Berufswahl.

* h. Gleichheit im äußerlichen Erscheinungsbild:
Verschiedenheit führt leicht zu Niveauunterschiede. Deshalb sind die Unterschiede in Kleidung, Wohnung, Einrichtungen, Gewohnheiten usw. stark wie möglich zu reduzieren.

* i. Gleichheit der Seelen:
Die Propaganda normt sozusagen auch die Seelen, nimmt ihnen ihre Eigenart, ja fast das Eigenleben. Selbst die unterschiedlichen psychischen Verhaltensweisen und die geschlechtsbedingten Unterschiede sollen immer geringer zu werden. Die Folge ist, dass das Volk, das ja seinem Wesen nach eine große Familie verschiedener, aber harmonische zusammenwirkender Seelen ist, die sich um das ihnen Gemeinsame herumscharen, verschwindet. Es erhebt sich die Masse mit ihrer großen, leeren, willenlosen, Kollektivseele. (Vgl. Pius XII. Rundfunkbotschaft an Weihnachten 1944)

* j. Gleichheit im gesellschaftlichen Umgang:
Wie zum Beispiel zwischen älteren und jungen Menschen, Arbeitgebern und Arbeitnehmern, Lehrern und Schülern, Mann und Frau, Eltern und Kindern usw.

* k. Gleichheit auf internationaler Ebene:
Der Staat besteht aus einem unabhängigen Volk, das über ein bestimmtes Gebiet uneingeschränkte Herrschaft ausübt. Die Souveränität ist demnach im öffentlichen Recht der Ausdruck des Eigentums. Versteht man das Volk mit seinen Eigenschaften als ein von allen anderen unterschiedliches, ausgestattet mit dem Recht auf Souveränität, verzeichnet man notwendigerweise unterschiedliche Fähigkeiten, Tugenden, Zahlen usw. Geht man von der Idee des jeweiligen eigenen Territoriums aus, erkennt man die Unterschiede in Größe und Beschaffenheit der verschiedenen territorialen Einheiten. Es ist also durchaus verständlich, dass die grundsätzlich gleichmacherische Revolution davon träumt, alle Rassen, alle Völker und alle Staaten zu einer einzigen Rasse, einem einzigen Volk und einem einzigen Staat zu verschmelzen (vgl. I. Teil, XI. Kap., 3.).

* l. Gleichheit unter den verschiedenen Teilen eines Landes:
Aus den gleichen Gründen und auf ähnliche Weise strebt die Revolution danach, im Innern der heutigen Vaterländer jede Art von gesunden politischen und kulturellen Regionalismus abzuschaffen.

* m. Egalitarismus und Hass auf Gott:
Der hl. Thomas lehrt, (Vgl. Contra gentiles, II, 45; Summa Theologica I, q.47 a. 2) dass die Unterschiede unter den Geschöpfen und ihr hierarchischer Aufbau ein Gut in sich darstellen, denn sie bringen auf diese Weise die Vollkommenheiten des Schöpfers in der Schöpfung deutlicher zum Ausdruck. Weiter behauptet er, dass die göttliche Vorsehung sowohl unter den Engeln (Vgl. Summa Theologica, I, q.50, a.4) als auch unter den Menschen, im irdischen Paradies wie im Lande der Verbannung (Vgl. a.a.O., I, q.96, a.3 u. 4) die Ungleichheit eingeführt habe. Deshalb wäre in einer Welt von ausschließlich gleichen Geschöpfen die Ebenbildlichkeit zwischen den Geschöpfen und ihrem Schöpfer in allen Maßen des Möglichen zerstört. Wer grundsätzlich alle und jede Art von Ungleichheit hasst, stellt sich metaphysisch gegen die wertvollsten Elemente der Ähnlichkeit zwischen Schöpfer und Schöpfung und hasst Gott selbst.

* n. Die Grenzen der Ungleichheit: Es ist natürlich klar, dass aus der vorangegangenen Darstellung man keineswegs schließen darf, die Ungleichheit sei immer und notwendigerweise ein Gut.
Von Natur aus sind alle Menschen gleich, verschieden sind sie nur in den unwesentlichen Eigenarten. Die Rechte, die ihnen aus der Tatsache erwachsen, dass sie Menschen sind, gelten für alle: das Recht auf Leben, Ehre, ausreichende Existenzgrundlagen, also auf Arbeit, Eigentum, Familiengründung und vor allem auf die Kenntnis und die Ausübung der wahren Religion. Ungleichheiten, die diese Rechte verletzen, stehen im Widerspruch zu der von der Göttlichen Vorsehung gewollten Ordnung. Innerhalb dieser Grenzen aber sind eingenartsbestimmte Ungleichheiten wie Tugend, Begabung, Schönheit, Kraft, Familie, Tradition usw. als gerecht und der Weltordnung entsprechend anzusehen (Vgl. Pius XII, Rundfunkbotschaft zu Weihnachten 1944).

B. Sinnlichkeit und Liberalismus


Neben dem Hochmut als Erzeuger jeder Art von Egalitarismus ist die Sinnlichkeit im weitesten Sinn des Wortes die Ursache des Liberalismus. In diesen trostlosen Tiefen laufen Fäden der beiden metaphysischen Prinzipien der Revolution zusammen, nämlich der Gleichheit und der Freiheit, die sich ansonsten jedoch unter so vielen Gesichtspunkten widersprechen.

* a. Die Hierarchie in der Seele:
Gott, der der gesamten Schöpfung, der sichtbaren wie der unsichtbaren, eine hierarchische Prägung gab, schloss auch die menschlichen Seele in dieses Schema ein. Der Verstand hat den Willen zu führen und dieser die Gefühle. Als Folge der Erbsünde kommt es im Innern des Menschen zu unaufhörlichen Reibungen zwischen den sinnlichen Trieben und dem von der Vernunft geleiteten Willen: "Doch ich sehe ein Gesetz von anderer in meinen Gliedern, das dem Gesetzt meiner Vernunft widerstreitet". (Röm 7, 23)
Der Wille aber, der gleich einem König, sich in die undankbare Lage versetzt sieht, Untergebene zu führen, die ständig gegen ich aufbegehren, verfügt über Mittel, die es ihm erlauben, immer siegreich zu bleiben - sofern er sich der Gnade Gottes nicht widersetzt. (Vgl. Röm 7, 25)

* b. Der Egalitarismus in der Seele: Der revolutionäre Prozess, obwohl um generelle Gleichmachung bemüht, ist oft nichts anderes als die Usurpation der Führungsrolle durch Elemente, denen es eigentlich zukommt zu gehorchen. Auf die Ebene der Psyche übertragen, führt dies zu einer beklagenswerten Tyrannei aller ungezügelten Triebe über einen kraftlosen, bankrotten Willen und eine getrübte Vernunft. Vor allem aber wird eine glühende Sinnlichkeit die Herrschaft über alle Gefühle des Anstandes und der Scham an sich reißen.
Wenn die Revolution die vollkommene Freiheit als ein metaphysisches Prinzip verkündet, so tut sie dies nur, um damit den freien Lauf der schlimmsten Triebe und ärgsten Irrtümer zu rechtfertigen.

* c. Egalitarismus und Liberalismus:
Die Umkehrung, von der wir gesprochen haben, das heißt, das Recht, all das zu denken, zu fühlen und zu tun, was die zügellosen Triebe verlangen, stellt das Wesen des Liberalismus dar. Dies kommt deutlich in den übersteigerten Formen des Liberalismus zu Ausdruck. Wenn ma sich diese einmal näher anschaut, stellt man sogleich fest, dass dem Liberalismus wenig an der Freiheit zum Guten gelegen ist. Ihn interessiert einzig und allein die Freiheit zum Bösen. Ist er einmal an der Macht, so nimmt er dem Guten ohne weiteres, ja sogar mit Vergnügen möglichst jede Freiheit weg. Die Freiheit zum Bösen aber genießt seinen Schutz, sie wird auf vielerlei Weise gefördert und hochgehalten. Hier zeigt sich sein Gegensatz zur katholischen Zivilisation, die dem Guten alle Unterstützung und Freiheit gewährt, das Böse aber soweit wie möglich einschränkt.
Nun, diese Freiheit zum Bösen ist für den in seinem Innern "revolutionäre" Menschen genau die Freiheit, das heißt, wenn er der Tyrannei der Triebe über seinen Verstand und seinen Willen zustimmt.
Somit sind Liberalismus eine Frucht desselben Baumes, der auch den Egalitarismus getragen hat.
Übrigens führt der Hochmut, insofern er den Hass gegen jedwede Autorität zeugt (s. o. „A“), zu einer eindeutig liberalen Haltung und ist deshalb als ein aktiver Faktor des Liberalismus anzusehen. Sobald jedoch der Revolution klar wurde, dass die Freiheit, hat sie erst einmal die von ihren Fähigkeiten und ihren Fleiß her ungleichen Menschen frei gemacht, zur Ungleichheit führt, beschloss sie - weil sie die Ungleichheit hasst -, die Freiheit zu opfern. Daraus geht ihre sozialistischen Phase hervor. Diese Phase bildete jedoch nur eine vorübergehende Etappe. Die Revolution hofft, am Ende einen Zustand zu schaffen, in dem die absolute Freiheit mit der vollen Gleichheit nebeneinander bestehen.
So ist, historisch gesehen, der Sozialismus nur eine Vollendung der liberalen Bewegung. Was einen echten Liberalen bewegt, den Sozialismus zu akzeptieren, ist gerade die Tatsache, dass dieser zwar auf tyrannische Weise tausend gute oder zumindest unschuldige Dinge verbietet, sonst aber methodisch die Befriedigung der schlimmsten und heftigsten Triebe, Neid, Faulheit und Unzucht begünstigt, wenn auch manchmal unter dem Schein der Strenge. Andererseits ahnt der Liberale, dass die Stärkung der Autorität im sozialistischen Regime gemäß der inneren Logik des Systems nur ein Mittel ist, um letztendlich zu der heißersehnten Anarchie zu gelangen.
Die Zusammenstöße zwischen einer bestimmten Art von naiven oder zurückgebliebenen Liberalen mit den Sozialisten sind daher nichts als oberflächliche Streitigkeiten im Verlauf des revolutionären Prozesses, unbedeutende Auseinendersetzungen, die keineswegs imstande sind die tiefere Logik der Revolution auf ihrem unerbittlichen Marsch zu ihrem Ziel zu stören, das, richtig betrachtet, zugleich sozialistisch und liberal ist.

* d. Die „Rock and Roll-Generation“: Der so beschriebene revolutionäre Prozess wie er sich in den Seelen der Menschen abspielt, hat bei den jüngeren Generationen, vor allem unter den heutigen Jugendlichen, die sich vom "Rock and Roll" in den Bann ziehen lassen, eine von der Spontaneität der Elementarreaktionen geprägten Geisteshaltung hervorgerufen, die keine Kontrolle durch die Vernunft und keine effektive Beteiligung des Willens mehr kennt. Phantasien und "Erlebnisse" sind ihnen wichtiger als die methodische Analyse der Wirklichkeit. Dies alles ist in zum großen Teil das Ergebnis einer Pädagogik, in der Logik und wahre Willensbildung kaum noch eine Rolle spielen.

* e. Egalitarismus, Liberalismus und Anarchismus: Wie wir in den vorausgegangenen Punkten (a. bis d.) gesehen haben, weckt das Aufwallen ungezügelter Leidenschaften einerseits den Haß gegen jede Art von Einschränkung und Gesetz, andererseits aber auch den Haß gegen jede Art von Ungleichheit. So führt diese Gärung zur utopischen Konzeption des marxistischen "Anarchismus", wonach eine entwickeltere Menschheit in einer klassenlosen Gesellschaft ohne Regierung in vollkommener Ordnung und völliger Freiheit leben könne, So führt diese Gärung zur utopischen Konzeption des marxistischen "Anarchismus", wonach eine entwickeltere Menschheit in einer klassenlosen Gesellschaft ohne Regierung in vollkommener Ordnung und völliger Freiheit leben könne, ohne dass es zu irgendeiner Ungleichheit führt. Man sieht also, daß es hier gleichzeitig um das liberalste und gleichmacherischste Ideal geht, das man sich vorstellen kann.
Tatsächlich ist die anarchische Utopie des Marxismus ein Zustand, in dem der Mensch einen so hohen Grad an Fortschritt erreicht haben soll, daß er sich in einer Gesellschaft ohne Staat und Regierung frei entwickeln kann.
In dieser Gesellschaft, die zwar ohne Regierung, aber in vollkommener Ordnung leben werde, gebe es eine gut entwickelte wirtschaftliche Produktion und der Unterschied zwischen geistiger und körperlicher Arbeit werde überwunden sein. Ein nicht näher definierter Auswahlprozeß werde die Leitung der Wirtschaft den Fähigsten in die Hände legen, ohne daß sich daraus eine Klassenbildung ergeben werde.
Dies aber seien die einzigen, unbedeutenden Überbleibsel der Ungleichheit. Da diese anarchische kommunistische Gesellschaft jedoch noch nicht das Ende der Geschichte bedeutet, kann man durchaus annehmen, daß auch diese Überbleibsel im Laufe der weiteren Evolution noch abgeschafft werden.