Freitag, 31. Juli 2015

Muss die Kirche, um des Friedens Willen, vor der Willkür der weltlichen Macht nachgeben?



WIE Ihr wisst, sehr geliebte Kinder, laufen die Zeiten voll der Feindseligkeiten gegen unsere göttliche Religion. Sei es durch den Krieg, der überall gegen die Katholische Kirche und ihren Apostolischen Stuhl ausbricht, sei es durch die Sorglosigkeit oder selbst die Vernachlässigung dieser Menschen, dessen Macht sie eher dazu veranlassen sollte, ihnen zur Hilfe zu kommen und auf besonderer Weise Schutz zu gewähren. Diese Zeiten sind überfüllt von Gefahren für alle Gläubigen wegen der Geschickligkeit, mit der gewöhnlich die Angriffe verstellt werden, um so ihre Gutgläubigkeit oder ihre Trägheit zu betrügen. Alles, was man sich gegen die heiligen Wahrheiten vorstellen oder wagen kann, wird mit juristischem Schein und Form umhüllt, so dass es nicht schwer fällt, mit Blindheit geschlagene Menschen zu überzeugen, dass alles nur getan wird, um die Autorität der weltlichen Macht zu sichern, und nicht aus Hass gegen die Kirche. Daher gebe es keinen Grund sich gegen derartige Dekrete zu erheben. So ist es auch leicht diese Blinden zu überzeugen, dass die Streitigkeiten leichter zu lösen sind, wenn beiderseits auf extreme Forderung verzichtet wird.
Es gibt kein gefährlicherer Irrtum. Er versetzt die Kirche in eine Lage, in der sie unfähig gemacht wird, in weltlichen Angelegenheiten einzugreifen; und wenn es sich um die weltliche Macht handelt, sie zu bremsen. Das führt zu der Schlussfolgerung, dass nicht mehr der Hirte die Schafe leitet, sondern diese den Hirten leiten sollen. Dieser Irrtum fordert von der Kirche, die vom Herren als Hüterin und Schützerin des göttlichen Rechts eingesetzt wurde, solle auf ihre Verteidigung verzichten und, um des lieben Friedens Willen, sich der Willkür des Machtinhabers unterwerfen, und von der weltlichen Macht, auf widerrechtliche Machtergreifung verzichten und ihre Eingebildetheit mäßigen. Als ob es möglich sei das Gerechte mit dem Ungerechten, das Wahre mit dem Falschen, Christus mit Belial zu vergleichen. Dieser wesentlichen Boshaftigkeit dieses Irrtums fügt sich eine neue Gefahr hinzu, die sich aus seinen äußerlichen Charakter herleitet: Er stimmt vollkommen überein mit der Klugheit des Fleisches und ist ebenso angenehm für den friedlichen Genuss der Reichtümer und die Apathie derer zu fördern, die sich vor den Machtinhabern fürchten oder sich bemühen Gefälligkeiten zu bekommen.

Aus dem Brief „Infensa prorsum“ von Pius IX. an den Katholischen Kongress in Wien, vom 19. Juli 1876

Keine Kommentare: