Samstag, 15. November 2025

Mater Populi Fidelis: Eine Note, „die Luther unterschreiben würde“

 


Heiliger Ludwig M, Grignion von Montforrt

 Luis Solimeo, USA

Am 4. November veröffentlichte das Dikasterium für die Glaubenslehre die „Mater Populi Fidelis: Lehrnote zu einigen Marientiteln bezüglich Marias Mitwirkung am Heilswerk“ (im Folgenden: Note). Präfekt des Dikasteriums, Kardinal Victor Manuel Fernández, und Sekretär, Msgr. Armando Matteo unterzeichnete die Note, die Papst Leo XIV. am 7. Oktober billigte und deren Veröffentlichung er anordnete. Die Note stellt klar, dass die Abfassung des Dokuments während des Pontifikats von Papst Franziskus beschlossen wurde: „Der Papst Leo XIV. billigte in der Audienz, die dem unterzeichneten Präfekten zusammen mit dem Sekretär der Glaubenssektion des Dikasteriums für die Glaubenslehre am 7. Oktober, dem Gedenktag Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz, gewährt wurde, die vorliegende Note, die in der ordentlichen Sitzung dieses Dikasteriums am 26. März 2025 beschlossen wurde, und ordnete ihre Veröffentlichung an.“[1]

Ebenso skandalös wie die Erklärung „Fiducia supplicans“

Diese Note sorgte unter den Gläubigen für Skandal und Verwirrung, möglicherweise sogar mehr als die Veröffentlichung der von Papst Franziskus gebilligten Erklärung „Fiducia supplicans“ über die pastorale Bedeutung von Segnungen durch dasselbe Dikasterium am 18. Dezember 2023, welche die Segnung homosexueller und ehebrecherischer Verbindungen erlaubte.[2]

Bezeichnenderweise veröffentlichte die New York Times einen Tag nach Erscheinen der Fiducia supplicans einen Artikel mit einer aussagekräftigen Überschrift: „Geschichte wird geschrieben an einem Dienstagmorgen – mit dem Segen der Kirche: Einen Tag nach der Ankündigung des Papstes, dass katholische Priester gleichgeschlechtliche Paare segnen dürfen, empfängt ein New Yorker Paar seinen Segen.“

Die Times illustrierte den Artikel mit einem Foto von Pater James Martin SJ, einem der führenden Köpfe der „katholischen“ Homosexuellenbewegung, der ein homosexuelles Paar segnet, und der Bildunterschrift: „Pater James Martin segnet Jason Steidl Jack (links) und seinen Ehemann Damian Steidl Jack (Mitte) in Manhattan.“[3]

Sowohl die Note als auch die Fiducia supplicans verwerfen die Lehre, die die Kirche in moralischer und dogmatischer Theologie stets vertreten hat.

„Ein besonderes ökumenisches Bemühen“

In der Note heißt es, dass im Rahmen eines „besonderen ökumenischen Bemühens“ geklärt werden soll, „in welchem ​​Sinne bestimmte Titel und Ausdrücke, die sich auf Maria beziehen, akzeptabel sind oder nicht.“[4] Dr. Gavin Ashenden, ehemaliger anglikanischer Kaplan von Königin Elisabeth II., der 2019 zum Katholizismus konvertierte, kommentiert die Note wie folgt: „Es gibt Codewörter in der Theologie“, und eines davon ist „Ökumene“. Er erklärt: „Es bedeutet, dass sich dieses Dokument in den katholischen Kulturkampf einmischen wird, und zwar auf der Seite dessen, was wir oft den Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils nennen.“[5]

Diese Beobachtung ist zutreffend, da das Hauptanliegen der Note eindeutig darin besteht, die traditionelle kirchliche Lehre von der Miterlösung Mariens und der universellen Mittlerschaft aufzugeben und sich so weit wie möglich der protestantischen Position anzunähern.

Pater Serafino Maria Lanzetta, ein Mariologe[6], kommentiert die Note treffend: „Der Zweck dieses neuen Dokuments ist in der Tat sehr ökumenisch, das heißt, um eine Übereinkunft mit den Protestanten zu erzielen. Ehrlich gesagt, würde ich sagen, dass Luther es unterzeichnen würde; Luther ist sehr zufrieden mit diesem Dokument. Aber was ist mit den Katholiken?“[7]

Wie Sie sich vielleicht erinnern, lehnte Luther die Tradition und das Lehramt der Kirche ab, indem er bekräftigte, dass die Norm des Glaubens sola scriptura (allein die Schrift) sei. Natürlich wurde die Schrift gemäß seinen, Martin Luthers, theologischen und philosophischen Theorien interpretiert. Nach einer Zusammenfassung dessen, was Tradition und Lehramt über die Mittlerschaft und Miterlösung Mariens gelehrt haben, kommt die Note, basierend auf Bibelstellen, die gemäß dem Modernismus und der Nouvelle Théologie interpretiert wurden, zu dem Schluss: Es ist stets unangemessen, den Titel ‚Miterlöserin‘ zu verwenden, um Marias Mitwirkung zu definieren (Nr. 22). Und weiter: Angesichts dieser Klarheit im geoffenbarten Wort Gottes ist besondere Vorsicht geboten, wenn der Begriff ‚Mittlerin‘ auf Maria angewendet wird (Nr. 24).

Verzicht auf das ordentliche Lehramt

Wie bereits erwähnt, erkennt die Note zwar an, dass diese Titel in der frühen Kirche ihren Ursprung haben, sich im Laufe ihrer Geschichte weiterentwickelt haben, von den größten Theologen erklärt und – was besonders wichtig ist – von den Päpsten verwendet wurden, doch ignoriert das Dokument die Tradition und das Lehramt der Kirche.

Würden falsche oder unzureichende Lehren über einen langen Zeitraum durch Päpste, Bischöfe, Theologen und kirchliche Praktiken wie die Liturgie, die Genehmigung von Gebeten und die Erlaubnis zum Bau von Kirchen und Schreinen zur Verehrung einer bestimmten Andacht an die Gläubigen weitergegeben, würde die Kirche Irrtum statt Wahrheit verbreiten, was ihrem Auftrag widerspräche.

Deshalb bekräftigte Pius XII., dass die Verheißung unseres Herrn auch für das ordentliche Lehramt gilt: „Wer euch hört, der hört mich“ (Lukas 10,16).[8] Das ordentliche Lehramt der Kirche beschränkt sich nicht auf die Lehre der Päpste. Es umfasst auch alles, was Theologen über einen längeren Zeitraum als kirchliche Lehre darstellen und was die Gläubigen seit Langem als solche angenommen haben. Würde die Kirche zulassen, dass diese gemeinsame, beständige und universelle Lehre Irrtümer enthält, so würde sie selbst irren.[9]

So schrieb der bekannte Theologe Pater Reginald Garrigou-Lagrange bereits 1941: „Nach dem, was die Kirchenväter über Maria als die neue Eva lehren, … ist es allgemeine und sichere Lehre, ja sogar Fidei proxima, dass die selige Jungfrau, die Mutter des Erlösers, ihm im Werk der Erlösung als sekundäre und untergeordnete Ursache verbunden ist, so wie Eva mit Adam im Werk des menschlichen Verderbens verbunden war.[10]

Pater J. A. de Aldama SJ, ein renommierter Mariologe, bemerkte seinerseits 1950 nach der Analyse der Marientexte der Päpste Pius IX., Leo XIII., Pius X., Benedikt XV., Pius XI. und Pius XII.: „Trotz der Einwände einiger Theologen wird der Titel der Miterlöserin ausdrücklich bekräftigt.“ Und weiter:Es ist eine Glaubensfrage, dass Maria zumindest mittelbar an der Vollendung der Erlösung mitgewirkt hat.“ „Die Tatsache, dass sie unmittelbar mitgewirkt hat, entspricht auch eher den Lehren der Päpste.“

Er schloss: „Dass der Titel ‚Miterlöserin‘ rechtmäßig verwendet werden kann, steht fest (Hervorhebung im Original); an seiner Angemessenheit besteht kein Zweifel.“[11]

In einer späteren Schrift betonte er:

„Wenn über mehr als ein Jahrhundert sechs verschiedene Päpste in zahlreichen, offiziell an die gesamte Kirche gerichteten Dokumenten mit klarer doktrinärer Absicht und nicht nur beiläufig übereinstimmen, sich darauf einigen, eine bestimmte Lehre in Bezug auf die Offenbarungsgute (gemeint sind jene Elemente, die wir als konstant und gemeinsam bezeichnet haben) zu lehren, kann man dann zugeben, dass diese Lehre nicht wahr ist? Selbst wenn das ordentliche Lehramt des Papstes nicht von Natur aus unfehlbar ist, würde die Anerkennung der Möglichkeit eines Irrtums unter diesen Umständen die gesamte Kirche nicht ernsthaft der Gefahr des Irrtums aussetzen, von eben jener Person in die Irre geführt zu werden, deren Aufgabe es ist, den Glauben zu bewahren?“

„Diese Überlegung führt uns zu der Annahme, dass die Lehre von Marias Verbindung mit dem Erlösungswerk, über ihre mütterliche Rolle hinaus, unmittelbar im Bereich der objektiven Erlösung selbst, nicht länger als bloße theologische Meinung bezeichnet werden kann, sondern den Status einer Gewissheit erreicht hat.“[12]

Die zerstörerische Wirkung „kritischer Verehrer“

In seinem unvergleichlichen Werk „Abhandlung von der wahren Andacht zur allerseligsten Jungfrau Maria“, einem Buch, das die Marienverehrung seit Jahrhunderten inspiriert, erörtert der hl. Ludwig Maria Grignon von Montfort kritische oder falsche Verehrer, die unter dem Vorwand, Exzesse in der Marienverehrung zu vermeiden, letztlich diese Verehrung zerstören. Schließen wir diese Betrachtungen mit den Worten dieses verehrten Heiligen und wahren Marienverehrers ab.

„Die kritischen Verehrer sind gewöhnlich stolze Gelehrte, sogenannte starke, sich selbstgenügende Geister, die zwar eine gewisse Ehrfurcht vor der allerseligsten Jungfrau haben, aber alle Andachtsübungen, welche einfache Leute schlicht und einfältig dieser guten Mutter erweisen, bekritteln, weil sie nicht nach ihrem Geschmack sind. … Sie schaden der Andacht zur allerseligsten Jungfrau unendlich und bringen leider nur allzuviele mit Erfolg davon ab, unter dem Vorwande, derartige Missbräuche bekämpfen zu müssen.[13]

Ist es darum nicht höchst staunens- und bedauernswert, mein liebenswürdiger Meister, die Unwissenheit und Blindheit sehen zu müssen, mit der die Menschen auf Erden Deiner heiligen Mutter gegenüber stehen? Ich rede hier nicht von den Götzendienern und Heiden, die keine Kenntnis von Dir haben und sich daher auch nicht darum kümmern, Maria kennen zu lernen. Ich rede auch nicht von den Häretikern und Schismatikern, die von der Andacht zu Deiner heiligsten Mutter nichts verstehen, weil sie von Dir wie von deiner heiligen Kirche getrennt sind. Ich denke hier nur an die katholischen Christen und vor allem an die Gelehrten, die zwar dazu berufen sind, andere in den Wahrheiten zu unterrichten, doch weder Dich noch Deine heilige Mutter wahrhaft kennen, und daher nur auf eine spekulative, trockene, unfruchtbare und gleichgültige Weise von Euch reden. Nur selten sprechen diese Herren von Deiner heiligen Mutter und von der Andacht, die man zu ihr haben soll. Denn sie befürchten, wie sie sich ausdrücken, man möchte damit Missbrauch treiben oder Dir dadurch eine Unbill zufügen, dass man Deiner heiligsten Mutter zu viel Ehre erweise. [64]

 

 

Die deutschen Zitate der „Abhandlung“ wurden aus dem „Goldenem Buch“, Lins-Verlag, A-Feldkirch, 1987 entnommen

 

 

Fußnoten (vom englischen Original)

[1] Dicastery for the Doctrine of the Faith, Mater Populi Fidelis: Doctrinal Note on Some Marian Titles Regarding Mary’s Cooperation in the Work of Salvation, Vatican.va, Nov. 4, 2025, https://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_ddf_doc_20251104_mater-populi-fidelis_en.html.

[2] See Luiz Sérgio Solimeo, “Pope Francis Authorizes Blessing Homosexual Couples and Adulterers with a Declaration and a ‘Clarification’ that Favor Sin,” TFP.org, Feb. 1, 2024, https://www.tfp.org/pope-francis-authorizes-blessing-homosexual-couples-and-adulterers-with-a-declaration-and-a-clarification-that-favor-sin/.

[3] Amy Harmon, Ruth Graham, and Sarah Maslin Nir, “Making History on a Tuesday Morning, With the Church’s Blessing,” The New York Times, Dec. 19, 2023, https://www.nytimes.com/2023/12/19/us/catholic-gay-blessing-pope-francis.html.

[4] Mater Populi Fidelis, Presentation.

[5] Gavin Ashenden, “How Do You Solve a Problem Like Maria, In the Form of ‘Mary ‘Co-Redemptrix’?’ Mary, Politics, and the Ghost of Pope Francis,” Nov. 5, 2025,

Gavin Ashenden - 'New English Catholic'

'How Do you Solve a Problem like Maria,- In the Form of 'Mary "Co-Redemptrix"?'

The new note from Cardinal Fernández and the DDF…

[6] Fr. Serafino Maria Lanzetta is a member of the Marian Franciscans in the United Kingdom. He is a lecturer in Systematic Theology at St. Mary’s University, Twickenham, London, and at the Faculty of Theology in Lugano, Switzerland.

[7] Serafino Maria Lanzetta, “Commentary on Mater Populi Fidelis,” CatholicaFides.org, Nov. 6, 2025, https://catholicafides.org/2025/11/06/commento-alla-mater-populi-fidelis/.

[8] Pius XII, encyclical Humani Generis, no. 20, https://www.vatican.va/content/pius-xii/en/encyclicals/documents/hf_p-xii_enc_12081950_humani-generis.html.

[9] Cf. J.-M. A. Vacant, The Ordinary Magisterium of the Church and its Organs, Printed with the authorization of His Grace the Bishop of Nancy and His Grace the Archbishop of (Paris: Delhomme et Briguet, 1887).

[10] Reginald Garrigou-Lagrange, O.P. The Mother of the Savior, trans. Bernard J. Kelly (Charlotte, N.C.: Tan Books, 2012), https://where-you-are.net/ebooks/mother-of-the-saviour-and-our-i-garrigou-lagrange-reginald-o.pdf.

[11] Iosepho A. de Aldama, S.I., Mariologia seu de Matre Redemptoris, in Sacra theologiae summa (Madrid: Biblioteca de Autores Cristianos, 1950) v.3 p. 372,.

[12] Fr. José A. de Aldama, “Posición actual del Magisterio Eclesiástico en el problema de la Corredención,” 75, https://archive.org/details/maria-en-la-patristica-de-los-siglos-i-e-ii-jose-antonio-de-aldama/Posici%C3%B3n%20actual%20del%20Magisterio%20Eclesi%C3%A1stico%20en%20el%20problema%20de%20la%20Corredenci%C3%B3n%20-%20Pe.%20Jos%C3%A9%20A.%20de%20Aldama/page/n15/mode/1up.

[13] Louis-Marie Grignon de Montfort. A Treatise on the True Devotion to the Blessed Virgin, trans. Frederick William Faber (Sherbrooke, QC: St. Charles Seminary, 1901), 75–76, https://archive.org/details/cihm_75551/page/n161/mode/2up .

[14] de Montfort, The True Devotion, 64.

 

 

 

 

Samstag, 8. November 2025

Den Ketzern misstrauen, verfolgen und einsperren: Hl. BERNHARD

 VERGESSENE TUGENDEN


Aus einem Brief an den Bischof von Konstanz über Arnold von Brescia,

einen Schüler des Petrus Abaelard:

„Wenn der Hausherr wüsste, zu welcher Stunde der Dieb käme, wäre er gewiss sehr wachsam und würde ihn nicht in sein Haus lassen“. Und Sie? Wissen Sie schon, dass ein Räuber im Schutze der Nacht in Ihrem Anwesen eingedrungen ist, oder besser gesagt, in das Anwesen, das Gott Ihnen anvertraut hat? Sicherlich wissen Sie, dass er sich dort versteckt hält, denn die Nachricht hat uns, die wir so weit entfernt sind, bereits erreicht. Es wundert mich überhaupt nicht, dass Sie, da Sie die Stunde seines Angriffs nicht kannten, ihn bei seinem nächtlichen Überfall nicht überrascht haben. Was mich wirklich erstaunen würde, wäre, wenn Sie den Verbrecher, sobald er entdeckt wäre, nicht identifizieren, verhaften und ihn zwingen würden, das zurückzugeben, was er Ihnen nehmen wollte, und vor allem das, was er Jesus Christus gestohlen hat: Seelen.

Ich spreche von Arnold von Brescia, einem Mann, von dem ich mir wünschte, er könnte sich sowohl durch die Reinheit seiner Lehre als auch durch die Reinheit seiner Sitten auszeichnen. Kurz gesagt, ich will Ihnen meine Meinung über ihn mitteilen: Er ist weder der Völlerei noch der Trunkenheit verfallen, aber er verspürt einen satanischen Hunger und Durst, Seelen zu verschlingen und zu verlieren. Er gehört zu jener Kategorie von Männern, die vom scharfen Blick des Apostels (1 Tim 3,5) entlarvt wurden: äußerlich sehr fromm, in Wirklichkeit aber völlig tugendlos; oder zu jenen anderen, die der Herr beschrieb, als er sagte: „Sie werden zu euch kommen in Schafskleidern, aber sie sind reißende Wölfe“ (Mt 7,15). Dieser Mann hat sein ganzes Leben lang bis heute keinen Ort verlassen, an dem er nicht traurige und schmerzhafte Erinnerungen seines Aufenthaltes hinterlassen hätte; so sehr, dass keine Gefahr besteht, dass er es wagen würde, in eine Region zurückzukehren, aus der er sich einst zurückgezogen hat. Selbst das Land, in dem er das Licht der Welt erblickte, fühlte sich durch sein Verschulden so entsetzlich erschüttert und gequält, dass es ihn beim Papst als Urheber eines verhängnisvollen Schismas anklagen musste, sodass Seine Heiligkeit ihn deswegen aus dieser Region verbannte und ihn zwang, zu versprechen, nicht ohne vorherige Erlaubnis des Heiligen Stuhls zurückzukehren. Wegen eines ähnlichen Vergehens wurde er umgehend als berüchtigter Unruhestifter aus Frankreich verbannt; denn da er sich vom Nachfolger des heiligen Petrus zurückgewiesen sah, beschloss er, sich einem anderen seinesgleichen, Petrus Abaelard, anzuschließen, und nachdem er dessen Irrtümer – die von der Kirche bereits aufgezeigt und verurteilt worden waren – übernommen hatte, verteidigte er sie gemeinsam mit ihm, sogar mit mehr Wut und Hartnäckigkeit als der Urheber selbst.

Und glaubt nicht, dass er sich damit zufriedengab oder seinen Zorn besänftigt habe: Er hat noch immer seine Hand zum Schalg bereit. Obwohl er vom rechten Weg abgekommen und verwundet ist, will er an Menschen anderer Nationen das Unheil anrichten, das er den Menschen seines eigenen Landes nicht antun konnte, und brüllt dabei stets wie der Löwe, der seine Beute verfolgt, um sie zu verschlingen. Schon jetzt plant und vollbringt er, wie man mir berichtet, Bosheit in Eurer Diözese und verschlingt euer Volk wie ein Stück leckeres Brot. Er öffnet seinen Mund nur, um zu lästern und Bitterkeit zu säen; seine Beine sind flink und bereit, überall hin zu eilen, wo er Blutvergießen anrichten kann; seine Schritte sind gezeichnet von den Ruinen und dem Unglück, die er hinterlässt; er kannte nie die Wege des Friedens. Ein Feind des Kreuzes Christi und ein Sämann der Zwietracht, darüber hinaus ein Meister der Lügen und der Spaltung, ein Störer des Friedens und ein entschlossener Gegner der katholischen Einheit. Seine Zähne sind scharf wie Schwerter und Speere, und seine Zunge ist schlimmer als ein scharfer Pfeil. Er versteht es, seine Worte mit Sanftmut zu salben, wie mit Öl, und schießt seine vergifteten Pfeile unter sie. Deshalb zieht er gewöhnlich mit wohlklingenden und liebenswürdigen Reden und dem Schein der Tugend die Reichen und Mächtigen der Erde an sich. So erfüllt sich, was in der Schrift geschrieben steht: „Er lauerte den Reichen auf, um einen Unschuldigen zu ermorden“ (Sirach 9,29). Sobald er die Gunst der Mächtigen gewonnen hat und sich in ihrem Einfluss und ihrer Freundschaft sicher fühlt, werdet Ihr sehen, wie er dreist gegen den Klerus vorgeht und, mit Waffengewalt gestärkt, sich gegen die Bischöfe selbst erhebt und in seinem Wahn alle Arten von Geistlichen angreift.

Angesichts dessen ist es in einer so bedrohlichen Angelegenheit das Beste, den sichersten Weg zu wählen und dem Rat des Apostels (1 Kor 5,13) zu folgen und das Böse bei der Wurzel auszurotten. Vielleicht wäre es aber besser, wenn der Freund des Bräutigams den Bösen nicht nur vertreiben, sondern ihn festnehmen würde, um ihn daran zu hindern, in andere Länder zu ziehen und weiteren Schaden anzurichten.

So hatte es der Papst bereits angeordnet, als dieser noch in seinen Gebieten weilte, denn Seine Heiligkeit war sich des enormen Schadens bewusst, den dieser Mann anrichtete; doch niemand war eifrig genug, ihn zu ergreifen und dieses gute Werk zu vollbringen. Was? Befiehlt uns die Heilige Schrift nicht geradezu, die kleinen Füchse zu jagen, die den Weinberg verwüsten (Hohelied 2,15)? Um wie viel mehr Grund sollten wir dann einen großen, wilden Wolf anketten, damit er nicht die Herden des Herrn reißt, die Schafe tötet und sie ins Verderben stürzt!

(«Obras completas del Doctor Melífluo, San Bernardo, Abad de Claraval», trad. espanhola do Pe. Jaime Pons, S. J., Rafael Casulleras Librero-Editor, Barcelona, 1929; vol. V — «Epistolario», p. 405, carta 195).

 

 

Aus dem Portugiesischen in “Catolicismo“ von Dezember 1958

Montag, 20. Oktober 2025

Ein Höhepunkt des Mittelalters: das Dictatus Papae des Heiligen Gregor VII.

 



Roberto de Mattei

Das Pontifikat des Heiligen Gregor VII. (1073-1085), Hildebrand von Soana, stellt einen der Höhepunkte des christlichen Mittelalters dar. Der Höhepunkt des gregorianischen Pontifikats ist das Dictatus Papae, eine Sammlung von 27 Sätzen, die die Vorrechte des Papstes und seine Beziehungen zur weltlichen Autorität definieren, die Überlegenheit des Pontifex über den Kaiser im religiösen und moralischen Bereich verkünden und dem Papsttum die Rolle der höchsten und bedeutendsten Macht der Welt beanspruchen. Das Werk entstand vermutlich zwischen 1075 und 1078, zur Zeit des schärfsten Konflikts mit dem deutschen Herrscher Heinrich IV., noch nicht Kaiser von Deutschland, der den sogenannten Investiturstreit gegen die Kirche begonnen hatte.


Fragment des „Dictatus Papae“

„Der Papst von Rom – so der heilige Gregor VII. – wird zu Recht universal genannt“ (Nr. 2); „Sein Titel ist einzigartig auf der Welt“ (Nr. 11); „Keiner seiner Sätze kann von niemandem abgeändert werden; im Gegenteil, er kann jedes Urteil anderer ändern“ (Nr. 18); „Niemand kann ihn richten“ (Nr. 19); „die römische Kirche hat nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift nie einen Irrtum verkündet und wird auch nie einen Irrtum begehen“ (Nr. 22); außerdem ist es dem Papst „erlaubt, Kaiser abzusetzen“ (Nr. 12) und „er kann Untertanen von der Loyalität gegenüber den Ungerechten befreien“ (Nr. 27).

Auf theologischer Ebene weist Gregor unter Berufung auf seine Qualität als universaler Hirte die Behauptung zurück, der päpstliche Thron könne Könige nicht exkommunizieren und ihre Untertanen nicht vom Band der Loyalität befreien. Die Lehre des Heiligen Gregor VII. basiert auf den Worten, mit denen Unser Herr dem Heiligen Petrus die Macht verliehen hat, sowohl auf Erden als auch im Himmel zu binden und zu lösen, sowie auf verschiedenen Passagen von Gregor dem Großen und anderen Autoren, in denen gefragt wird, wie man behaupten kann, dass derjenige, der die Macht hat, die Tore des Himmels zu öffnen und zu schließen, nicht die Macht hat, über die Dinge dieser Welt zu richten. Laut Gregor wurde Petrus zum Herrscher über die Königreiche der Welt ernannt, und Gott unterwarf ihm alle Fürstentümer und Mächte der Erde und gab ihm die Macht, im Himmel und auf Erden zu binden und zu lösen. Könige und Kaiser sind nicht von dem göttlichen und natürlichen Gesetz ausgenommen, dem alle Menschen unterworfen sind und dessen Hüterin die Kirche ist.

In Übereinstimmung mit diesen Aussagen entließ und exkommunizierte Gregor VII. während der Synode im Februar 1076 den deutschen König Heinrich IV. und befreite seine Untertanen vom Treueeid. Die Exkommunikation und Absetzung Heinrichs wurde in der Römischen Synode von 1080 erneuert, in der Gregor die Kaiserwahl Rudolfs von Schwaben bestätigte.

Als 1119 in Cluny der Erzbischof von Vienne, Guy von Burgund, mit dem Namen Callixtus II. (1119-1124) zum Papst gewählt wurde, erinnerte er an die Lehren Gregors VII. und erneuerte am 29. und 30. Oktober desselben Jahres auf einer großen Synode in Reims in Anwesenheit von mehr als 400 Bischöfen die Verurteilung von Kaiser Heinrich V., dem Sohn Heinrichs IV. Während der Papst die Worte der Exkommunikation aussprach, zerbrachen die vierhundert Bischöfe die Kerzen, die sie in ihren Händen hielten. Das Konkordat von Worms, das 1122 den Investiturstreit beendete, erkannte die unmittelbare universale Vorherrschaft der Kirche auf geistlicher Ebene und ihre indirekte Macht auf weltlicher Ebene an. Daher konnte Callixtus II. im März 1123 im Lateran das IX. Ökumenische Konzil abhalten, das zugleich das erste Treffen aller Bischöfe im Westen war. Darin wurde die neue Vereinbarung zwischen Kirche und Reich feierlich bestätigt.

Für Diskussionen sorgte der achte Satz des Dictatus Papae, wonach „Nur der Papst die Reichsinsignien führen darf“. Doch in dieser Aussage steckt die gesamte politische Theologie des Mittelalters. Die Kirche ist nicht nur die höchste geistliche Autorität, sondern auch die Quelle der kaiserlichen Autorität und verfügt über ein doppeltes Zwangsmittel, das geistliche (kirchliche Zensur) und das materielle, das Recht auf Waffengewalt, das die juristisch-kanonische Grundlage der Kreuzzüge bilden wird, die im Namen dieser Autorität von den römischen Päpsten verkündet wurden. Diese These wird unter anderem vom Heiligen Bernhard von Clairvaux vertreten, wenn er in der Abhandlung „De Consideratione“ Papst Eugen III. daran erinnert, dass beide Schwerter, sowohl das geistige als auch das materielle, dem Papst und der Kirche gehören. In der damaligen Kunst wird der Papst immer an der Spitze dargestellt: Der Kaiser steht zu seiner Linken, eine Stufe darunter, und noch unter dem Kaiser stehen alle Könige und Herrscher der weltlichen Sphäre und dann nach und nach alle Mitglieder der katholischen Hierarchie, die die spirituelle Sphäre regiert.

Aus dieser Doktrin geht die Macht der Exkommunikation und Absetzung von Herrschern hervor, die über das Mittelalter hinausgeht. Im Jahr 1535 erklärte Papst Paul III. König Heinrich VIII. von England für seines Königreichs beraubt, und der heilige Pius V. verkündete am 25. Februar 1570 ein Urteil gegen Königin Elizabeth Tudor, in dem er sie im Namen der ihm verliehenen Befugnisse der Häresie für schuldig erklärte, sich die Exkommunikation auferlegte und ihr damit ihr beanspruchtes Recht auf die englische Krone verwirkte: Ihre Untertanen waren nicht mehr an den an sie geleisteten Treueeid gebunden und durften ihm unter Androhung der Exkommunikation nicht Folge leisten.

Der heilige Robert Bellarmin erklärt im fünften Buch von De Romano Pontifice, dass der Papst zwar keine direkte weltliche Jurisdiktion nach göttlichem Recht besitzt, aber über eine weitreichende indirekte Jurisdiktion verfügt, die der jesuitische Lehrer ebenfalls auf dem Dictatus Papae des Heiligen Gregor VII. gründet. Diese Position wird von zwei bedeutenden Juristen des 20. Jahrhunderts, wie Pater Luigi Cappello und Kardinal Alfredo Ottaviani, in ihren Handbüchern zum Kirchlichen öffentlichen Recht, in denen der Klerus bis in die jüngste Zeit ausgebildet wurde, als die des Lehramts der Kirche angesehen. Kardinal Alfons Maria Stickler bestätigte dies in seinen Studien zur Geschichte des kanonischen Rechts. Die Macht, einen Fürsten zu exkommunizieren und abzusetzen, ergibt sich aus der plenitudo potestatis der Kirche, die auf ihrer Macht zu lösen und zu binden beruht.

Das Dictatus Papae von Gregor VII. stellt daher, wie auch andere berühmte Dokumente, wie die Bulle Unam Sanctam von Bonifatius VIII. und der Syllabus von Pius IX., einen wesentlichen Text zum Verständnis der Gedanken der Kirche über die Beziehungen zwischen der geistlichen Ordnung und der weltlichen Ordnung dar.

Der heilige Gregor VII. gab der tiefgreifendsten Reform der Kirche des Mittelalters seinen Namen, einer authentischen spirituellen und moralischen Reform, die ebenfalls auf der plenitudo potestatis, der Fülle der Macht des Stellvertreters Christi, beruhte. Gregor VII. hätte seine spirituelle Reform gerne mit der Ankündigung eines großen Kreuzzugs gegen die Ungläubigen abgeschlossen, doch einem seiner Schüler, dem seligen Urban II., einem cluniazensischen Benediktiner, wurde die Ehre zuteil, ihn zuerst zu verkünden. Aus dem Geist der gregorianischen und cluniazensischen Reform entstand zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert mit dem Ruf „Gott will es“ das Kreuzzugsepos, die glänzendeste Seite der Kirche.

 

Aus dem Italienischen in 

https://www.corrispondenzaromana.it/un-apice-del-medioevo-il-dictatus-papae-di-san-gregorio-vii