Donnerstag, 29. November 2018

Zum Nachdenken...




DIE WELT VOM 2. März 2018
Kommentar
Putins Superwaffen

von RICHARD HERZINGER

In gut zwei Wochen wird sich Russlands Präsident Wladimir Putin im Amt bestätigen lassen. Zur Einstimmung darauf hat der Kreml-Herr in einer protzigen Propagandarede klargemacht, was er unter der seit vielen Jahren versprochenen, doch bis heute ausgebliebenen „Modernisierung“ seines Landes versteht: das Vorantreiben eines gigantischen Aufrüstungsprogramms, das die globalen militärischen Kräfteverhältnisse dramatisch zu verändern droht.
Vor allem die neue russische Superrakete RS-28 Sarmat, im Nato-Jargon Satan 2 genannt, die eine unbegrenzte Reichweite besitzt und bis zu 16 Nuklearsprengköpfe tragen kann, macht den Westen auf alarmierende Weise verwundbar. Ist diese Waffe, die ein Land von der Größe Frankreichs mit einem Schlag auslöschen kann, doch von bisher existenten Raketenabwehrsystemen – auch den amerikanischen – nicht zu erfassen. Putins Versicherung, seine neuen Wunderwaffen dienten nur der „Sicherung des Friedens“, ist nur zu gut aus Sowjetzeiten vertraut.
Tatsächlich dürfte er kaum vorhaben, sie in absehbarer Zeit einzusetzen. Wohl aber dient sein Prahlen mit den ungeheuren Zerstörungskräften, über die er verfüge, der Einschüchterung des Westens — und namentlich der USA, seines erklärten strategischen Hauptfeinds. Er sendet damit eine massive Warnung an jeden aus, der es wagen sollte, sich seinen Aggressionsgelüsten und Weltneuordnungsplänen entgegenzustellen, wie er sie derzeit in Syrien und der Ukraine demonstriert. So klingt es auch nicht beruhigend, wenn Putin betont, Russland werde Nuklearwaffen nur einsetzen, sollte ein atomarer Angriff auf es selbst oder „seine Verbündeten“ vorausgehen. Gilt eine solche Garantie etwa auch für Komplizen wie das mörderische Assad-Regime?
Zu lange hat sich vor allem Europa im Gefühl der Unangreifbarkeit gesonnt. Man sah sich „von Freunden umzingelt“ und redete sich ein, die Zukunft gehöre allein der „Softpower“. Hierzulande gilt vielen schon die Einlösung des Zwei-Prozent-Ziels der Nato als verwerfliche „Militarisierung“ — während die Bundeswehr funktionsuntüchtig ist. Unterdessen holen autoritäre Mächte wie Russland und China ihren militärtechnologischen Rückstand gegenüber dem westlichen Bündnis in Riesenschritten auf. Dies werden sie nutzen, um politisches Wohlverhalten zu erzwingen. Es gilt, endlich wieder zu begreifen: Mangelnde militärische Abschreckung stimmt die Feinde der westlichen Demokratie nicht friedfertiger. Sie macht es vielmehr möglich, uns als Erstes politisch zu entwaffnen.

richard.herzinger@welt.de
(Hervorhebungen von diesem Blog)

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