Samstag, 13. Mai 2017

Der Tod von Schwester Lucia und die Erfüllung der Botschaft von Fatima




Der Tod der letzten Seherin beendet eine Epoche in der Geschichte von Fatima — die der Mahnungen — und eröffnet eine neue: Die der Erfüllung der in der Mulde von Iria verkündeten letzten Ereignisse

Luis Dufaur*

Am 13. Februar, in einer schlichten und einfachen Zelle im Karmel von Coimbra, schlossen sich die Augen der Schwester Lucia, die gleichen Augen, die 1917 die Muttergottes und den Engel von Portugal geschaut haben, endgültig für diese Welt.
Ein Gefühl der Trauer durchlief die katholische Welt. Aber auch zugleich eine quälende Frage: Jetzt, wo die letzte Seherin von Fatima tot ist, wie werden die Ereignisse, die in Verbindung mit Fatima stehen, sich entwickeln? Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Absterben der Sr. Lucia und die Erfüllung der für die ganze Welt in der Mulde von Iria verheißenen Strafen?
In der langen Menschenschlange, die der Seherin die letzte Ehre erweisen wollte, sagte einer: „Ich fühle mich jetzt alleine. Es ist als ob ein Schutz, den ich ständig vernahm, verschwunden ist. Ich spüre das Bedürfnis für die Welt zu beten“. Ohne es zu ahnen, äußerte dieser Mann die Gefühle vieler anderer. Denn einfach das Dasein der Sr. Lucia auf Erden erhielt in den Menschen die Hoffnung aufrecht, an einer abermaligen barmherzigen Warnung oder klärenden Orientierung unserer Lieben Frau.
Doch die Majestät des Todes schloss auch ihre Lippen. Lucia ruht nun in einem schlichten Grab in der heiligen Klausur ihres Klosters. Ihr Heimgang in die Ewigkeit bedeutet jedoch keinesfalls, dass die Folge der 1917 begonnenen Ereignisse abgeschlossen ist. In der katholischen Welt herrscht ein übereinstimmendes Gefühl, dass die „Causa Fatima“ in eine neue Phase getreten ist. So schreibt der renommierte Vatikanist und Journalist Vittorio Messori: „Fatima bildet ein unberuhigendes Knäuel von Geheimnissen. (...) Das Ableben der letzten Seherin hat die Angelegenheit nicht abgeschlossen. Vielleicht hat es sie eher wieder eröffnet, mit Hinweisen auf unbekannte Zukunftsperspektiven“. (1)


Eine großartige Aufgabe

Schwester Lucia ging in die Geschichte ein, geschmückt mit der Großartigkeit der Botschaft, dessen Trägerin sie war und der heiligen Aufgabe, die ihr erteilt wurde. Eine Grandiose Aufgabe, die die Muttergottes ihr am 13. Juni 1917 übertrug: „Jesus will sich deiner bedienen, damit man mich kennen und lieben lernt. Er will, dass die Verehrung meines Unbefleckten Herzens in der Welt eingeführt wird“. (2) Ein Monat später fügte die Jungfrau hinzu: „Ich werde kommen, um zu bitten, dass Russlands meinem Unbefleckten Herz geweiht und die Sühnekommunion an den ersten Samstagen eingeführt wird“. (3)
In späteren Erscheinungen lehrten die Muttergottes und das Jesuskind Sr. Lucia die Praxis der Sühnekommunion an den ersten Samstagen. Schließlich während einer glanzvollen Erscheinung der Heiligsten Dreifaltigkeit und des Unbefleckten Herzens Mariens am 13. Juni 1929, gab Maria ihr zu wissen, dass „die Zeit gekommen sei, in der Gott dem Heiligen Vater bittet, in Vereinigung mit den Bischöfen der ganzen Welt, Russland dem Unbefleckten Herzen Mariens zu weihen, um es dadurch zu retten“. (4)
Dies war ein entscheidender Zeitpunkt in der Durchführung der von Maria ihr aufgetragenen Aufgabe. Sie erfüllte ihren prophetischen Auftrag, in dem sie dem damals regierenden Papst Pius XI. diese feierliche Bitte zukommen ließ.

Eine lange Reihe von Bitten

Auf den ersten Blick könnte man annehmen, ihre Aufgabe wäre mit der Sendung der Bitte an den Papst abgeschlossen. Denn für den Vollzug der Weihe Russlands war die demütige Nonne nicht zuständig, sondern der Stellvertreter Christi auf Erden.
Pius XI. erhielt die Botschaft, doch aus nicht veröffentlichten Gründen hat er die Weihe nicht vollzogen. Damit eröffnete sich für Sr. Lucia die schmerzlichste und längste Phase ihrer Mission: hier und da immer wieder ergebenst die Päpste an den Vollzug der Weihe, die die Muttergottes gebeten hatte, zu erinnern.
Die Jahre verliefen, ohne dass die Weihe vollzogen wurde. Bis Jesus, in einer vertrauten Erscheinung ihr mitteilte, daß die Zeit, die Verbreitung der Geißel der Irrtümer des Kommunismus zu verhindern, abgelaufen sei: „Sie wollten meiner Bitte nicht nachkommen. Wie damals der König von Frankreich werden sie es bereuen und die Weihe vollziehen, doch dann wird es zu spät sein. Russland wird seine Irrtümer schon über die Welt verbreitet und Kriege und Verfolgungen gegen die Kirche verursacht haben; der Heilige Vater wird viel zu leiden haben“. (5)
Am 21. Januar 1935 teilte Jesus der Sr. Lucia mit, er sei „sehr traurig, dass man seine Bitte nicht erhört habe“. (6) In nachfolgenden Briefen wiederholte Sr. Lucia die himmlischen Bitten und Warnungen bezüglich der Weihe Russlands.
Mehr noch. Am 2. Dezember 1940 schrieb sie direkt an Pius XII. und drängte auf den Vollzug der Weihe. Pius XII. weihte die Kirche und die Menschheit dem Unbefleckten Herzen Mariens am 31. Oktober 1942. Doch sie erfüllten nicht die von der Muttergottes geforderten Bedingungen. Im Auftrag Jesu teilte Sr. Lucia dann dem Papst mit, da der Weiheakt „unvollständig war, verbleibt die Bekehrung Russlands für eine spätere Zeit“. (7)

Ein bedeutender Einsatz während des Konzils

1962 wurde das 2. Vatikanische Konzil eröffnet. Es war eine außerordentliche Gelegenheit für den Papst und die in Rom versammelten Bischöfe der ganzen Welt den Bitten des Himmels nachzukommen und das Ende der von Kommunismus und Sozialismus verursachten Katastrophen zu beschleunigen. Zu diesem Zeitpunkt hatten beide schon zehnfach Millionen Opfer verursacht.
So kam es auf dem Konzil zu einem spektakulären Einsatz im Sinne der Botschaft von Fatima. 510 Erzbischöfe und Bischöfe aus 78 Länder unterschrieben eine Petition an den Heiligen Vater, er möge eindeutig Rußland und alle vom Kommunismus beherrschten Länder dem Herzen Mariens weihen und anordnen, daß in Vereinigung mit ihm und am gleichen Tag alle Bischöfe der Welt das gleiche tun sollten. Diese Petition wurde Papst Paul VI. am 3. Februar 1964 vom Erzbischof von Diamantina (BR) Geraldo Proença Sigaud überreicht.
Doch das erwartete Echo blieb aus. Paul VI. „vertraute die Menschheit“ dem Unbefleckten Herzen Mariens am 21. November 1964 an. Später weihte Johannes Paul II. am 13. Mai 1982 und am 25. März 1984 die Welt dem Unbefleckten Herzen Mariens ohne aber Russland namentlich zu erwähnen. Keine dieser Weiheakte entsprach den von der Muttergottes angegebenen Bedingungen, so Sr. Lucia.

Geheimnisvoller Schleier

1989 wurde eine neue Seite der Weltgeschichte aufgeschlagen. Ungefähr in der Mitte jenes Jahres, fing Sr. Lucia an, die Gültigkeit der von Johannes Paul II. am 25. März 1984 vollzogenen Weihe anzunehmen. Bis dann hatte sie sie im Sinne der Bitte der Muttergottes als nicht gültig betrachtet. Für diese Meinungsänderung gab sie keine übernatürliche Anweisung an, was bedeutet, dass es sich um eine rein persönliche Meinung handelte.
Doch es bedeutet aber auch, dass der Hauptbestandteil ihrer Sendung keineswegs damit ausgelöscht wurde. Sie erfüllte den Auftrag, den sie vom Himmel bekommen hatte, d.h., dem Papst die Bitte der Muttergottes, Russland namentlich zu weihen und die Einführung der Verehrung des Unbefleckten Herzens zu übermitteln.

Stunde der göttlichen Strafe?

Was den Rest der Botschaft von Fatima betrifft, kann man annehmen, dass das Eintreffen der barmherzigen aber auch fürchterlichen in Fatima vorhergesehenen letzten Ereignisse bevorstehen. Sie zielen auf die Bekehrung der sündigen Menschheit, die den ständigen und wiederholten Mahnungen, Bitten und Warnungen der Muttergottes zur Umkehr, zur Änderung ihres Lebenswandels nicht entsprochen hat.
Mit einem Versuch etwas Licht auf diese angekündigten geheimnisvollen Ereignisse zu werfen, könnte man fragen ob es am Horizont des menschlichen Geschehens Fakten gibt, die ihr Kommen voraussagen.

Fakten, die die Hypothese bestätigen

Der verheerende Tsunami im Indischen Ozean Ende des Jahres 2004, könnte er nicht eine Ouverture des letzten Zeitabschnitts der in Fatima vorhergesagten Strafen sein? Die fanatische Offensive der Moslems gegen die noch vorhandenen Reste der christlichen Zivilisation, ist sie nicht eine Tatsache, die in die gleiche Richtung weist? In der ganzen Welt verzeichnen wir gewalttätige und blutige Verfolgungen gegen Katholiken, die jährlich Tausende von Märtyrern fordert.
Die sozialistischen und kommunistischen Irrtümer, die sich über die ganze Welt verbreitet haben, brachten eine undenkbare Welle von Feindseligkeiten gegen das, was noch von der christlichen Ordnung übrig geblieben ist und selbst gegen die katholische Kirche. Abtreibung, Euthanasie, die sogenannte Homoehe, ein kämpferischer Laizismus, antinatürliche genetische Experimente und Versuche des menschlichen Klonens, die graduelle Zerstörung des Eigentumsrechts, Ausrottung legitimer Traditionen usw. usf. Die Aufzählung könnte lang werden.
Ich beschränke mich auf ein Beispiel. Spanien litt 1936 bis 1939 unter einen blutigen Bürgerkrieg, der von dem internationalen Sozialismus und Kommunismus entfacht wurde. Am 4. Mai 1943 sandte Sr. Lucia eine Warnung Unseres Herrn Jesus Christus an die spanischen Bischöfe: sie mögen „eine Reform, eine Bekehrung im Volk, im Klerus und in den Ordensgemeinschaften anordnen. Sollten die Herren Bischöfe diesen Bitten Unseres Herrn nicht nachkommen, wird Russland noch einmal die Geißel sein, mit der Gott sie bestrafen werde.“ (8)
Auch diese Mahnung wurde nicht gehört. Doch rein menschlich gesehen, gab es keinen Anlass, diese verheißene Geißel zu fürchten. Denn nach dem Bürgerkrieg wandelte Spanien sicher auf dem Weg eines fortschreitenden Wohlstandes, in dem die ideologischen Konflikte anscheinend für immer begraben worden waren. Bis am 11. März 2004 der Islam ein brutales terroristischen Attentat in Madrid verübte und die neue sozialistische Regierung eine ruchlose Offensive gegen den spanischen Katholizismus auslöste. So entschieden und heftig war dieser Angriff, dass der Primas von Spanien, Erzbischof Antonio Cañizares von Toledo, erklärte, die politische Macht und die Medien seien bereit, die Kirche zu zerstückeln und sie zu beseitigen durch physische Vernichtung und moralischen Angriff. (9)

Die Ängste der Sr. Lucia

Glaubenswürdige Quellen sprachen in Portugal davon, dass Sr. Lucia vor hatte nach Lissabon zu fahren, um speziell während der damals anstehenden Wahlen, die den Sozialisten die Macht wiedergab, im Zimmer, in dem Jacinta 1922 starb, für Portugal zu beten. Es wäre eine außergewöhnliche Tat gewesen.
Mit Gewissheit ahnte sie, dass diese Wahl ein Vorzeichen sein würde, für die Voraussagen der Sel. Jacinta: „Eine furchtbare soziale Umwälzung bedroht unser Land und besonders die Hauptstadt Lissabon. So wie es scheint, wird ein anarchistisch-kommunistischer Bürgerkrieg ausbrechen, mit Plünderung, Blutbad, Brandstiftungen und Verwüstungen aller Art. Die Hauptstadt wird sich in wahres Abbild der Hölle verwandeln. Zu dieser Zeit, in der die beleidigte göttliche Gerechtigkeit solch strenge und furchtbare Strafe dem Land auferlegt, sollten alle, die es möglich machen können, diese Stadt entfliehen.“ (10)
Sollte sich der portugiesische Sozialismus dem spanischen Sozialismus gleichschalten, könnte sich dies mit höchster Wahrscheinlichkeit ereignen.

Zeichen der Bekehrung?

In gänzlich entgegengesetzter Richtung kann man eine weltweite konservative Welle vernehmen, einer Rückkehr zu den traditionellen ethischen und moralischen Werten und Institutionen wie die der Familie. Könnte dies nicht eine erste Frucht der Einwirkung der Gnade im Kern vieler Seelen sein? Sie könnte Bekehrungen einleiten, die im engen Zusammenhang mit dem Triumph des Unbefleckten Herzens Mariens stehen.
Der Tod Sr. Lucias beendete einen Zyklus und eröffnete einen neuen, der vielleicht beeindruckender sein wird, was die Erfüllung der Botschaft von Fatima betrifft. In diesem neuen Zyklus wird die Göttliche Vorsehung, mehr als menschliche Spekulationen vermögen sich vorstellen zu können, durch große Ereignisse das letzte Wort sprechen.
Mehr denn allem anderen müssen wir Katholiken der Sprache der Weltereignisse lauschen, denn die wiederholten wörtlichen Ermahnungen führten nicht die von der Muttergottes gewünschten barmherzigen Folgen herbei.
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1. „Corriere della Sera“, 15-2-05.
2. Apud Antonio Augusto Borelli Machado, As aparições e a mensagem de Fátima conforme os manuscritos da Irmã Lúcia, Artpress, São Paulo, 1997, 46ª ed., p. 41.
3. Op. cit., p. 47.
4. Op. cit., p. 77.
5. Op. cit., pp. 78-79.
6. Op. cit. p. 79.
7. Op. cit., p. 84.
8. Op. cit., p. 84.
9. „Agência Católica Internacional“, (ACI), 16-8-04.

10. Op. cit., p. 65.

* Freie Übersetzung aus dem Portugiesischen. Dieser Artikel erschien erstmalig in der katholischen Zeitschrift „Catolicismo“ vom März 2005, São Paulo, Brasilien.

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