Samstag, 1. April 2017

Misstöne von Bundespräsident Gauck

Monsignore Pfarrer Gerhard Senninger

Die Tageszeitung „Die Welt“ brachte am 1.11.2016 folgenden Text: „Bundespräsident Joachim Gauck hat die von Martin Luther ausgelöste Reformation als einen Grundstein für das Gemeinwesen in Deutschland gewürdigt: Ohne die Initialzündung der Reformation gäbe es weder die Freiheit des Glaubens und des Gewissens noch die unveränderlichen Grundrechte“, sagte Gauck zum Auftakt der Feiern zum 500-jährigen Reformationsjubiläum in Berlin „Weil Luther es jedem Einzelnen freigestellt habe, ob er sich an das Evangelium bindet, sei ein frischer Wind der Freiheit gekommen. Die Reformation habe die Überzeugung, dass das Individuum letztendlich seinem Gewissen gegenüber verantwortlich ist, zu neuem Leuchten gebracht.“

Dieser unzutreffenden Darstellung habe ich mit einem Leserbrief vom 4.11.2016 wie folgt widersprochen: „Luther hat für sich Toleranz gefordert, war aber nicht bereit, sie anderen zu gewähren. Einigen Herzogen und Reichstädten auf Luthers Seite ging es um den Besitz der Kirche und um Macht gegenüber dem Kaiser, den sie angesichts der Türkengefahr geradezu erpressten. So erklärten sie beim 2. Reichstag zu Speyer 1529: „Die Messe nur zu dulden würde bedeuten, der evangelischen Prediger Lehren, die wir doch für christlich und zuverlässig halten, Lügen Strafen. Ja wenn die päpstliche Messe nicht wider Gott und sein heiliges Wort wäre, dürfte man sie nimmer mehr beibehalten, weil zweierlei Kult in einem Gebiet unerträglich sei und beim gemeinen Mann, gerade wenn er es ernst meint mit Gottes Ehre, zu Widerwärtigkeiten, Aufruhr, Empörung und Unglück aller Art führen müsse (Reichstagsakten VII, 1281). So wurde der katholische Glaube in Deutschland unterdrückt. Der „Friede“ von Augsburg 1555 legte fest: Der Landesherr bestimmt die Religion seiner Untertanen. Kennt Bundespräsident Gauck diese Festlegungen nicht, die jeder freien Gewissensentscheidung Hohn sprechen? Ein frühes Beispiel für die Unterdrückung der Katholiken ist die zwangsweise Auflösung des Klarissen-Klosters der Caritas Pirkheimer in Nümberg. Selbst Philipp Melanchthon, der sich als einziger Lutheraner für das Bleiberecht der Nonnen einsetzte, konnte ihnen nicht helfen. Gewissensfreiheit sieht anders aus.

Auch noch im so genannten Kulturkampf unter Bismarck (1871-1887) erlitt die katholische Kirche bitteres Unrecht. Der Kölner Erzbischof wurde am 20.11.1837 von den im damaligen Preußen herrschenden Protestanten verhaftet und in der Festung Minden eingesperrt. Von den 12 katholischen Bischöfen in Preußen wurden sechs zu hohen Gefängnisstrafen und zu Geldstrafen verurteilt. Ähnlich erging es 2000 Priestern. 400 Ordensniederlassungen wurden aufgehoben, „Sind diese Tatsachen dem amtierenden Bundespräsidenten unbekannt?“

Die Leserbrief-Redaktion der „Welt“ antwortete zunächst nicht und lehnte es schließlich mit unterschiedlichen Begründungen ab, meine Richtigstellung zu veröffentlichen. Dies ist umso bedauerlicher, als hier Joachim Gauck nicht als Privatmann eine falsche Meinung verkündet hat. Er hat vielmehr in seiner amtlichen Funktion als Staats-Oberhaupt in einer offiziellen Feier zum Reformationsjubiläum gesprochen, Sollen hier unter Missbrauch des Amtes des Bundespräsidenten konfessionelle Unwahrheiten verbreitet werden? Solche Streitigkeiten sollten wir im Zeitalter der Ökumene überwunden haben. Und Richtigstellungen sollten in einer freien Presse erlaubt sein.



Ein Beispiel für die Missachtung der Gewissensfreiheit unter lutherischer Herrschaft ist die Zerstörung des Klarissenklosters in Nümberg.
Dort war Caritas Pirkheimer von 1503 bis 1532 Äbtissin. Sie war eine Verfechterin der Glaubens- und Gewissensfreiheit. Als hoch gebildete Nonne pflegte sie Gedankenaustausch mit zahlreichen Gelehrten wie Erasmus von Rotterdam und Conrad Celtis. 1525 widersetzte sie sich im Einvernehmen mit ihrem Convent der gewaltsamen Einführung der lutherischen Lehre. Sie schrieb den evangelischen Ratsherren: „Es wäre uns lieber und nützlicher, Ihr schicket einen Henker in unser Kloster, der uns alle Köpfe abschlüge, als dass Ihr uns einen vollen, trunkenen, unkeuschen Pfaffen zuschickt.“ Die Nonnen durften auch in der Sterbestunde von keinem katholischen Priester besucht werden, um die Sterbesakramente zu empfangen. Schließlich wurde das Kloster vom evangelischen Stadtrat ausgehungert...

Der Fels 3/2017
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