Donnerstag, 21. Juli 2011

IV. Metamorphosen des revolutionären Prozesses

Wie das vorhergehende Kapitel zeigt, ist der revolutionäre Prozess eine schrittweise Entwicklung gewisser ungeordneter Tendenzen des christlich-abendländischen Menschen und der daraus bedingter Irrtümer.

In jeder Stufe dieses Prozesses erscheinen diese Tendenzen und Irrtümer mit einem anderem Gesicht. Die Revolution wandelt sich also im Laufe der Geschichte.

Diese Metamorphosen, die sich in den großen allgemeinen Linien der Revolution feststellen lassen, wiederholen sich in kleinerem Maßstab in jedem großen Abschnitt derselben.

So bediente sich der Geist der Französischen Revolution in seiner ersten Phase einer durchaus aristokratischen, ja sogar kirchlichen Maske und Sprache, ging am Hofe ein und aus und hatte sogar einen Sitz im Kronrat.

Später nahm er bürgerliche Züge an und setzte sich für die unblutige Beseitigung der Monarchie und des Adels sowie für eine verschleierte, friedliche Abschaffung der katholischen Kirche ein.

Bei der erstbesten Gelegenheit übernahm er die Haltung der Jakobiner ein und berauschte sich am Blut der Terrorherrschaft.

Doch die Ausschreitungen des Jakobinerklubs stießen auf Widerstand, und so durchlief er nun auf dem Rückzug dieselben Etappen wieder, allerdings in umgekehrter Richtung. Aus dem Jakobiner wurde im Direktorium ein Bürgerlicher und unter Napoleon streckte die Hand wieder der Kirche entgegen und öffnete dem verbannten Adel wieder die Türen; am Ende begrüßte er sogar die Rückkehr der Bourbonen. Das Ende der Französischen Revolution bedeutet aber nicht den Abschluss des revolutionären Prozesses. Mit dem Sturz Karls X. und dem Aufstieg Louis-Philippes kommt er wider zum Ausbruch und von Wandel zu Wandel zieht er aus Erfolgen und selbst aus Misserfolge Nutzen und erreicht so in unseren Tagen seinen Höhepunkt.

Die Revolution nützt somit ihre Metamorphosen nicht nur um vorzustoßen, sondern sie versteht es auch, immer wieder notwendige taktische Rückzieher zu unternehmen.

Manchmal täuscht die stets lebendige Bewegung ihren Tod vor, und dies ist eine ihrer interessantesten Wandlungen. Dem Anschein nach ist die Lage in einem bestimmten Land dann völlig ruhig. Die gegenrevolutionäre Reaktion räkelt sich und schläft ein. Doch in den Tiefen des religiösen, kulturellen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens gewinnt derweil der revolutionäre Gärungsprozess immer mehr an Boden, und am Ende dieses scheinbaren Stillhaltens kommt es dann plötzlich zu einem unerwarteten Ausbruch, der in seiner Stärke oft die vorausgegangenen Ausbrüche noch übertrifft.

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