Mittwoch, 30. Juli 2014

Hl. Petrus Chrysologus - 30. Juli



Erzbischof, Kirchenlehrer
* um 380 in Forum Cornelii bei Imola, Italien
+ 3. Dezember 450 in  Forum Cornelii
Patron gegen Fieber und Tollwut

Von Petrus Chrysologus, den Papst Benedikt XIII. im Jahr 1719 zum Kirchenlehrer erhob, sind zahlreiche Schriften erhalten, darunter 183 Predigten. Sie erklären auch heute noch, warum Petrus den Beinamen „Chrysologus“, der Goldredner, erhielt. Die Sprache des Schreibers und Predigers ist bei aller Tiefsinnigkeit und Gelehrtheit volkstümlich und für jedermann, auch für den einfachen Zuhörer, verständlich. Klarheit und Überzeugungskraft prägen die Worte von Petrus, der im Jahr 431 Bischof von Ravenna geworden war.
Petrus Chrysologus war eng mit Papst Leo den Großen befreundet und bekämpfte mit ihm zusammen leidenschaftlich die kirchlichen Irrlehren, die sich im 5. Jh. entwickelten. Während der Amtszeit von Petrus wurde die Stadt Ravenna Metropole des Weströmischen Reiches, der Bischof der Stadt damit Erzbischof (Metropolit). Petrus war der erste Träger dieses Titels, unter ihm entwickelte sich Ravenna ein großes Stück auf dem Weg zu der glanzvollen Stadt, die im Laufe der nachfolgenden Jahrhunderte so bewundert werden sollte. Als Petrus Chrysologus seinen Tod kommen fühlte, ging er nach Forum Cornelii, seinem Geburtsort, um zu sterben. Sein Todestag war wohl der 3. Dezember 450. Die Grabstätte des Bischofs wird bis heute im Dom von Imola verehrt.

Darstellung:  Petrus Chrysologus ist in bischöflichen Gewändern mit Kelch und Hostie oder mit Patene dargestellt. 
Ein Gemälde von Benvenuti zeigt den Kirchenlehrer sterbend vor dem Altar (Ravenna, Dom).





Quelle: Heilige und Namenspatrone im Jahreslauf – Schauber . Schindler – Pattloch-Verlag

Montag, 14. Juli 2014

Sturm auf die Bastille III


Aus „Dieses ist der Mittelpunkt der Welt - Pariser Tagebuch 1788/1789“ von Wilhelm von Wolzogen.
(Die Schreibweise des Originals wurde zum großen Teil beibehalten)

Paris, am 14. Juli 1789

Die Nacht ward unruhig. Das mutwillige Schießen, das Lärmen, das Läuten der Sturmglocke, wenn es einem einfiel, der falsche Alarm für fremde Truppen: alles
Prince de Lambesc
dieses vermehrte die Unordnungen. Man drohte, einige Hotels anzustecken, man ward erbittert gegen den Prinz Lambesc, gegen einige andere Großen. Der Kaiserl. Gesandte bekam Wache vor das Haus; niemand kam herein oder heraus, ohne visitiert zu werden, jeder Wagen, jeder Karren, jeder Kourier wurde angehalten, ausgesucht, seine Briefschaften aufgebrochen; dieses geschah auch auf der Post. Jetzt suchte man sich in allen Fällen sicher zu stellen: suchte Canonen hervor, fiel in die Invaliden ein u. nahmen da das Geschütz weg, kamen endlich auch auf den
Gedanken, sich der Bastille zu bemächtigen und die Kanonen herauszuführen.
Dieses war ein Unternehmen, das nur in dem Gehirn eines Franzosen entstehen konnte. Bisher hatte man immer geglaubt, daß dieses eines der festesten, unzugänglichsten Forts seie und nur durch unaufhörliches Bombardement könnte eingenommen werden; der Charakter, den es hatte, war schon hinreichend, diese Ideen zu bekräftigen. Allein gewohnt, nirgends Widerstand zu finden, auch in der Hoffnung, daß die darinnen lägen, ihre Partie ergreifen würden, rückte ohne alle Ordnung, ohne allen Plan ein Trupp bewaffneter Bürger heran. Der Gouverneur, Msr. de Launay (Kommandant der Bastille), steckte die weiße Fahne auf, ließe aber doch einige Kanonennschüsse mit gehacktem Blei tun; die aber keiner Schaden waren, da die Leute zu nahe schon waren unter den Kanonen. In der Bastille lagen die Invaliden, die schossen mit Flinten aus den Löchern; doch tate auch dieses nicht viel Schaden; ungefähr 47 Mann fielen. Man arbeitete unterdessen, um die Zugbrücken
herunterzubringen, legte Feuer an unter die Bäume, die sie aufhielten, und so kame man endlich hinein. Als sie einmal darinnen waren, hatten sie weiter keinen Widerstand zu fürchten, denn es lagen nur ungefähr 50 Mann Invaliden darinnen und etliche 30 Schweitzer von Salis Samate. Jetzt fielen sie auf den Gouverneur ein. Einer von der Garde française packte ihn zuerst. Er wurde sogleich von dem Volk mit einem Orden behangen. Sie führten ihn nebst noch einem Vorgesetzten der Bastille, dem Inspecteur über Pulver und Salpeter, einigen Invaliden, die Feuer gegeben hatten, dem Guichetier (Türknecht des Kerkermeisters) in Triumph auf den Place de Grève. Hier kamen sie schon zum Teil halbtot an. Man hängte sie da vollends oder schluge ihnen die Köpfe herunter; der nächste beste, der einen Säbel [hatte], verrichtete dieses auf dem Pflaster ohne alle Umstände. Zugleich hatten sie einen Brief von dem Prevot des Marchands entdeckt, den er nach Versailles schicken wollte, um den König zu benachrichtigen: daß der Aufruhr in Paris allgemein seie, die Bürger auch schon zum Teil bewaffnet wären, er wolle indessen die übrigen von ihm geforderten Waffen so lange zurückbehalten und die Bürger so lange aufhalten, bis der König Truppen geschickt habe oder sonst Anstalten geschafft wären, die Unruhen zu dämpfen. - Dieser Msr de Flaissel wurde also geholt
nebst seinem Sohn, aufs Rathaus geführt, er mußte selber seinen Brief vorlesen. Als er geendigt, schoß ihm ein junger Mensch mit einer Pistole an den Hals. Er lebte noch u. wehrte sich mit Verzweifelung. Es war eine wahre Hetze, die man mit ihm hielte: Man riße ihn die Treppen herunter - sein Sohn folgte ihm -, warfe ihn aufs Stroh - er stieße noch mit der Hand das Stroh hinweg -, ein anderer hiebe ihm den Kopf herunter.
Dieser und des Gouverneurs Kopf wurden auf Stangen gesteckt und so mit Trommeln und der Bürgerwacht in einem Teil der Stadt herumgetragen. Ich begegnete diesem Zug in der Straße, wo Heinrich der IV. ermordet wurde. Noch niemals habe ich eine solche schreckliche Empfindung gehabt, die durch das Freudengeschrei, durch das Applaudieren, durch die Unzügellosigkeit noch verstärkt wurden. 
Mit Entsetzen sahe ich den Kopf auf der Stange, mit noch größerem Entsetzen um ihn, neben ihm, über ihm ein allgemeines Händeklatschen. Damen hatten alle Fenster besetzt, sie lagen halb heraus, um den schrecklichen Auftritt durch ihre schrecklich frohlockende Teilnahme noch fürchterlicher [zu machen]. »Ah, quelle grimace qu'il fait, le vilain« (Oh, was für eine Fratze er schneidet, der Garstige!), rief ein gut gekleidetes Frauenzimmer neben mir und lachte dabei hoch auf. Es war empörend für die Menschheit, und noch nie sind mir fröhliche Gesichter so schrecklich vorgekommen als dieses mal. Das Volk, das sonst so sanft, so gut, so fein ist, zeigte sich hier als das grausamste, unmenschlichste, unzivilisierteste Volk; das Geschlecht mit den feineren Nerven, für Empfindungen u. feinere Empfindung geschaffen, so oft so liebenswürdig, so edel, so tändelnd, zeigte sich hier in einem fürchterlichen Bilde. Man schenkt mitleidig eine Träne dem Mörder, dem Räuber, der aus den Schranken der Menschheit trat, um seine Habsucht grausam zu befriedigen, wenn er auf dem Rade liegt, wendet das Gesicht ab und betet für seine Seele, und hier hohnlacht man über einen Unglücklichen, der die Befehle seines Herrn ausrichtete u. ein Opfer seines Gehorsams wurde. Von diesem Augenblick an sehe ich heller in den Charakter der Franzosen. Ich sehe den Pariser: ohne Charakter [als] nur dem, den der Moment gibt, den gesellschaftliche Verbindungen erzwingen, - nur dem, der nötig ist, um eine Außenseite zu haben. Ich sehe, wie nötig es ist, daß er immer unter einem eisernen Szepter geführt wird; er kann nicht frei sein, denn er ist grausam und ungerecht, ohne Festigkeit, ohne Grundsätze, gewohnt, geleitet u. gegängelt zu werden. Zügellosigkeit hält er für Freiheit, für Patriotismus. Er ruft: »Vive la nation, le Tiers état!«; und dieses ist alles, was er für's Vatterland tut; und wer nicht mitruft, dem schlägt er auf den Kopf. Und diese Nation will sich frei machen u. fühlt sich frei in dem Augenblick, wo sie die größte Tyrannei ausübt, wo nur eine Meinung die herrschende sein darf und jede andere schrecklich gerächt wird! Nein, gewiß in dem Augenblick ist er nicht fähig der Freiheit, der der Engländer, der Schweitzer, der Amerikaner genießt. Bis die Ideen aus seinem Kopfe sind, daß in Befolgung der Gesetze Sclaverei ist, - daß er einen Charakter, feste Grundsätze hat, vergehen vielleicht Jahrhunderte.
Die Einnahme der Bastille wird gewiß in Europa Lärmen verursachen; und man wird den Franzosen dieses zur Ehre anrechnen und als einen großen Beweis ihres Muts. Wenn man aber weiß, daß sie dieses taten, um nur die Canonen daraus zu haben, um nur Gewalttätigkeit auszuüben, wenn man weiß, daß der Plan, die Gefangenen zu befreien, dieses Gebäude zu demolieren, erst nachher entstand und also auf sie bei der Einnahme nicht wirken konnte: so fällt dieses Lob weg.
Da die Unruhen so stark sind, daß man nicht fähig ist, mit kaltem Blut und in der Ordnung sich hinzusetzen u. zu schreiben, da ohnedem HE. v. Hiller bei mir ist und mich immer unterhält: so bleibt eine Lücke in dem Journal - den Datums nach, nicht des Inhalts. Ich werde hier nur die Anektoden, die ich hie u. da erfuhre, aufzeichnen.
Der Vice Nonce L'Abbé *** fuhr bei diesen Unruhen aus. Das Volk arretierte ihn, führte ihn aufs Hotel de Ville. Die Herren baten ihn um Verzeihung - er bate, daß man ihn wenigstens sicher nach Hause schaffen möchte. Man erklärte ihm, daß man alles tun wolle, wirklich aber nicht ganz Meister seie; man stehe für nichts. Wie mußte es nicht diesem Manne zu Mute sein!

Anm,; von Wolzogen nahm erst am 5. September 1789 sein Tagebuch wieder auf. Die Massaker von Anfang September übergeht er.
(Herausgegeben von Eva Berié und Christoph von Wolzogen, S. Fischer Verlag 1989)

Sonntag, 13. Juli 2014

Sturm auf die Bastille II

Aus „Dieses ist der Mittelpunkt der Welt - Pariser Tagebuch 1788/1789“ von Wilhelm von Wolzogen.
(Die Schreibweise des Originals wurde zum großen Teil beibehalten)

Paris, am 13. Juli 1789
Sturm auf das Kloster St. Lazare

Vor Paris und seine Innwohner war dieser Morgen der gefährlichste, indem die große Anzahl von schlechtem Gesindel, die in der Stadt war und nichts zu verlieren hatte, in Waffen war, ohne Ordnung hin- und herzog und viel Unfug verführte. Sie schossen und schrien u. insultierten, wem sie begegneten. Ein Kerl schlug gerade auf unser Haus - ich lag am Fenster -, er drückte los, und der Pfropf fuhr mir unter die Nase.
Gegen 13 000 Mann hatte man etl[iches] vorher
Sturm auf das Kloster St. Lazare
Beschäftigung in der Vorstadt Montmartre gegeben. Diese fielen über das große und reiche Kloster St. Lazare her, steckten es in Brand, raubten das Getreide heraus, fielen in [den] Keller ein und betranken sich da so voll, daß viele bei dem Feuer liegenblieben und da verbrateten. Zugleich stürmten sie auf die Barrieren ein, rissen sie zusammen und verbrannten sie auf den Grund und jagten die Commis fort. Wo sie Wein wußten, fielen sie ein; die Schiffe, die mit Fässer voll davon am Ufer lagen, wurden rein ausgeplündert. Die auf den Straßen wandelten, wurden

mit fortgerissen; man konnte nicht widerstehen und mußte nur eine Gelegenheit ersehen, um wieder durchzukommen. Viele Fremde und Einheimische wollten sich retten; keine Equipage aber wurde hinausgelassen. Es ließen sich zwar hier u. da Dragoner, Husaren u. Schweitzer sehen, man sah aber ein, daß nichts auszurichten [war]; und sie zogen sich daher zurück. Jetzt fing man auch an, Cocarden zu tragen; im Anfang grün; da man aber darauf kam, daß das des Graf Artois Livrée [war], so veränderte man sie in blau u. rot u. weiß.
Wer keine Cocarde trug, wurde arretiert. Heute war es auch, daß man in das Gardemeuble einfiel. Diese Unordnung[en] wurden endlich so stark, die Furcht, daß der König Truppen würde anrücken lassen, vermehrte sich so sehr, daß die Bürger durch die Sturmglocke, die zwar immer geläutet wurde, in ihre verschiedene Kirchspiele versammlet und eine Bürgermiliz aufgestellt wurde. Man consignierte demnach die verschiedenen Innwohner der Häuser, stellte Hauptmannschaften, Corporalschaften auf; und nun sah man ordentliche Bürgerpatrouillen unordentlich genug durcheinander; doch war man jetzt sicherer für das Lumpengesindel. Alle alten Waffen wurden hervorgesucht: Dieser hatte nur einen Ladstock, jener eine Degenklinge ohne Gefäß, jener einen Morgenstern, wieder ein anderer einen krummgezogenen Büchsenlauf. Flinten von besonderer Einrichtung, alte Räuberpistolen von ungeheurer Länge, Gewehre ohne Schlösser, Schäfte ohne
Läufe, Läufe ohne Schäfte: alles galt, wenn es nur zu einer Waffe jemals gehört hat. Die Verschiedenheit der Waffen, die man sah, wenn man in den Straßen herumging, übertrifft alles, was man jemals in Zeughäusern gesehen hat. Es war ein herumgehendes Waffencabinet.



(Herausgegeben von Eva Berié und Christoph von Wolzogen, S. Fischer Verlag 1989)

Samstag, 12. Juli 2014

Sturm auf die Batille I

Aus „Dieses ist der Mittelpunkt der Welt - Pariser Tagebuch 1788/1789“ von Wilhelm von Wolzogen.
(Die Schreibweise des Originals wurde zum großen Teil beibehalten)



Paris, am 12. Juli 1789 Spätnachmittags

Jetzt gingen wir nach Haus. Als wir schon in der Barriere waren, erfuhren wir, daß in Paris ein großer Aufruhr ausgebrochen sei.

Ich begab mich demnach sogleich nach Hause. Unterwegens begegneten mir schon Bürger mit Gewehren u. Säbel und schlugen die Läden der Epiciers ein, um Fackeln daraus zu nehmen. Wirklich war auch der Lärm allgemein. Die Unruhen waren entstanden durch Anrückung des Regiments Royal allemand mit dem Prinzen Lambesc an der Spitze, um die Gardes française zum Gehorsam zu bringen; plötzlich rückte es an in die Champs Elysées. Einige Garden, die da waren, retirierten sich in die Tuelerien. Der Prinz Lambesc bekam einen Wurf an [den] Kopf; er sahe den Täter, verfolgte ihn und gab ihm bei der Pont tournant einen Hieb in [den] Kopf und ritte so dann mit dem Regiment in die Tuelerie herum. 
Hier waren eine große Menge Spaziergänger, wie es sonntags bei schönem Wetter gewöhnlich ist. Die Damen kamen in die größte Furcht! Alles suchte sich zu flüchten und brachte dadurch einen unbeschreiblichen Alarm in die Stadt. Die Bürger, kurz, alles, was aufgelegt, Waffen zu tragen, griff dazu. Auf dem Rathaus wurden eine Menge Flinten ausgeteilt. Wo man nur Waffen wußte, die wurden weggenommen, die Läden der Fourbisseurs (Schwertfeger) forciert und aller Vorrat herausgerissen, das Gardemeuble bestürmt, und die alten Flinten u. Säbel mußten hervor. Die Garde française verteilte sich unter diese unbezähmte Truppen. In allen Straßen hört man Waffengetümmel, die Sturmglocken wurden geläutet, die Leute, die nicht mitmachen wollten, forciert, die Waffen zu ergreifen und mitzuziehen.
Es war wirklich gefährlich: nicht sowohl wegen dem Feind, gegen den man zage, als wegen der Ungeschicklichkeit der Bewaffneten, die, ungeübt, Waffen zu tragen, sich selbst oft mit verwundeten. Bloße Säbels, Gewehre mit Bajonetts, Pistolen, Hellebarden, lange Stöcke mit Messer, Sensen etc. oben daran, wurden so nachlässig auf den Achseln getragen, so mit herumflanquiert, daß man nicht sicher, wenn man auf den Straßen ging, auch wenn man ihnen folgte, [nicht] verwundet zu werden. Ich habe selbst gesehen, daß einer, der einen alten Säbel auf der Schulter gerade liegen hatte, einen andern, der hinter ihm stunde, als er schnell zurücktrat, den Degen in [den] Hals hineinstieß, daß er plötzlich tot zur Erde niedersank. Dieser Lärm dauerte die ganze Nacht fort.

(Herausgegeben von Eva Berié und Christoph von Wolzogen, S. Fischer Verlag 1989)